Blitzumfrage von Tungsten „Staatsanleihen verlieren ihre Absicherungsfunktion“

Pablo Hess von Tungsten Capital Management

Pablo Hess von Tungsten Capital Management: Der Portfoliomanager schätzt die Ergebnisse einer Blitzumfrage zu Staatsanleihen ein.

private banking magazin: Herr Hess, Sie haben eine Blitzumfrage zum Ansehen von Bundesanleihen bei Investoren gemacht. Was kam dabei raus?

Pablo Hess: Die Ergebnisse unserer Umfrage deuten darauf hin, dass die Schmerzgrenze bei einer Vielzahl von Investoren bereits erreicht ist. Kein Wunder: Deutsche Staatsanleihen rentieren auf sehr niedrigen Ständen, per 8. Dezember bei minus 0,59 Prozent p.a. für 10-jährige sowie minus 0,80 Prozent p.a. für 3-jährige Laufzeiten.

Schmerzgrenze würde bedeuten, dass ein Umdenken stattfinden.

Hess: Das tut es. Wir haben vornehmlich institutionelle Investoren, Vermögensverwalter und Anlageberater befragt. Das Emissionsvolumen aller Staatsanleihen im DACH-Raum beläuft sich auf 2,28 Billionen Euro, davon entfallen 1,91 Billionen Euro auf Deutschland, Anleihen der 16 Bundesländer mitgerechnet. Der Anteil negativ verzinster Papiere liegt hierzulande inzwischen bei über 95 Prozent. Mindestens die Hälfte der Anleger hat sich bereits vor Unterschreiten des Zinsniveaus 10-jähriger Bundesanleihen in den Minusbereich intensiv mit dem Thema und etwaigen Umschichtungen beschäftigt. Jeweils ein Drittel der Anleger halten dies für eine hohe oder sogar sehr hohe Herausforderung. 

Was treibt das Umdenken an?

Hess: Angesichts expansiver Notenbankpolitik, fortgesetzter Anleihekaufprogramme und Diskussionen über Zinskurvensteuerungen steigt unter Anlegern offensichtlich die Befürchtung, dass sich die Renditen verzinslicher Papiere immer weniger aus dem freien Marktspiel ergeben. Auf einer Skala von 0 bis 10, wobei 0 für freie Marktkräfte und 10 für wenig freie Marktkräfte steht, lag die Einschätzung der Befragten im Schnitt bei 7,8 Punkten.

  Quelle: Tungsten

Welche Gefahren ergeben sich daraus?

Hess: Verschiedene Marktteilnehmer haben bereits auf die vielfältigen Gefahren einer Störung der natürlichen Marktkräfte bis hin zu einer sogenannten Zombifizierung der Wirtschaft durch anhaltend niedrige Zinsen hingewiesen. Die EZB hat ihre Bilanzsumme in diesem Jahr auf fast 7 Billionen Euro ausgeweitet. Mit den Instrumenten, die die Notenbanken ausschöpfen, fließt viel Geld nicht nur in produktive Verwendungen. Über den Kauf von Anleihen werden so letztlich Kreditzinsen niedrig gehalten, mit denen auch nicht mehr marktfähige Unternehmen am Leben gehalten werden. Gesunde und notwendige Anpassungsprozesse werden so unterbunden.

Damit einhergehen dürfte, dass sich die Risikoeinschätzung der Staatsanleihen ändert.

Hess: Ja, viele Sparer und Anleger sind eben derzeit damit konfrontiert, dass Anleihen kaum mehr in die Kategorie risikofreier respektive risikoloser Anlagen fallen. Daher stimmen 85 Prozent der von uns Befragten zu, dass Staatsanleihen ihre Aufgabe zur Erwirtschaftung auskömmlicher Erträge immer weniger erfüllen. Und jeder zweite Anleger denkt zudem, dass Bundesanleihen zunehmend ihre Funktion zur Absicherung in ruppigen Marktphasen verlieren.

Keine Erträge, keine Absicherungsfunktion. Verbannen wir Rentenpapiere aus der Gesamtallokation?

Hess: Anleihen werden weiter einen Platz im Portfolio haben. Dies ist allein schon regulatorisch bedingt. Grundsätzlich muss man sich jedoch bewusst sein, dass die Zinsstrukturkurve für Bundesanleihen ausnahmslos im negativen Bereich liegt, das heißt, auf absehbare Zeit wird es ausschließlich Negativrenditen geben. Wo möglich wird die Quote eventuell zugunsten von Aktien oder Alternativen reduziert werden. Die Suche nach Alternativen darf jedoch nicht zu neuen Übertreibungen führen, also dass Anleger einfach höhere Risiken eingehen, die sie eigentlich nicht nachvollziehen können.

Und einige Vorteile von Staatsanleihen, etwa zur Erfüllung von Risikokapitalquoten oder aufsichtsrechtlichen Vorgaben, sind auch gar nicht so leicht zu kompensieren. Daher gibt es immer noch Käufergruppen wie etwa Banken, Versicherungen oder Pensionsfonds.

Und was sehen die Befragten als Ersatz zu Staatsanleihen?

 Hess: In der Praxis werden es mehrere Bausteine sein, mit denen ein Portfolio angereichert wird. Eine einzelne Alternative wird kaum alle gewünschten Eigenschaften abbilden können. Bei der Frage, welche Eigenschaften von Anlageklassen angesichts des beschriebenen Umfelds an Bedeutung gewinnen, liegen im Ergebnis die Themen positive Renditeerwartung, Unkorreliertheit mit Aktien, moderate Volatilität sowie Absicherung in Baisse-Märkten und tägliche Liquidität recht nahe beieinander. Jeweils etwa die Hälfte der Anleger denkt, dass entweder Gold/Edelmetalle oder Liquid Alternatives sowie Immobilien die meisten der genannten Eigenschaften am besten vereinen. Weitere Neuausrichtungen könnten über Infrastrukturinvestments, Private Equity oder Private Debt erfolgen.

  Quelle: Tungsten

>>Zur vollständigen Grafik der Umfrage geht es hier


Über den Interviewten:
Pablo Hess managt den KI-Fonds Tungston Trycon AI Global Markets (ISIN: LU0451958309) bei der in Frankfurt ansässigen Tungsten Capital Management. Zudem ist er seit 2002 Vorstandsmitglied bei der auf die Entwicklung von Quant-Strategien spezialisierten Trycon G.C.M.

 

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