Chance für Private Banker Unternehmerkunden erkennen dank Corona den Wert von Wertpapieren

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Nicht, dass man davon in den Medien viel erfahren würde. Ironischerweise sorgen viele Massenmedien, die von der Digitalisierung bereits gebeutelt sind, in Corona-Zeiten vor allem durch negative Berichte für das eigene Überleben.

Wie steht es um die Familienunternehmen? Und wie erkennen wir, wie es um sie steht?

Legen wir bei den großen und kleinen Familienunternehmen der Republik den Maßstab einer differenzierten Betrachtung an, merken wir schnell: Viele Statistiken, die aktuell durch die Welt geistern, sind eigentlich nicht zu gebrauchen, um den Gesamtzustand dieser Unternehmen zu beleuchten. Denn eine alleinige Betrachtung beispielsweise der KfW-Darlehen (Menge und Volumen) ist leider für sich genommen wenig aussagekräftig. Vielmehr rate ich, folgende Informationen für eine Gesamtbetrachtung zusammenzutragen:

  • Wie sieht die Firmenliquidität aus (aktuell und Verbrauch der letzten 6 Monate)?
  • Wie viel Privat-Cash wurde dem Unternehmen zugeführt?
  • Wurden Zahlungen für Pachtverträge „an sich selbst“ unterbrochen?
  • Welche Darlehen (zum Beispiel KfW) wurden in Anspruch genommen?
  • Spezifisch: Welche (Corona-)Bankdarlehen wurden in Anspruch genommen?
  • Wurden Tilgungen gestundet?
  • Wie stark wurden die schon länger bestehenden Kreditlinien ausgeschöpft?
  • Gab es Steuerstundungen oder Verlustrechnungen?
  • Wurden Sozialabgaben gestundet?
  • Gab es Lieferkredite?

Spricht man übrigens direkt mit den Unternehmern, ist das Bild von der aktuellen Lage eher einheitlich positiv. Nur die wenigsten gingen bislang überraschend insolvent und auch bei den meisten Unternehmen, die während Corona echte Probleme bekommen haben, war eigentlich 2019 schon absehbar, dass man sich auf keinem guten Weg befand.

Vielen Familienunternehmen beantragten zwar Förderkredite und ähnliche Hilfen, doch letztlich wurden sie oft gar nicht vollständig ausgeschöpft, weil es nicht notwendig war. Berechtigte Sorge von einer breiten Menge an Unternehmern kommt lediglich aus spezifischen Branchen, wie etwa der Veranstaltungs- und Konzertbranche. Diese werden durch den zeitweisen Lockdown, die strengen Hygieneauflagen und die Vorsicht der potenziellen Kundschaft langsam aber sicher an ihre finanziellen und psychischen Grenzen gedrängt. Auch hier: Ein differenzierter Blick hilft, die Unterschiede zwischen den Branchen zu erkennen.

Wie geht es mit den Bilanzen für 2020 weiter?

Vor wenigen Monaten habe ich hier im Magazin zum ersten Mal das Thema Bilanzen für die Kreditvergabe in Corona-Zeiten (und danach) angesprochen. Und es sieht so aus, als sollte ich (leider) recht behalten: Durch Corona-bedingte Veränderungen in Geschäftsmodellen und vermeintlichen Ungereimtheiten bei den Zahlen werden mindestens 2020 noch die Jahresbilanzen der meisten deutschen Unternehmen nicht repräsentativ sein. Und das bedeutet, dass spätestens für eine Kreditvergabe 2021 die Frage gestellt werden muss: Wie gehen Finanzinstitute damit um, wenn sie wissen, dass die vorgelegten Bilanzen nicht die eigentliche Situation des Unternehmens widerspiegeln? Die Bafin hat bereits signalisiert, dass sie keine Corona-bedingten Änderungen an den verbindlichen Vorgaben zur Kreditvergabe vornehmen wird. Von dieser Seite aus ist also keine Unterstützung zu erwarten, weder für die Institute noch für die Unternehmen.

Mein Rat an Finanzdienstleister ist deshalb: Bleiben Sie jetzt nah am Kunden! Arbeiten Sie sich durch die Geschäftsmodelle, um hier präventiv einen möglichst großen Handlungsspielraum zu bekommen. Sie werden noch einige Zeit mit den durch Corona verfälschten Zahlen arbeiten müssen, also erweitern Sie jetzt Ihren Blick auf all das, was die reine Bilanz nicht abdecken kann. Verstehen Sie das Geschäftsmodell und die Wertschöpfungsketten Ihrer Kunden, dann haben Sie in dieser Ausnahmesituation einen wesentlich besseren Eindruck davon, wie Ihre Kunden gerade wirklich dastehen.

So geht es aktuell den Finanzinstituten

Bei Banken, Sparkassen und Volksbanken sowie freien Vermögensberatern und Vermögensverwaltern zeigte sich genau wie bei den Unternehmen, dass die Art und Weise, wie das Institut aufgestellt war und wie es auf die Probleme der Krise reagiert hat, sehr unterschiedlich war. Dementsprechend unterschiedlich stellen sich die aktuelle Lage sowie die Zukunftsaussichten dar: Einige Institute haben in der Krise sogar mehr Erträge erwirtschaftet, während andere nur niedrigmargiges Kreditgeschäft gemacht haben. Einige haben die Krise genutzt, um positiv auf die Kunden zuzugehen – zum Beispiel mit innovativen Lombardkrediten, gekoppelt mit freien Grundschulden (gerade Value-orientierte Unternehmer haben dies zum Markteinstieg bei Top-Einzelaktien genutzt). Andere haben nur reagiert. Wer besonders schlau ist, prüft jetzt, sechs Monate nach dem ersten Lockdown, seine Schlüsselkunden manuell und individuell erneut durch, um die aktuelle Situation im Kundenportfolio einschätzen zu können. Andere Institute tun dies nicht – und werden vielleicht bald merken, welches Versäumnis sie sich hier leisten.

Die unterschiedliche Herangehensweise in Bezug auf die Corona-Krise ist jedoch kein Wunder, denn je nach Aufstellung der Institute war auch die Ausgangssituation eine andere: Regionalinstitute haben beispielsweise tendenziell viele regionale Kunden und praktisch keine multinationalen Konzerne. Und wie wir ja eingangs bereits festgestellt haben: Für kleinere Betriebe wie Handwerker wird die eigentliche Krise erst zeitverzögert eintreffen. Mit anderen Worten: Für kleinere, regionale Institute gab es bislang noch weniger Handlungsbedarf. Größere Institute wurden direkt gezwungen, auf die Krise zu reagieren. Doch auf der anderen Seite der Medaille wiegen sich jetzt manche regionalen Institute in trügerischer Sicherheit. So lange, bis ihre Kunden die Nachwehen von Corona zu spüren bekommen. Als Finanzberater ist es spätestens jetzt an der Zeit, der Risikoprävention neben der Provisionssteigerung und dem Zukunftsgespräch Raum einzuräumen, sowohl bei der Beratung Ihrer Kunden als auch bei strategischen Überlegungen im eigenen Institut.