Regulatorik Jörg Stotz von Hansainvest: „Fondsboutiquen müssen einige Herausforderungen meistern“

Jörg Stotz, Geschäftsführer Service-KVG Financial Assets

Jörg Stotz, Geschäftsführer Service-KVG Financial Assets, erklärt, welche Vorteile eine Auslagerung der Fondsadministration für Fondsboutiquen bringt. Foto: Hansainvest

Klein, aber fein – die Fonds unabhängiger Vermögensverwalter finden unter Investoren hierzulande anscheinend immer mehr Anhänger. Laut der Beratungsfirma Pro Boutiquenfonds kletterte deren Gesamtvolumen zwischen Ende 2019 und Ende 2021 um 43 Prozent auf über 160 Milliarden Euro und übertraf den prozentualen Zuwachs bei offenen Publikumsfonds insgesamt. Der Marktanteil der Boutiquenfonds, dazu zählen mehr als 1.000 verschiedene Fondskonzepte von 365 Asset Managern, liegt damit erstmals im zweistelligen Bereich bei knapp 13 Prozent.

Hohe Flexibilität zeichnet Boutiquenfonds aus

Und vieles spricht dafür, dass dieses dynamische Wachstum anhält. Schließlich haben Boutiquenfonds einige Vorteile. So zeichnen sich die meist kleinen, inhabergeführten Investmenthäuser durch flache Hierarchien und kurze Entscheidungswege ohne Anlagegremien aus. Dadurch haben sie eine vergleichsweise hohe Flexibilität beim Management ihrer Fonds und in der Anlagestrategie. Das wiederum bedeutet, dass sie auf ein verändertes Umfeld tendenziell schneller reagieren können, was gerade in schwierigen Marktphasen ein Vorteil sein kann. Dazu kommen ein hohes Maß an Kreativität und meist ein Benchmark-unabhängiges Vorgehen, was ein höheres Wachstumspotenzial bietet.

Dazu kommen die gleichgerichteten Interessen, da bei den Boutiquen die Fonds eng mit der Person verbunden sind, die den Fonds initiiert und diese oftmals eigenes Geld in ihrer Strategie investiert hat. Zudem fokussieren sich die Verantwortlichen dieser kleinen Investmenthäuser in der Regel auf ihre Kernkompetenzen, wo sie über tiefe, langjährig erworbene Spezialkenntnisse verfügen, anstatt zu versuchen, sämtliche Bereiche der Geldanlage zu bedienen. Außerdem müssen sie keine Rücksicht auf Konzerninteressen nehmen und nutzen ihre Freiräume häufig für Investments in ausgewählte Nischenmärkte und Sondersituationen, die gerade in einem turbulenten Marktumfeld geeignet sein können, Verluste zu begrenzen und Ertragspotenziale risikooptimiert zu nutzen.

Studie weist „Boutiquenprämie“ nach

Der Schwerpunkt der Boutiquenfonds hierzulande liegt bei Mischfonds und damit beim Thema Asset Allokation. Solche vermögensverwaltenden Fonds kommen auf einen Marktanteil von mehr als 50 Prozent. An zweiter Stelle folgen Aktienfonds, die rund ein Drittel ausmachen. Bleibt eine Fondsboutique ihrer Strategie treu und bringt der Manager dort seine Kompetenz und Spezialisierung ein, dann scheint sich das für Anleger langfristig auszuzahlen.

 

 

Für die europäische Fondsindustrie weist zum Beispiel Andrew Clare, Professor für Asset Management an der Londoner Cass Business School, in einer Studie wissenschaftlich nach, dass es so etwas wie eine „Boutiquenprämie“ gibt. So erzielten Boutiquenfonds zwischen Januar 2000 und Juli 2019 eine durchschnittliche Outperformance gegenüber den Anlagevehikeln großer Häuser je nach verwendeter Berechnungsmethode und Assetklasse zwischen 0,23 und 0,56 Prozent pro Jahr nach Gebühren. Ähnliches ist auch für den deutschen Markt festzustellen, wobei die Outperformance in manchen Segmenten sogar noch deutlicher ausfällt.

Boutiquenfonds: Eigentümerstruktur und Portfoliokonstruktion als Gründe für Outperformance

Basierend auf Daten von Morningstar und den Marktdaten von Pro Boutiquenfonds brachten diese Vehikel mit dem Schwerpunkt flexible Allokation in den vergangenen fünf Jahren sogar einen durchschnittlichen Mehrertrag von 2,67 Prozentpunkten pro Jahr nach Kosten. Im Bereich der moderaten Allokation liegt die Outperformance zumindest noch bei etwa einem Prozentpunkt. Als mögliche Gründe für die Existenz dieser Boutiquenprämie führt Clare die Eigentümerstruktur von Boutiquen und deren Ansatz bei der Portfoliokonstruktion an.

Um dorthin zu kommen, müssen Gründer und Eigentümer von Fondsboutiquen allerdings auch einige Herausforderungen meistern. Das beginnt bei der Fondsauflegung, wo es unter anderem um die optimale Umsetzung des Fondskonzepts, die Wahl der Fondsart und des Fondsstandorts, die Erstellung der Anlagebedingungen und schließlich die gesamte Koordination mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) geht. Und das setzt sich mit der laufenden Fondsadministration fort. Das beinhaltet Themen wie ein umfassendes und den aktuellen regulatorischen Anforderungen entsprechendes Fondsreporting, die tägliche Berechnung der Fondspreise oder die Orderabwicklung der Fondspartner und häufig auch das Risikomanagement.

Fondsboutiquen haben es mit Flut an regulatorischen Vorgaben zu tun

Dazu kommt, dass wir es in den vergangenen Jahren mit einer wahren Flut an regulatorischen Maßnahmen zu tun hatten, die die Finanzindustrie beschäftigen. Dazu zählten die AIFM-Richtlinie, MiFID II sowie neue Reporting- und Vertriebsanforderungen für unterschiedliche Investorengruppen oder das Fondsstandortgesetz. Und hier ist auch das Thema Nachhaltigkeit zu nennen, das mit der Transparenzverordnung oder der EU-Taxonomie insbesondere Fondsanbieter stark beschäftigt. Gleichzeitig nimmt von Investorenseite das Interesse an nachhaltiger Geldanlage zu, wie die aktuellen Marktdaten des Fondsverbandes BVI eindrucksvoll belegen.

 

 

Denn trotz des schwierigen Marktumfeldes kletterte das verwaltete Vermögen von Fonds mit Nachhaltigkeitsmerkmalen zur Mitte dieses Jahres um 48 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf den Rekordstand von 718 Milliarden Euro. Ferner möchten sich auch kleinere Fondshäuser dem Thema Digitalisierung öffnen, das ebenfalls neue Anforderungen an sie stellt. Und schließlich sollten neue Anlageklassen wie Krypto-Assets oder die immer wichtiger werdende Tokenisierung von Fondsanteilen nicht vergessen werden. Sich mit solchen Themen auseinanderzusetzen, bindet Kapazitäten, die letztlich dafür fehlen, um der eigentlichen Aufgabe, dem Management des Boutiquenfonds, nachzukommen.

Auslagerung der Fondsadministration bringt deutliche Vorteile

Diese Vielzahl an administrativen Aufgaben sowie die Beschäftigung mit der Digitalisierung und neuen Anlageklassen stellt gerade unabhängige Fondsboutiquen, die häufig nicht über alle dafür notwendigen Ressourcen verfügen, vor eine gewaltige Herausforderung. Aus diesem Grund ist es gerade für diese Häuser wichtig, dass es hierzulande die Möglichkeit gibt, die reinen Asset-Management-Aufgaben von der Administration zu trennen. So haben kleinere Fondshäuser die Möglichkeit, bestimmte Aufgaben an eine Service-KVG auszulagern. Eine erfahrene Service-KVG wiederum ist in der Lage, die Fondsinitiatoren bei der Fondsauflegung zu unterstützen, administrative Aufgaben abzunehmen und sich mit neuen regulatorischen Anforderungen zu befassen. 

Das bringt der Fondsboutique vor allem einen großen Vorteil: Sie kann sich ganz auf ihre Kernkompetenz, nämlich das Management des Boutiquenfonds, konzentrieren und den gewohnten Investmentprozess samt geforderter Qualität und Unabhängigkeit umsetzen. Auf diese Weise bleiben die oben beschriebenen Bedingungen, die für die Outperformance als wesentlich erachtet werden, bestehen. Das heißt, der unabhängige Fondsanbieter verfügt weiter über Flexibilität bei hohem Freiheitsgrad, hat kurze Entscheidungswege ohne Gremienabhängigkeit und kann abseits einer Benchmark aktiv investieren. Das ist nicht nur ein Erfolgsgarant für die Fondsboutique selbst, sondern kommt vor allem den Investoren zugute.

Über den Autor:

Jörg Stotz ist Sprecher der Geschäftsführung und Geschäftsführer Service-KVG Financial Assets bei Hansainvest. Der Manager ist seit 24 Jahren für die Kapitalverwaltungsgesellschaft tätig. Die Hansainvest verwaltet ein Vermögen von etwa 56 Milliarden Euro.

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