Die Ruhe vor dem Sturm Was eine harte Landung nach dem Brexit bedeuten würde

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Es ist bemerkenswert, dass die Wirtschaft sehr abhängig vom Handel ist und das Pfund, im Gegensatz zum Euro, dabei keinen soliden Leistungsbilanzüberschuss aufweisen kann. Mit der Gefahr eines weiteren Wertverfalls von 5 bis 10 Prozent bleibt das Pfund deshalb äußerst anfällig in der kommenden Zeit, in der die Handelsbeziehungen Großbritanniens neu geordnet werden müssen.

Was den Einfluss auf die eigene Wirtschaft angeht, ist das Schwert zweischneidig: Gut für Exporteure, aber schlecht für die Verbraucher, deren Kaufkraft durch den kurzfristigen Anstieg der Inflation wegen der gestiegenen Importpreise abnehmen dürfte.

Auch wenn die Wirtschaftsdaten im Hintergrund solide ausfallen, bleibt das Pfund wegen der britischen Leistungsbilanz, die ein Defizit von circa 7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufweist, verwundbar. Das Defizit ist bei weitem das höchste aller G20-Staaten und auch das höchste seit Beginn der Aufzeichnungen.

Dieses Defizit spiegelt einfach ausgedrückt die Tatsache wider, dass die Importeure Pfund verkaufen müssen, um die Währung zu kaufen, die ihre Waren und Dienstleistungen aus dem Ausland bezahlt.

In der Folge fließt eine enorme Summe Sterling in ausländische Währungsmärkte, wegen des hohen Volumens der Importe verglichen mit den Exporten. Im Gegenzug macht das den Außenwert des Pfundes äußerst abhängig vom Kauf britischer Finanzanlagen durch ausländische Anleger, die dann auf den Währungsverlusten sitzen.

Ohne diese Käufe würde der Wert des Pfundes sogar noch stärker fallen. Der Gouverneur der BoE, Mark Carney, beschrieb diese Verwundbarkeit sehr treffend in seinem plakativen Kommentar, das Pfund hänge an der „Güte Fremder“. Das Pfund scheint jetzt anfälliger für das Anlegersentiment zu sein, als jede andere der wichtigen Währungen.

Auf der Suche nach Gründen für die jüngste Abwertung des Pfundes stößt man auf die Ankündigung der Premierministerin Theresa May von Anfang Oktober, dass der Artikel 50 des Lissaboner Vertrags bis Ende des ersten Quartals 2017 unterschrieben sei. Das hat sicherlich geholfen, die Aufmerksamkeit der Anleger wieder auf den tatsächlichen Austritt zu richten.

Der Brexit dürfte dann vor dem zweiten Quartal 2019 vollzogen werden – auch wenn es denkbar ist, den Stichtag in Absprache mit dem Rest der EU zu verschieben. Doch angesichts der derzeitigen Rhetorik wichtiger EU-Politiker gibt es wenige Anzeichen dafür, dass sich die EU verhandlungsbereiter zeigt.

Das Timing und die Entwicklungen sprechen aber dafür, dass die echten Verhandlungen eher noch später beginnen, als erwartet und damit möglicherweise auch die an den Märkten dann zu erwartende Unruhe um die Brexit-Thematik erst später aufkommt.Überhaupt wird sich der ganze Prozess vermutlich noch viel länger hinziehen als eigentlich vorgesehen.

Für mehr Unruhe, möglicherweise erst ab dem zweiten Halbjahr 2017, könnte die Talfahrt des Pfundes ein Vorbote sein. Großbritannien sollte die Ruhe vor dem kommenden Sturm jetzt noch genießen.


Über den Autor:

Don Smith ist Investmentchef von Brown Shipley in London, einem Mitglied der KBL European Private Bankers. In Deutschland ist KBL epb mit Merck Finck & Co, Privatbankiers vertreten.

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