Carmignac-Kommentar Verliert die US-Notenbank das Vertrauen des Marktes?

Seite 2 / 2


Eine Frage des Vertrauens

Die Fed hat ihr Pulver verschossen. Die Quantative Lockerung ist beendet und die Fed-Präsidenten Janet Yellen ist es bisher nicht gelungen, sich bei den Zinssätzen auch nur den geringsten Spielraum zu verschaffen.

Die Bank of Japan und die EZB haben theoretisch noch Pulver, um ihre Liquiditätskanonen nachzuladen. Doch das unumstößliche Gesetz sinkender Renditen macht es unwahrscheinlich, dass ihre extrem akkommodierende Geldpolitik, die bisher nur wenig Wirkung auf die Realwirtschaft gezeigt hat, dies künftig in stärkerem Maße tun wird.

Das Vertrauen ist auf so grundlegende Weise das Rückgrat des Finanzsystems, das es wohl kaum auf einen Schlag wegbrechen wird. Die Märkte wurden nicht mit dem plötzlichen Konkurs einer großen Bank konfrontiert. Sie müssen sich jedoch auf das zögerliche Ende einer Zeit gefasst machen, in der es möglich war, das Wesen der wirtschaftlichen Realität dank eines nie dagewesenen Liquiditätszyklus auszublenden, der mit dem Gütesiegel der Zentralbankgarantie versehen war.

Sie müssen sich nunmehr auf die Wirklichkeit einer einsetzenden Abschwächung des Weltwirtschaftswachstums einstellen, mit allen Gefahren, die diese für den moderaten amerikanischen Aufschwung und die sehr instabilen Konjunkturzyklen in Europa und Japan mit sich bringt.

Im Umfeld dieses bedeutenden Wandels ist die jüngste Verschlechterung auf dem Markt für hochverzinsliche Anleihen besonders besorgniserregend. Denn sie ist nunmehr wesentlich ausgeprägter als die der Aktienmärkte, auch wenn man den Erdölsektor aus dem Vergleich ausklammert, obwohl diese beiden Märkte traditionell stark miteinander korrelieren.

>>Vergrößern

Quelle: Datastream

Folgen für die Fondsindustrie

Die passive Verwaltung hat die aktive Verwaltung seit sechs Jahren vor enorme Herausforderungen gestellt, indem sie sich auf Märkten bewegte, die nicht den Kriterien einer Fundamentalanalyse entsprachen, sondern allein den Finanzströmen folgten.

Die bevorstehende Phase der Instabilität kündigt das Ende des ungebrochenen Anstiegs der Indizes an und könnte das Schicksal der benchmark-orientierten Verwaltung besiegeln. Dieser Übergang ist eine historische Chance für aktiv verwaltete Fonds.

Doch die Herausforderungen sind groß und müssen langfristig gemeistert werden. Wir selbst haben trotz unserer strategischen Analyse, die derzeit durch die Realität bestätigt wird, kurzfristig die Heftigkeit der Marktschwankungen im August zu spüren bekommen. Wir haben zu spät erkannt, dass sich die Abwertung der chinesischen Währung als Katalysator auswirken würde, der in nur wenigen Tagen die weltweiten Märkte destabilisiert.

Wir mussten demzufolge in einigen unserer Fonds den größten Teil der Performance, die wir seit Jahresbeginn kumuliert hatten, wieder abgeben. Fehler sind ein Teil der aktiven Verwaltung, aber es hätte uns ganz klar gelingen müssen, gerade diesen zu vermeiden.

Heute sind wir wachsamer, aber unsere strategische Analyse bleibt unverändert. Wir sind uns darüber im Klaren, dass diese erneut dem Konsens zuwiderläuft, der sich widerwillig mit der Vorstellung eines bedeutenden Wandels abfindet und gern weiter an die immerwährende Macht der Zentralbanken glauben würde. „Don‘t fight the Fed“ – und erst recht nicht die EZB – wird weiterhin als kategorischer Imperativ angesehen.

Doch unsere 27-jährige Erfahrung hat uns gelehrt, dass das Vertrauen mit dem Mut zu einer eigenen Meinung und der Abneigung gegen Konformismus beginnt. Uns werden auch weiterhin gelegentliche Fehler unterlaufen, aber wir werden auch weiter hart arbeiten im Sinne des doppelten Mandats, das uns die Anleger anvertrauen: Die Erhaltung ihres Kapitals gegen das Risiko einer schwerwiegenden Marktkorrektur und der Erzielung einer langfristig starken Wertentwicklung.

Wir wissen, dass man Vertrauen nicht fordern kann, sondern dass man es sich langfristig verdienen muss.


Über den Autor:
Didier Saint-Georges ist bei der französichen Fondsgesellschaft Carmignac Geschäftsführer und Mitglied des Investmentkomitees.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen