CBRE schreibt von einer Vollbremsung am deutschen Immobilien-Investmentmarkt. Im ersten Quartal 2023 summierte sich laut dem Immobilien-Dienstleister das Transaktionsvolumen demnach auf gut sieben Milliarden Euro – 71 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Verglichen mit dem Fünfjahresdurchschnitt der ersten Quartale lag das aktuelle Quartal 66 Prozent darunter, gegenüber dem Zehnjahresdurchschnitt 60 Prozent. Insbesondere im Bürosegment war demnach ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen.
Verkäufer müssen sich an neue Realitäten gewöhnen
Auf immerhin 7,8 Milliarden Euro beziffert JLL das Transaktionsvolumen. Aber auch sprechen die Verantwortlichen von einer Hängepartie um das neue Preisniveau auf dem deutschen Investmentmarkt, weil Investoren nach wie vor extrem zurückhaltend agieren. Die Unsicherheit über Konjunktur- und Zinsentwicklung ist dabei der stärkste Bremsklotz. „Erst wenn sich eine gewisse Stabilisierung zeigt, kann der Fuß von der Bremse genommen werden und dann werden auch wieder Transaktionen in signifikanter Größenordnung stattfinden. Denn Kapital ist nach wie vor grundsätzlich vorhanden und auch die grundlegende Erkenntnis, dass Immobilien in jedes Portfolio gehören, hat sich nicht geändert“, sagt Helge Scheunemann, Leiter Research JLL Deutschland. Was sich geändert hat, ist die Preisvorstellung und angesichts Finanzierungskonditionen inklusive Marge von mehr als vier Prozent müssten sich auch die Verkäufer an neue Realitäten gewöhnen.
Doch damit tun sich viele Marktteilnehmer schwer. „Wir befinden uns in einer klassischen Bid-ask-Falle“, sagt Jan Eckert, Leiter Kapitalmärkte für die Dach-Region (Head of Capital Markets) bei JLL für die Dach-Region.
Solange an der Zinsfront keine Stabilität eintritt oder in Sicht ist, wird sich laut JLL daran wenig ändern. „Ausgerechnet die geringfügigen Zinserhöhungen sorgen weiterhin für Verunsicherung und nur zögerliche Neubewertungen. Allerdings ist längst nicht ausgemacht, dass eine Schocktherapie wie beispielsweise in Großbritannien nach dem Regierungswechsel im vergangenen Herbst der sinnvollere Weg ist“, so Eckert.
Wohnen ist größte Assetklasse, Büros verlieren weiter an Boden
Die stärkste Assetklasse stellten Wohnimmobilien (ab 50 Einheiten) dar. Laut Zahlen von JLL, CBRE und Nai Apollo kommt die Assetklasse auf rund 2 Milliarden Euro. BNP Paribas Real Estate und Savills berechneten sogar nur 1,1 beziehungsweise 1,2 Milliarden Euro. Die Gründe für den massiven Rückgang um über 50 bis 70 Prozent im Vergleich zum Vorjahr sehen die Maklerhäuser in den gestiegenen Finanzierungskosten und der hohen Inflation.
An zweiter Stelle standen Einzelhandelsobjekte mit 1,34 Milliarden Euro (19 Prozent). Dieses ungewöhnlich starke Ergebnis wurde in erster Linie von der anteiligen Übernahme des Kadewe in Berlin durch die thailändische Harng Central Department Store Limited getrieben. Nur den dritten Platz in der Rangfolge konnten Büroimmobilien für sich beanspruchen, mit 1,14 Milliarden Euro (16 Prozent), gefolgt von Lager- und Logistikimmobilien mit 1,03 Milliarden Euro (15 Prozent), bei sich fehlende Portfoliotransaktionen am deutlichsten auswirkten.
Top-7-Städte steigen ab
Der Anteil der Top-7 am Gesamtmarkt lag mit 44 Prozent deutlich unter der üblichen Marke von rund 50 Prozent. Berlin knackt nur dank besagtem Kadewe-Deal die Eine-Milliarde-Euro-Marke deutlich. Münchens zweiter Platz mit 413 Millionen Euro wird zu mehr als der Hälfte vom Grundstücksverkauf der Landeshauptstadt München an Apple getragen, die dort ihren Firmencampus erweitern.
„Unverändert hemmen Schwierigkeiten bei der Preisfindung das Transaktionsgeschehen. Insbesondere bei hochpreisigem Core-Produkt in den großen Investmentzentren tritt dieses Problem zutage. In München und Frankfurt, deren Transaktionsvolumen in den vergangenen Jahren von Landmarkdeals insbesondere im Bürosegment befeuert wurden, sind solche Abschlüsse fast vollständig zum Erliegen gekommen“, so Christian Kadel, Leiter Kapitalmarkt (Head of Capital Markets) bei Colliers.
Portfolios sind derzeit so wenig gefragt wie seit 2010 nicht mehr
Insgesamt wurden nur 2,4 Milliarden Euro für Portfolios registriert, der Rückgang gegenüber dem Vorjahr fiel mit 80 Prozent überdurchschnittlich aus und es war das schlechteste erste „Portfolio-Quartal“ seit 2010. „Unter den aktuellen Marktbedingungen sind Refinanzierungen komplizierter geworden, sodass vor allem Portfolios nicht mehr in dem Maße nachgefragt werden, wie wir es in den vergangenen Jahren gesehen haben“, so JLL-Mann Eckert.
Zwangsverkäufe oder Restrukturierungen werden zunehmen
„Die rasante und deutliche Zinswende wirkt sich derzeit bremsend auf das Transaktionsgeschehen aus, da die Investoren ihr Pricing den aktuellen Rahmenbedingungen anpassen müssen. Aktuell sehen wir weiter nur sehr verhaltene Investmentaktivität, auch wenn viele, insbesondere internationale Investoren aktuell Deutschland als einen der wichtigsten Zielmärkte weltweit sehr genau beobachten. Käufer und Verkäufer finden aber gerade im großvolumigen Core-Bereich weiterhin nicht zusammen“, sagt Fabian Klein, Leiter Investment (Head of Investment) bei CBRE in Deutschland.
Das deutlich veränderte Markt- und Zinsumfeld hat laut Klein bisher nicht zu Zwangsverkäufen oder Restrukturierungen geführt. „Dennoch ist zu erwarten, dass das Angebot aufgrund solcher Entwicklungen über alle Assetklassen zunehmen wird – insbesondere getrieben durch auslaufende Finanzierungen.“ Klein rechnet deshalb mit guten Investitionsmöglichkeiten für Investoren „die ein klares Bild von ihren Zielinvestments haben.“
Ausblick
Nach Analyse von CBRE preist der Markt mindestens einen Abschlag von 20 Prozent im Vergleich zum letzten Peak ein. „Wir erwarten, dass sich die Preisvorstellungen auf Käufer- und Verkäuferseite zunehmend angleichen werden und die Investoren die zukünftige Zinsentwicklung besser einschätzen können und ihre Anlageentscheidungen darauf anpassen können“, sagt Fabian Klein von CBRE. „Aktuell nehmen die Pitch- und Vermarktungsaktivitäten zu, sodass mit den am Markt erwarteten Benchmark-Transaktionen ein neues Preissignal gesetzt werden kann – als Startschuss für mehr Dynamik.“
„Extrem schwierig“, findet Helge Scheunemann von JLL einen Ausblick: „Da die Mieten in nahezu allen Assetklassen steigen, können diese die Wertverluste steigender Renditen zwar etwas abfedern, aber eben nicht verhindern. Letztere sollten im Schnitt noch ungefähr 20 Basispunkte steigen. Je schneller sich dieser Anpassungsprozess vollzieht und je eher sich die Notenbanken zu einem Konsolidierungskurs entscheiden, desto eher wird es dann auch wieder Einstiegsmöglichkeiten für Investoren in den Immobilienmarkt geben.“
„Die Unsicherheit bleibt aufgrund des wirtschaftlichen Ausblicks, der aktuellen Entwicklungen im Banken- und Finanzsektor sowie dem weiter andauernden Krieg in der Ukraine hoch. Trotz allem sehen wir auch wieder mehr Aktivitäten rund um größere Portfolios und Projektentwicklungsgrundstücke. Der abrupte Renditeanstieg und der Druck von der Finanzierungsseite könnte einige Überraschungsdeals dieses Jahr hervorbringen“, schätzt Christian Kadel von Colliers.