Riklef von Schüssler „Die Branche hat den Kunden verloren“

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Also kein Allheilmittel?

von Schüssler: Es mag Kunden geben, die dem Robo Advisory offen gegenüberstehen. Dazu gehören unter anderem Menschen, die nachts ihr Portfolio umschichten wollen. Das ist aber nicht der Markt. Das Wealth Management in Deutschland besteht aus etwa einer Million Menschen, die Aufklärung suchen, Begleitung benötigen und bei bestimmten Fragestellungen Beratung erwarten. 

Was will der Kunde sonst noch?

von Schüssler: Diese Frage ist doch der springende Punkt. In den vergangenen zehn Jahren hat sich das Verhalten der Verbraucher enorm verändert. Weite Teil der Gesellschaft empfinden ein Smartphone nicht als ein Nice-to-Have, sondern als einen notwendigen Lebensbegleiter. Im Internet werden teilweise intimere Informationen als in der Familie ausgetauscht, und technischer Fortschritt ist heute ein Lifestyle. Die Finanzdienstleister haben diese Entwicklung – und damit den Kunden – aus dem Blick verloren. Der Kunde erwartet aber von seinem Finanzdienstleister, dass dieser im Dienstleistungs- und Service-Angebot im Blick hat, was ihn bewegt. Der Kunde will in seiner Erlebniswelt abgeholt werden. Stattdessen kämpfen die Anbieter, auch im Wealth Management, mit althergebrachten Mitteln wie Toastern oder Theaterkarten als Bleibeprämie. Das ist Anachronismus pur.

Wie könnte die Branche einen entscheidenden Schritt nach vorne machen?

von Schüssler:  Die Probleme der Branche sind genannt. Warum also nicht Technologien nutzen, um dem Berater die Arbeit zu erleichtern und mehr Rechtssicherheit herzustellen – und das aufsichtskonform?

Ein konkretes Beispiel?

von Schüssler: Nehmen Sie das vom Gesetzgeber vorgeschriebene Anlegerprofil, das vom Berater erstellt und gepflegt werden muss und im Zweifel vor Gericht eine hohe Beweiskraft hat. Um rechtssicher zu sein, muss das Protokoll eindeutig, vollständig und möglichst aktuell sein. Mittels Technik können Sie das Anlegerprofil fortlaufend verifizieren. Microsoft macht das auf ähnliche Weise mit Windows Cortana. Dort werden Sie regelmäßig gefragt, worüber Sie nachdenken oder ob Ihnen gerade gefällt, was Sie auf dem Bildschirm sehen. Amazon mit Alexa unterbreitet Ihnen zielgerichtet Angebote aufgrund von zuvor getätigten Käufen und besuchten Internetseiten. Das ist nichts anderes als eine fortlaufende Kunden-Profilierung. Darauf aufbauend können die Finanzdienstleister die Kundendaten dank Business Intelligence kontinuierlich auswerten und bei Bedarf anlegergerechte Angebote unterbreiten.

Würde da der Regulierer mitmachen?

von Schüssler: Wir alle glauben immer, dass der Regulierer nur dazu da ist, uns das Leben schwer zu machen. Die Bafin schreibt Prozesse vor, da diese vorher entweder gefehlt haben oder schlichtweg unzureichend eingehalten wurden. Aber im Zeitalter der Digitalisierung wird das Papierformular nur ein vorübergehendes Medium sein. Die Zukunft besteht darin, dass Informationen digital übermittelt werden und dass elektronisch sichergestellt wird, dass deren Inhalte beim Adressaten ankommen und verstanden wurden. E-Learning, Videodokumentation, Online-Tracking – das alles ist die Digitalisierung, die die Finanzdienstleistung rechtssicherer, weniger personalintensiv, aufsichtskonform und am Ende auch profitabler machen wird.

Über den Interviewten:
Riklef von Schüssler ist geschäftsführender Gesellschafter der zum Jahresanfang gegründeten Allington Investors Group. Das Multi Family Office ist hochgradig digitalisiert und bietet neben Vermögensreporting und Beratung vor allem die Dienstleistung der Geldanlage für unternehmerische Hochvermögende an. Der 48-Jährige war zuvor seit 1993 für die Investmentgesellschaft Feri tätig und dort zuletzt als geschäftsführender Partner für das Feri Family Office zuständig.

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