Als globale Leiterin Wealth Planning (Global Head of Wealth Planning) bei Rothschild & Co, kümmerte sich Britta Pfister mit ihrem Team um Steuer- und Nachlassplanung für vermögende Privatkunden, mit dem Schwerpunkt Lateinamerika. Ab 2008 baute sie die Rothschild-Repräsentanz in Singapur und Hongkong auf und aus. Heute lebt Pfister in London, ist Teil eines Expertengremiums, das vermögende Familien berät und arbeitet mit einem Multi Family Office zusammen. Vor Kurzem war Sie im Podcast-Studio des private banking magazins zu Gast.
private banking magazin: Sie arbeiten seit Jahren international mit Unternehmerfamilien zusammen. Mit welchen Fragen und Anliegen kommen diese Familien auf Sie zu?
Britta Pfister: Die Themen unterscheiden sich regional, beziehungsweise sind zeitlich versetzt. Im anglo-amerikanischen Bereich ist Family Governance und die Family-Office-Entwicklung am weitesten fortgeschritten. In Europa sind Family Offices meist noch eng mit der Vermögensverwaltung verbunden. In Asien besteht die Besonderheit, dass in den Familien noch die erste oder zweite Unternehmergeneration dominiert. Aber im Kern geht es überall um die Frage: Wie schaffen wir es als Familie, die ein Unternehmen hat, gemeinsam zu entscheiden? Das ist mit einem oder zwei Gründern noch relativ einfach. Ab der zweiten oder dritten Generation, wenn die Zahl der Beteiligten ansteigt, braucht es ein System von Regeln und Prozessen.
Es gibt verschiedene Begriffe wie Family Governance, Familienstrategie oder Familienverfassung. Wie grenzen Sie diese ab?
Pfister: Für eine allgemeine Diskussion ist eine gewisse Unschärfe in Ordnung. Wenn es aber um konkrete Problemlösungen geht, muss man präziser sein. Family Governance umfasst für mich die Entscheidungsfindungsprozesse und Regeln innerhalb einer Familie in Bezug auf ein gemeinsames Unternehmen. Die Inhaberstrategie geht weiter und hat einen stärkeren Unternehmensbezug. Die Familienverfassung ist eines der Regelwerke für Family Governance – ob man es nun Charter oder Kodex nennt. Sie reicht von Vision und Werten über die verschiedenen Rollen bis hin zu Konfliktregelung und Änderungsprozessen.
Welche Rolle spielen Sie bei der Entwicklung solcher Regelwerke?
Pfister: Das hängt sehr von der Familie ab. Ich hatte einen beeindruckenden Fall, bei dem vier Geschwister der zweiten Generation ein großes Erbe mit wenig vorgegebener Struktur bekommen hatten. Sie haben sich zusammengesetzt und ihre Familienverfassung komplett alleine erarbeitet. Wenn eine Familie gut kommuniziert und jeder sich zurücknehmen kann, braucht es nicht unbedingt einen Moderator. Meist ist es aber nicht so einfach. Der familiäre Bereich ist eher prozessfern. Meine Rolle ist es dann, den Prozess zu starten und zu moderieren.
In welchen Abständen sollte eine Family Governance überprüft werden?
Pfister: Zunächst ist wichtig, dass sie überhaupt implementiert wird. Oft entsteht nach der Erstellung ein „High Five“-Gefühl in der Familie und dann landet das Regelwerk in der Schublade. Die Umsetzung muss begleitet werden. Dann gibt es natürlich äußere Einflüsse wie Todesfälle, Unfälle oder wirtschaftliche Entwicklungen, die ein Überdenken notwendig machen. Generell empfehle ich eine Überprüfung alle drei bis fünf Jahre.
„Eine Family Governance mit Bindung über Generationen schränkt die individuelle Freiheit der Familienmitglieder in gewisser Weise ein.“
Wie unterstützt ein Family Office dabei, die Family Governance zu implementieren?
Pfister: Ein Family Office kann dabei eine sehr wichtige Rolle spielen. In Europa wird der Begriff oft noch stark und oft ausschließlich mit Vermögensverwaltung verbunden. Aber ein Family Office mit Vertrauenspersonen, die generationenübergreifend tätig sind, kann die Family Governance sehr gut umsetzen. Ich kenne Familien, bei denen der eigentliche Daseinszweck des Family Office ist, die Harmonie zwischen dem Unternehmen, der führenden Familie und allen anderen Beteiligten zu sichern. Potenzielle Streitthemen wie Erbe oder gemeinsame Anlagen werden aus dem familiären Kontext herausgelöst und professionell vom Family Office behandelt.
Muss eine Familie um jeden Preis zusammenbleiben?
Pfister: Eine Family Governance mit Bindung über Generationen schränkt die individuelle Freiheit der Familienmitglieder in gewisser Weise ein. Viele Familien stellen heute die Individualisierung der Familienmitglieder über das Ziel des Unternehmenserhalts. Ist das der Fall, stellen sich andere interessante Fragen: Gibt es eventuell einen Unternehmensverkauf? Was passiert mit dem Erlös? Gründet man ein eigenes Family Office? Oder geht jeder seiner Wege? Eine Unternehmerfamilie muss die Frage beantworten, „ob“ sie zusammenbleiben will und wenn dies bejaht wird, dann muss man ganz genau an das „Wie“ herangehen.
Gibt die Gründung eines eigenen Single Family Office Familien auch mal eine falsche Sicherheit?
Pfister: Ja, diese Gefahr besteht. Ich empfehle dringend, auch für das Family Office selbst eine Governance-Struktur und Entscheidungsfindung zu etablieren. Die falsche Sicherheit entsteht oft, wenn ein Family Office ohne klare Zielsetzung gestartet wird. Man muss sich genau überlegen: Was soll das Family Office leisten? Wen brauche ich dafür? Wie soll das Team aussehen? 60 bis 70 Prozent der Kosten entfallen meist auf Personal. Will ich nur Vermögensverwaltung und Reporting oder auch Family Governance und juristische Themen? Was mache ich intern, was mit externen Partnern? Diese Fragen sollten vor der Gründung geklärt sein.
Sie unterscheiden klar zwischen Single und Multi Family Offices ...
Pfister: Ja, Multi Family Offices sind für mich oft nur eine Umschreibung für externe Asset Manager. In 99 Prozent der Fälle ist Vermögensverwaltung der Hauptbestandteil und auch das Pricing funktioniert wie im klassischen Wealth Management. In London arbeite ich allerdings mit einem Multi Family Office, das versucht, für verschiedene Familien die typischen Leistungen eines Single Family Office abbildet – von Vermögensverwaltung über Transaktionen bis hin zu Family Governance.
Das ganze Gespräch mit Britta Pfister hören Sie in der neuesten Folge des Podcasts „pbm kapitalansage“.