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Brexit Von einem EU-Austritt könnten britische Aktien zunächst profitieren

Am 23. Juni stimmen die Briten in einem Referendum über den Verbleib in der EU ab. Nicht nur auf der Insel wird das Thema kontrovers diskutiert. Auch auf dem Kontinent gehen die Meinungen darüber auseinander, welche Folgen ein Austritt des Königreichs aus der Gemeinschaft hätte.

An Spekulationen über den Ausgang der Abstimmung beteiligen wir uns zwar nicht. Gleichwohl setzen wir uns bereits jetzt mit den Folgen auseinander, die ein mögliches „No“ (Nein) der Bevölkerung nach sich ziehen würde – sowohl innerhalb Großbritanniens als auch in den verbleibenden EU-Staaten.

Cameron in strategischer Falle

Dass es überhaupt zu dem Referendum kommt, liegt nicht zuletzt ausgerechnet an demjenigen Mann, dessen politische Zukunft nur bei einem Verbleib in der EU vorstellbar erscheint: dem britischen Premierminister David Cameron. Denn um sich im Wahlkampf die innerparteiliche Unterstützung der in dieser Frage tief gespaltenen Konservativen zu sichern, versprach Cameron, die Bevölkerung über die EU-Mitgliedschaft abstimmen zu lassen. Doch was kurzfristig aufging, könnte sich nun als politischer Boomerang erweisen. Denn sollten sich die EU-Gegner durchsetzen, wird Cameron wohl seinen Hut nehmen müssen.

Mit Boris Johnson, der sich vehement für einen Austritt stark macht, steht ein möglicher Nachfolger bereits in den Startlöchern. Doch ob letztendlich der aktuelle Londoner Bürgermeister – ironischerweise ebenfalls Mitglied der konservativen Partei – die Amtswohnung in Downing Street 10 von Cameron übernimmt, ist derzeit überhaupt nicht absehbar. Aber so oder so: Auf einen Brexit dürfte in jedem Fall ein politischer Machtkampf innerhalb Großbritanniens folgen. Und auch in Schottland ist dann mit erneutem Auftrieb für die dortige Unabhängigkeitsbewegung zu rechnen. Unsicherheit wäre damit die erste Konsequenz – auch für Investoren.

Britische Währung dürfte abwerten

Sicher ist hingegen, dass ein EU-Austritt den Zugang britischer Unternehmen zum europäischen Markt erschweren dürfte. Um dieser Belastung für die heimische Wirtschaft entgegenzuwirken und die allgemeine Unsicherheit einzudämmen, würde die Bank of England mit Unterstützungsmaßnahmen reagieren: Nach einem Brexit werden die Zinsen in Großbritannien auf lange Sicht sehr niedrig bleiben.

Bereits jetzt liegt das Handelsbilanzdefizit Großbritanniens zwischen sieben und acht Prozent. Kein guter Leistungsnachweis für die Volkswirtschaft, deren grundsätzliche Wettbewerbsfähigkeit bei zunehmender Isolation vom Rest Europas weiter zurückgehen dürfte. Die logische Folge: Unter den neuen Wettbewerbsbedingungen dürfte das britische Pfund deutlich abwerten.

Kurzfristige Wertzuwächse für internationale UK-Unternehmen

Genau hierin liegt jedoch auch eine Chance, die Investoren kurzfristige Wertzuwächse bescheren könnte: Anders als die noch immer stark mittelständisch geprägte deutsche Wirtschaft, beheimatet Großbritannien viele Konzerne, die eine starke internationale Ausrichtung besitzen. Ein bedeutender Teil ihrer Geschäftstätigkeit erfolgt im Ausland, und folglich nehmen sie Devisen ein. Der Anpassungsmechanismus über den Wechselkurs würde somit ihre Ertragssituation schlagartig verbessern – mit entsprechender Auswirkung auf die Aktienkurse.

Zuletzt verzeichnete der britische Aktienmarkt bereits eine überdurchschnittlich gute Wertentwicklung. Kommen nun noch spontane Ertragssprünge hinzu, ergibt sich ein weiteres Aufwärtspotenzial für die Titel. Voraussichtlich würden britische Aktien von einem EU-Austritt daher zunächst profitieren.

Brexit könnte kurzfristig für Sonderrendite sorgen

Für Aktieninvestoren erscheint es somit möglich, bei einem Brexit eine unmittelbar folgende Sonderrendite einzufahren. Damit die Abwertung der britischen Währung die Kursgewinne nicht gleich wieder aufzehrt, sollte dabei jedoch ein Währungs-Hedging eingebaut werden.

Abzuwarten bleibt jedoch, wie sich die Lage in Großbritannien nach einem möglichen Brexit langfristig entwickelt, und wer als Repräsentant des Königreichs die Verhandlungen über eine politische Nachfolgeregelung mit den verbleibenden EU-Staaten führt. Erst dann wird sich die Frage beantworten lassen, ob ein „No“ zu Europa auch ausländische Investoren dauerhaft ausschließen könnte.
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