Lehre aus dem Brexit-Referendum Der Weg in die Isolation ist nicht nur für britische Wähler attraktiv

 Vorstand von Long-Term Investing Research – Institut für die langfristige Kapitalanlage: Karl-Heinz Thielmann

Vorstand von Long-Term Investing Research – Institut für die langfristige Kapitalanlage: Karl-Heinz Thielmann

Seit einigen Jahrzehnten gibt es den sogenannten Darwin-Award: Hiermit werden Menschen „geehrt“, die sich durch eine überlegte Handlung auf idiotische Art selbst zerstören, obwohl sie bei vollem Verstand sind. Zum Beispiel sind das Leute, die auf der Suche nach dem besten Selfie an einer Klippe einen Schritt zu weit zurücktreten.

Die „Auszeichnung“ wurde nach Charles Darwin benannt, weil – analog zur von ihm beschriebenen Funktionsweise der Evolution – die Selbstzerstörung zur „Entfernung inkompetenten Erbgutes“ führt, und somit zur Verbesserung der evolutionären Entwicklung den Menschen.

Bisher waren die Preisträger des Darwin Awards nur Einzelpersonen und wurden aufgrund von individuellen idiotischen Taten nominiert. Durch das Brexit-Referendum vom 23. Juni dürfte Großbritannien meiner Ansicht den ersten Darwin-Award für eine Nation verdient haben.

Zwar ist noch nicht klar, ob ein Brexit wirklich zustande kommt, da bis dahin noch zahlreiche rechtliche Hürden zu überwinden sind, aber alleine das Votum ist preiswürdig: In einer immer mehr zusammenwachsenden Welt auf Abkopplung vom wichtigsten Handelspartner zu setzten, ist ökonomischer Selbstmord. Alleine schon die Möglichkeit, dass es zum Brexit kommt, hat zunächst einmal den Ruf Großbritanniens als stabilem Wirtschaftsstandort geschwächt, was man relativ bald in einem Rückgang der Investitionen, der Abwanderung von Fachkräften und fallender Bautätigkeit sehen wird.

Langfristig gesehen viel schlimmer als die unmittelbaren wirtschaftlichen Auswirkungen ist am Brexit-Ergebnis aber, dass es

a) ein demokratisches Votum für ökonomischen und gesellschaftlichen Rückschritt ist; und

b) tiefe Gräben innerhalb der britischen Gesellschaft aufgerissen hat, die in den nächsten Monaten das Land zu zerreißen drohen.

Der Brexit droht nicht das Ende vom EU-Europa zu werden – aber von Großbritannien als geeinter Nation und führender Wirtschaftsmacht.

Trotzdem ist zu befürchten, dass dieses Referendum nicht die letzte demokratische Entscheidung bleibt, die ein Desaster impliziert, sondern dem weitere destruktive Volksentscheide und Wahlen folgen werden.

Griechenland 2015, Großbritannien 2016, wer kommt 2017?

Regelmäßige Volksabstimmungen sind in der Schweiz eine bewährte Methode der direkten Demokratie. In anderen Ländern werden sie seltener durchgeführt und haben sich als sehr gefährlich erwiesen – wenn

a) über nationale Fragen abgestimmt wird und die Konsequenzen der Entscheidungen unklar sind; sowie

b) demagogische Politiker bereit sind, für ihre Sache skrupellos zu lügen und ihr Thema zu emotionalisieren.

Aus diesem Grund hatten zum Beispiel in Deutschland die Väter des Grundgesetzes die Möglichkeit von Volksabstimmungen auf Bundesebene nicht vorgesehen.