Die Zahl der vermögenden Privatpersonen (High Net Worth Individuals, HNWI) und deren Vermögen haben im Jahr 2023 einen neuen Höchststand erreicht. Der Aufschwung sei auf eine Erholung der globalen Wirtschaftssituation zurückzuführen. Dies zeigt der aktuelle World Wealth Report 2024 des Capgemini Research Institutes.
Dem Bericht zufolge stieg das weltweite HNWI-Vermögen im vergangenen Jahr um 4,7 Prozent auf 86,8 Billionen US-Dollar. Ebenso stieg die Zahl der HNWI weltweit um 5,1 Prozent auf 22,8 Millionen und wächst trotz ökonomischer Widrigkeiten weiter an. Der Aufwärtstrend gleicht den Rückgang des vergangenen Jahres aus.
Deutschland belegt dritten Rang
Im Jahr 2023 verzeichnete Nordamerika mit einem jährlichen Wachstum von 7,2 Prozent beim Vermögen und 7,1 Prozent bei der Anzahl der vermögenden Personen die stärkste Erholung der HNWIs weltweit. 7,431 Millionen US-Amerikaner gehören dieser Gruppe an. Auf Platz zwei folgt Japan mit 3,777 Millionen, Deutschland kommt mit 1,646 Millionen auf Rang drei. Dahinter liegt China mit gut 1,5 Millionen auf Platz vier. Grund dafür sind laut der Autoren des Berichts die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit, der nachlassende Inflationsdruck und eine beeindruckende Rallye am US-Aktienmarkt. Dieser Trend setzt sich ähnlich in den meisten Regionen fort, wenn auch in geringerem Maße:
- In der Apac-Region betrug das Wachstum 4,8 Prozent, die Anzahl vermögender Personen stieg um 4,2 Prozent
- In Europa stieg die Anzahl vermögender Personen um 4,0 Prozent, das Wachstum der gesamten Vermögen betrug 3,9 Prozent.
In Deutschland wuchs das Vermögen um 2,2 Prozent, die Zahl der vermögenden Personen um 2,1 Prozent. Trotz einer Konjunkturflaute 2023 stieg das Vermögen der Millionäre hierzulande somit auf 6,28 Billionen Dollar. Die Anzahl der Millionäre wuchs um 34.000 Personen. Höhere Sparquoten und steigende Börsenkurse trugen laut Studie dazu bei, während die Inflation immer noch auf einem relativ hohen Niveau von 5,9 Prozent im Jahresdurchschnitt verblieb. Die fallenden Immobilienpreise dämpften die Entwicklung teilweise.
- In Lateinamerika und dem Nahen Osten wuchsen die Vermögen um 2,3 Prozent und um 2,9 Prozent. Die Anzahl an vermögenden Personen stieg um 2,7 Prozent und 2,1 Prozent.
- Afrika war die einzige Region, in der das Vermögen der HNWIs sank – und zwar um 1,0 Prozent. Die Anzahl vermögender Personen sank um 0,1 Prozent. Als Grund dafür werden fallende Rohstoffpreise und rückläufige Auslandsinvestitionen genannt.
In ihrer Anlagestrategie gehen die vermögenden Personen allmählich von Vermögenserhalt zu Wachstum über. Die Daten von Anfang 2024 zeigen, dass sich die Bargeldbestände auf 25 Prozent des Gesamtportfolios normalisieren, ein starker Kontrast zum Mehrjahrzehnt-Hoch von 34 Prozent im Januar 2023. Ein weiteres Ergebnis des Berichts ist zudem, dass 68 Prozent der Vermögenden planen, 2024 mehr in Private Equity zu investieren.
80 Billionen US-Dollar Erbmasse in den kommenden 20 Jahren
Hochvermögende Personen (UHNWI) verfügen über 34 Prozent des gesamten HNWI-Vermögens und machen etwas mehr als einen Prozent der gesamten HNWI-Bevölkerung aus. Prognosen zufolge übertragen Vermögende in den kommenden zwei Jahrzehnten mehr als 80 Billionen US-Dollar an nachfolgende Generationen. Das steigert laut der Studienautoren die Nachfrage nach finanziellen Dienstleistungen wie Anlageverwaltung und Steuerplanung sowie nach nicht-finanziellen Dienstleistungen wie Philanthropie, Concierge-Dienste, Liebhaberinvestitionen und Networking-Möglichkeiten.
Ansprüche an Vermögensverwalter steigen
Laut Studie halten 78 Prozent der UHNWIs derartige Dienste für wichtig. 77 Prozent
verlassen sich darauf, dass ihr Vermögensverwalter sie dabei unterstützt, das Vermögen auf die nächste Generation zu transferieren. Etwa 65 Prozent der HNWIs wünschen sich individualisierte Dienstleistungen.
„Die Kunden haben höhere Ansprüche an ihre Vermögensverwalter, es stand noch nie mehr auf dem Spiel. Unternehmen müssen aktiv werden, um Kunden durch ein personalisiertes Omnichannel-Erlebnis an sich zu binden – gerade, wenn demnächst hohe Vermögenstransfers anstehen und die Zahl der HNWI wächst“, so Klaus-Georg Meyer, Leiter Business and Technology Innovation für Financial Services bei Capgemini in Deutschland.
So könnten KI-gestützte Behavioral-Finance-Anwendungen einen Wettbewerbsvorteil bieten, wenn sie den Entscheidungsfindungsprozess des Einzelnen nachvollziehen. „Die Schaffung von Echtzeit-Kommunikationskanälen wird von entscheidender Bedeutung sein, um plötzlich auftretende Marktbewegungen im Schulterschluss von Berater und Kunde bewältigen zu können“, ergänzt Meyer.
Gut 65 Prozent der HNWIs geben an, dass sie sich unterbewusst bei ihren Investitionsentscheidungen, insbesondere bei wichtigen Lebensereignissen wie Heirat, Scheidung und Ruhestand, beeinflussen lassen. Infolgedessen wünschen sich 79 Prozent der HNWIs Unterstützung dabei, mit derartigen unterbewussten Handlungen umzugehen. Mit Behavioral Finance und künstlicher Intelligenz können Vermögensverwalter laut Studie beurteilen, wie Kunden auf Marktschwankungen reagieren und bessere Entscheidungen treffen.
Vermögensverwalter versus (Single) Famliy Office
Dem Bericht zufolge haben UHNWIs die Anzahl ihrer Geschäftsbeziehungen zu Vermögensverwaltungsfirmen von drei im Jahr 2020 auf sieben im Jahr 2023 erhöht. Dieser Trend deutet laut Studienautoren darauf hin, dass die Branche Schwierigkeiten hat, den Ansprüchen der UHNWIs zu genügen. 78 Prozent der UHNWIS geben an, ihren wichtigsten Vermögensverwalter noch in diesem Jahr wechseln zu wollen.
Im Gegensatz dazu ist die Zahl der Single Family Offices in den letzten vergangenen 10 Jahren um 200 Prozent gewachsen. Um das HNWI- und UHNWI-Segment weiter bedienen zu können, müssen die Vermögensverwalter ein Gleichgewicht zwischen Wettbewerb und Zusammenarbeit mit Family Offices finden. 52 Prozent der UHNWIs wollen ein Family Office gründen und wünschen sich dabei die Unterstützung ihres zentralen Vermögenverwalters.