Die materielle Zunahme der Energieproduktion aus Schiefergas und -öl hat es den USA ermöglicht, Einnahmen auszugeben, ohne eine Verschlechterung der Außenhandelsbilanz hinnehmen zu müssen. Darüber hinaus ist die Nettoeinkommensbilanz der USA immer noch sehr nah am höchsten Überschuss ihrer Geschichte: Die USA nehmen mehr aus ihren Investitionen und Darlehen im Ausland ein, als sie für ihre Verpflichtungen im Ausland zahlen müssen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die gegenwärtige Dollar-Hausse durch ein stärkeres, von der Technologie angeführtes US-Wachstum und eine widerstandsfähigere Außenhandelsbilanz angetrieben wurde.
Die Geschichte des Dollars könnte sich jetzt jedoch ändern. Das erste Thema, das negativ für den US-Dollar ist, ist politischer Natur. Die politischen Entscheidungsträger haben den Rubikon in Bezug auf die Moderne Geldtheorie effektiv überschritten. Neben einer raschen Ausweitung des Haushaltsdefizits hat die Fed ihre Bilanz entsprechend erweitert. Im zweiten Quartal wuchs das reale persönliche Einkommen in den USA so schnell wie nie zuvor.
Wüsste man nicht, dass die USA die schlimmste Rezession seit fast 100 Jahren erleben, hätte das Einkommenswachstum auf einen Boom der Wirtschaft schließen lassen. Die Fed stellte alle Gelder zur Verfügung, die die Regierung für diese Unterstützung benötigte. Die Moderne Geldtheorie ist jedoch längerfristig negativ für den Dollar. Darüber hinaus führt Joe Biden, Kandidat der Demokraten bei den US-Präsidentschaftswahlen, eine Kampagne zur Erhöhung der Unternehmenssteuern. So wie die Steuersenkung 2018 das Wachstum und den Dollar ankurbelten, wird eine Erhöhung der Unternehmenssteuern 2021 wahrscheinlich Kapitalzuflüsse in die USA verhindern und den Dollar schwächen.
Unterdessen haben sich die politischen Winde in Europa und China gedreht. Die Eurozone hat einen wichtigen Schritt in Richtung Steuerunion gemacht. Deutschland hat die Notwendigkeit erkannt, den hart getroffenen Ländern Südeuropas mit Zuschüssen und nicht nur mit Krediten zu helfen. Dies ist eine entscheidende Veränderung für Europa, ein Schritt in Richtung fiskalische Einheit und ein positiver Schritt für den Euro. In der Zwischenzeit haben die chinesischen Behörden einen viel maßvolleren Ansatz gewählt, um auf die Pandemie zu reagieren.
Nach der Finanzkrise 2008 und dem Zusammenbruch der Rohstoffpreise 2016 weitete China Geldmenge und Kreditvergabe rasch aus, was jedoch zu einem raschen Anstieg des Schuldenstandes und zu Fehlallokationen von Kapital führten. Dieses Mal ist China vorsichtiger vorgegangen und das Geldmengen- und Kreditwachstum hat sich langsamer beschleunigt. Relativ gesehen ist die US-Geldpolitik im Vergleich dazu weitaus lockerer, was sich negativ auf den Dollar auswirkt. Der zweite Punkt, der sich negativ auf den Dollar ausgewirkt hat, sind die strukturellen Auswirkungen des Virus auf die US-Wirtschaft – und hat entscheidend mit der Größe des Dienstleistungssektors zu tun.