Chancen für Anleger Die EZB kann bestimmte Bonds nicht kaufen

Michael Hess arbeitet beim Asset Manager Bantleon: In seinem Gastbeitrag erläutert er, was heute für jene Unternehmensanleihen spricht, die die EZB nicht kaufen kann.

Michael Hess arbeitet beim Asset Manager Bantleon: In seinem Gastbeitrag erläutert er, was heute für jene Unternehmensanleihen spricht, die die EZB nicht kaufen kann. Foto: Bantleon

Die Wertentwicklung von Euro-Unternehmensanleihen der Bonität Investment Grade sollte im Jahr 2020 vor allem vom unangefochten positiven technischen Umfeld beeinflusst werden. So dürften sich die Mittelflüsse weiter im positiven Bereich bewegen, sofern nicht plötzliche Extremereignisse auftreten, beispielsweise Schwarze Schwäne. Das gilt mindestens solange, wie die Alternativen in den weniger risikobehafteten Anlageklassen keine ausreichende Rendite abwerfen.

Das Sahnehäubchen für die positive Renditeentwicklung dürfte jedoch die Unterstützung der EZB sein. Sie wird die Risikoprämien mit ihrem aktuellen Anleihenkaufprogramm wohl auf oder sogar unter die Tiefstände seit der Finanzkrise befördern: Im Jahr 2020 ist ein durchschnittliches Kaufvolumen in Höhe von über 5 Milliarden Euro pro Monat wahrscheinlich, wovon ungefähr eine Milliarde Euro auf Reinvestitionen für auslaufende Anleihen entfallen. Entsprechend sollte das Netto-Kaufvolumen der EZB etwa 4 Milliarden Euro im Monat betragen.

Wie beide Versionen des EZB-Kaufprogramms von Unternehmensanleihen veranschaulichen, führten bereits die Ankündigungen der Europäischen Zentralbank zu deutlich sinkenden Risikoprämien von EUR-Unternehmensanleihen der Bonität Investment Grade (siehe Grafik). Zu Beginn der tatsächlichen Käufe war zwar ein temporärer Anstieg zu beobachten. Letztendlich handelte es sich jedoch nur um eine sehr kurzfristige Schwächephase, bis das Kaufprogramm seine Wirkung entfaltete und die Risikoprämien weiter sanken.

Mehrfache Rendite bei nicht EZB-fähigen EUR-Unternehmensanleihen

Interessant bleibt die unterschiedliche Entwicklung von EZB-fähigen Anleihen im Vergleich zu Anleihen, welche die EZB aufgrund des Emittentensitzes nicht erwerben darf: Letztere haben in der Regel eine höhere Rendite. Auf Einzeltitelbasis kann die Renditedifferenz beachtlich sein. So bietet beispielsweise die Euro-Anleihe von IBM mit Emittentensitz USA – somit nicht EZB-fähig – und einer Laufzeit von acht Jahren mit 0,3 Prozent die sechsfache Rendite gegenüber einer Anleihe derselben Laufzeit des Unternehmens SAP. Beide Unternehmen haben das Rating „A“.

Dementsprechend kann ohne Abstriche beim Kreditrisiko eine signifikant höhere Rendite erzielt werden. Die Kaufprogramme sind deshalb eine gute Möglichkeit, um eine signifikante Überrendite zu erwirtschaften. Nur in Schwächephasen des Marktes für Euro-Unternehmensanleihen guter Bonität ist eine temporäre Outperformance der EZB-fähigen Anleihen zu erwarten. Denn bei deren Verkauf ist die Liquidität am Markt höher; das spiegelt sich in den Kursen wider. Wegen unseres positiven Konjunkturausblicks erwarten wir im Jahr 2020 einen höheren Ertrag der Anleihen, welche die EZB nicht kaufen kann.

EZB-Anleihenkaufprogramme drücken die Risikoprämien

Programm zum Ankauf von Wertpapieren des Unternehmenssektors (Corporate Sector Purchase Programme, CSPP)Quelle: Bloomberg, Bantleon, Stand: 4. Februar 2020 

Fazit: Euro-Unternehmensanleihen der Bonität Investment Grade sollten im Jahr 2020 eine sinnvolle Lösung für sicherheitsbewusste Investoren bleiben, um im Tiefzinsumfeld noch positive Renditen zu erzielen. Die Erträge von über 6 Prozent im Jahr 2019 dürften zwar nicht zu wiederholen sein, dennoch sollte die Erholungsphase des Mini-Kreditzyklus nach dem Tief von Ende 2018 intakt bleiben und von der EZB weiter unterstützt werden.

Die politischen Spannungen in Bezug auf den Welthandel, die US-Wahl, den Brexit und die Krise im Nahen Osten dürften die Finanzmärkte im Jahr 2020 zwar beeinflussen. Jedoch werden diese Faktoren nicht ausreichen, um die genannten positiven technischen Faktoren sowie die sich aufhellende Weltwirtschaft nach dem Überwinden des Coronavirus-Effekts zu überlagern. Wegen der deutlich höheren Renditen der nicht EZB-fähigen Euro-Unternehmensanleihen sollten Anleger auch dieses Segment bei ihren Anlageentscheidungen berücksichtigen.


Über den Autor:
Michael Hess leitet beim Asset Manager Bantleon am Standort Zug (Schweiz) das Portfolio Management für Unternehmensanleihen (Corporate Credit). Hess hat an der privaten Wirtschaftsuniversität Babson College (Wellesley, Massachusetts) studiert. Es folgten Stationen bei der Deutschen Bank und Swiss Life Asset Managers. Seit 2019 arbeitet Hess bei Bantleon.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen