Nach dem am 10. Juli veröffentlichten Referentenentwurf des Jahressteuergesetzes (JStG) 2024 Teil II, das mittlerweile in Steuerfortentwicklungsgesetz umbenannt wurde, soll die Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung für gemeinnützige Körperschaften abgeschafft werden. In der Praxis würde dies für Vereine, Verbände, Stiftungen und gemeinnützige Kapitalgesellschaften die Mittelverwendung erheblich vereinfachen und flexibler gestalten. Auch die komplizierten Regelungen zur Rücklagenbildung würden wegfallen.
In Teilen der Stiftungswelt – sowohl unter Beratern als auch Stiftungsverantwortlichen – wurden die Reformpläne grundsätzlich positiv aufgenommen. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen sieht die geplanten Änderungen indes kritisch. Die ersatzlose Abschaffung der Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung sei ein „fragwürdiger Paradigmenwechsel“, schreibt der Verband in einer Pressemitteilung. Der Folgewirkungen für die Governance aller gemeinnützigen Organisationen sei sich das federführende Bundesministerium der Finanzen nicht bewusst.
Entlastung, aber in Pauschalität zu weit
Kritikpunkt des Verbands: Die Abschaffung der Verpflichtung zur zeitnahen Mittelwendung erscheine zwar auf den ersten Blick für viele kleinere Organisationen hilfreich, gehe aber in der geplanten Pauschalität zu weit und berge Risiken für das Ansehen gemeinnütziger Organisationen im Allgemeinen und gemeinnütziger Stiftungen im Besonderen.
Die im Jahr 2000 eingeführten Regelungen zur zeitnahen Mittelverwendung und zur Rücklagen- und Vermögensbildung sichern, dass Mittel regelmäßig für die Zweckverwirklichung verwendet werden und verhindern eine Admassierung der Mittel in der Stiftung. Nach Auffassung des Verbandes sind sie damit ein Qualitätsmerkmal der durch das Finanzamt regelmäßig geprüften und attestierten Gemeinnützigkeit geworden und sorgen für Transparenz und Vertrauen.
Dass die Abschaffung der Zeitvorgaben für die Mittelverwendung, die Verwaltung von Stifungen erleichtert, stellt der Verband nicht infrage. Es muss keine Mittelverwendungsrechnung mehr gefertigt und dem Finanzamt zur Prüfung vorgelegt werden. Entsprechendes gilt für die Abschaffung der Regelungen zur Rücklagenbildung mit Blick auf die Fertigung und das Vorhalten von Aufzeichnungen in Form eines Rücklagenspiegels.
Keine klare gesetzliche Regelung geschaffen
Es müsse jedoch allen Beteiligten bewusst sein, dass mit der Rücknahme staatlicher Kontrolle ein Governance-Instrument aufgegeben werde. Das im Referentenentwurf angeführte „Interesse der Spender“ an einer zeitnahen Mittelverwendung könne den Wegfall des gesetzlichen Gebots nicht kompensieren. Zudem deute der Referentenentwurf bereits an, dass die Finanzverwaltung nicht tatenlos zusehen werde, wenn Mittel tatsächlich in großem Stil zurückgelegt werden. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen geht davon aus, dass die Verwaltung eigene Grundsätze entwickeln wird, sofern der Gesetzgeber keine Mindeststandards setzt. Gegenüber einer gesetzlichen Regelung mit klaren Fristen sei das ein Rückschritt.
„So begrüßenswert erste Schritte zur Umsetzung des Koalitionsvertrages für die Zivilgesellschaft sind, so unvermittelt und unabgestimmt kam der Vorschlag, die Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung abzuschaffen“, sagt Sebastian Unger, Vorstandsmitglied im Bundesverband Deutscher Stiftungen und Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Wirtschafts- und Steuerrecht an der Ruhr-Universität Bochum. „Mehr Rechtssicherheit, weniger Bürokratie – grundsätzlich gern, aber bitte nicht so“, wird Unger in der Pressemitteilung zitiert.
Da das parlamentarische Verfahren zum Steuerfortentwicklungsgesetz noch läuft, macht der Stiftungsverband Anpassungsvorschläge für die geplanten Reformen. So könne es bereits hilfreich sein, wenn die Freigrenze in § 55 Abs. 1 Nr. 5 Satz 4 AO von derzeit 45.000 Euro auf 100.000 Euro angehoben würde, um für die vielen kleinen und mittelgroßen Organisationen die Mittelverwendung und Rechnungslegung zu vereinfachen. Weiterhin würde es mehr Flexibilität bringen, wenn die Mittelverwendungsfrist verlängert würde.