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Candriam-Chef über die Wirtschaft nach Corona Klimaschutz wird zum Jobmotor

Mitarbeiter einer Solarfirma in Frankfurt/Oder: In der Energiewirtschaft könnten Prognosen zufolge bis zum Jahr 2050 Millionen neue Jobs entstehen.

Mitarbeiter einer Solarfirma in Frankfurt/Oder: In der Energiewirtschaft könnten Prognosen zufolge bis zum Jahr 2050 Millionen neue Jobs entstehen. Foto: imago images / photothek

Naïm Abou-Jaoudé, Candriam-CEO

Die Corona-Krise hat Arbeitskräfte weltweit hart getroffen. Zusätzlich leiden hunderte Millionen Menschen unter dem Klimawandel. Dringender denn je ist eine Krisenpolitik nötig, die soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit vereint.

Die Zahlen zeichnen ein düsteres Bild: Die Internationale Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen warnt, dass die Corona-Pandemie die Lebensgrundlage von weltweit 1,6 Milliarden Beschäftigten in der informellen Wirtschaft unmittelbar gefährdet. Zum Vergleich: Die Menschen, die in der sogenannten Schattenwirtschaft tätig sind, stellen fast die Hälfte des weltweiten Arbeitskräftepotenzials.

Allein in Afrika könnte nach Schätzungen der Afrikanischen Union die Krise fast 20 Millionen Arbeitsplätze kosten – sowohl im formellen als auch im informellen Sektor. In den Vereinigten Staaten wiederum dürften mehr Menschen arbeitslos sein als offiziell gemeldet. So geht die „New York Times“ von einer Arbeitslosenquote von bis zu 27 Prozent aus. Offiziellen Angaben zufolge lag die Quote zuletzt bei etwas mehr als 13 Prozent und damit höher als in jeder früheren Nachkriegsrezession.

Es liegt auf der Hand, dass Regierungen ihre Bevölkerung vor den Folgen von Covid-19 schützen müssen. Aber wenn Volkswirtschaften über die gegenwärtige Krise hinaus auf einer soliden Basis stehen sollen, muss die Politik die Ziele des Pariser Klimaabkommens von 2015 einbeziehen. Dazu zählt auch der darin formulierte Anspruch eines „gerechten Übergangs“, bei dem Arbeitnehmerrechte gewahrt und der Lebensunterhalt der Menschen sichergestellt werden.

78 Millionen neue Jobs bis 2050

Allzu oft wird davon ausgegangen, dass Fortschritte bei der Nachhaltigkeit auf Kosten von Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätzen gehen müssen. Angestellte in Branchen, die wenig Wert auf Nachhaltigkeit legen, fürchten um ihre Jobs – und das oft nicht unbegründet. Ehemalige Bergbauregionen in den Industrieländern etwa haben sich sehr oft noch nicht vom Niedergang der Kohleindustrie im späten zwanzigsten Jahrhundert erholt.

Doch es geht auch anders. Bei steigenden Investitionen in erneuerbare Energien könnte die Zahl der Arbeitsplätze in der Branche weltweit bis 2050 um das Vierfache auf 42 Millionen steigen, prognostiziert die Internationale Agentur für Erneuerbare Energien. Zusätzlich würden beim nachhaltigen Umbau von Unternehmen Jobs für weitere 36 Millionen Menschen entstehen. Anders gesagt: Wenn Firmen in eine grüne Wirtschaft investieren, wird es genügend Arbeitsplätze geben.

Damit Beschäftigte von den neuen Jobs profitieren, müssen Firmen Arbeitsplätze mit guten Bedingungen schaffen. Dazu gehört auch, Arbeitnehmern den Wechsel in umweltfreundlichere Branchen zu erleichtern. Das funktioniert nur, wenn Regierungen, Unternehmen, Gewerkschaften und Investoren zusammenarbeiten. Wir müssen darauf achten, dass bei Klimainitiativen die Bedürfnisse der Beschäftigten unbedingt berücksichtigt werden.

In den vergangenen Jahren haben Überlegungen zu Umwelt, sozialen Fragen und guter Unternehmensführung in Wirtschafts- und Politikkreisen sowie bei Investoren deutlich an Bedeutung gewonnen. Doch allzu oft halten die Verantwortlichen diese Bereiche streng voneinander getrennt und sparen kritische Fragen aus. Bleiben aber die Belange der Beschäftigten auf der Strecke, drohen hohe Arbeitslosenzahlen, Unruhen sowie eine Spaltung der Gesellschaft. Das gefährdet den Aufbau einer nachhaltigen Wirtschaft – und damit langfristige Investitionsrenditen.

Aktionäre müssen auf mehr Transparenz hinwirken

Aktionäre müssen Geschäftsführungen nicht nur zum sozialen Umbau ihrer Firmen drängen, sondern sie auch zu mehr Transparenz dieser Leistungen verpflichten, um den Wettbewerb zwischen Unternehmen zu befeuern. Darüber hinaus sollten Investoren Firmen ermutigen, von Veränderungen betroffene Gemeinden zu unterstützen. Das nötige Kapital könnte etwa durch die Begebung von Anleihen beschafft werden.

Anleger und Firmen müssen außerdem den Dialog zu Regierungen suchen, um sicherzustellen, dass soziale Belange sowie Umweltfragen in den Mittelpunkt politischer Entscheidungen gestellt werden. In der Corona-Krise aufgelegte Konjunkturfonds könnten somit zum Aufbau einer starken nachhaltigen Wirtschaft der Zukunft beitragen.

Noch nie zuvor waren unsere Gesellschaften – geprägt durch Regierungen, öffentliche Einrichtungen, Investoren und Unternehmen – der Nachhaltigkeit so stark verpflichtet wie heute. Während sich viele Staaten der Welt im Sinne der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung einsetzen, trifft das auch auf Unternehmen zu: In 157 Ländern haben sich mehr als 11.000 Firmen diesen Zielen verpflichtet.

Ganz wichtig dabei ist jedoch: Regierungen und Firmen müssen ihre Klimaverpflichtungen einhalten – und sicherstellen, dass sie soziale Fragen einbeziehen. Das ist nicht nur eine ethische Entscheidung, sondern auch der beste Weg, um künftiges Wirtschaftswachstum zu sichern. Nur wenn es den Unternehmen gelingt, ökologische und soziale Aspekte in Geschäftsmodelle und Wirtschaftspolitik einzubinden, wird langfristiges Wachstum selbstverständlich. Somit entsteht die entscheidende Widerstandsfähigkeit, die künftige Schocks abfedert.

Dieser Artikel ist zuerst auf Project Syndicate erschienen. Zur englischsprachigen Version gelangen Sie hier.

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