Boris Collardi Wie Julius Bär in Asien punkten will

In einer Branche, die von Managern im Alter von 50 oder 60 Jahren dominiert wird, war Boris Collardi gerade einmal 34, als er zum Chef des drittgrößten Schweizer Vermögensverwalters wurde. Er hatte es unter anderem nach zwei Stationen in Singapur an die Spitze geschafft - wertvolle Erfahrungen für eine Firma, die sich um vermögende Kunden aus Schwellenländern bemüht.

“Einfach nur eine Schweizer Bank zu sein, das ist nicht mehr genug”, sagt Collardi in einem Interview mit Bloomberg News. “Heutzutage muss man lokale Kompetenz mitbringen.” Nach eigenen Angaben besucht er Hongkong und Singapur alle sechs Wochen persönlich.

Der 39-Jährige hat seine Erfahrungen, die er durch Leben und Arbeiten in Asien gewann, genutzt, um Julius Bär von einer Bank mit Fokus auf Westeuropa in ein Netz von Gesellschaften zu verwandeln, das neben Europa auch Asien, den Nahen Osten und Lateinamerika umspannt.

Letztlich wird Collardi daran gemessen werden, ob es Julius Bär gelingt, auf den am schnellsten wachsenden Märkten mit den internationalen Top-Banken mitzuhalten.

Die in den beiden größten Offshore-Zentren für reiche Asiaten - Singapur und Hongkong - verwalteten Vermögen entsprechen nahezu einem Viertel jener 264 Milliarden Franken, die bei Julius Bär weltweit angelegt sind. Unter der Führung von Collardi hat der Konzern auch eine Repräsentanz in Schanghai eröffnet.

“Als ich in dieser Branche startete, kamen 80 Prozent aller Kunden aus Asien nach Europa und hatten ein Schweizer Konto”, erzählt er in dem Gespräche mit Bloomberg weiter. “Dieser Menschenschlag ist wie Jurassic Park. Er verschwindet. Die neuen Kunden sind alle Unternehmer. Sie alle wollen ihr Geld in Asien haben, wo es bessere Erträge gibt.”

Collardi trat den Chefposten an, als sich ein Großteil von Europa in der Rezession befand. Die Schweiz hatte im Vorjahr die UBS gerettet. Frankreich, Großbritannien, die USA und Deutschland waren gerade dabei, Maßnahmen einzuleiten, um die Funktion von Offshore-Banken als Steueroasen einzudämmen.

Seit damals ist das verwaltete Vermögen bei Julius Bär um 75 Prozent gestiegen - angetrieben durch den Kauf der Merrill-Lynch-Vermögensverwaltungs-Sparten außerhalb der USA im Jahr 2012. Diese Sparten decken rund 20 Länder ab, mit nahezu der Hälfte der Vermögenswerte in Singapur und Hongkong. Die Eingliederung der zugekauften Sparten ist nach früheren Angaben des Unternehmens eine Herausforderung, die wohl nicht vor dem Jahr 2015 Gewinne einbringen werde.

Zwar werden die asiatischen Geschäfte von Thomas Meier, einem Schweizer, geführt. Doch rund 80 Prozent der mehr als 1000 Mitarbeiter in der Region sind Einheimische. Die Bank bietet Aktien- und Anleihefonds mit Fokus Asien an und hat rund 100 Mitarbeiter in der Handelsabteilung in Singapur, die Aufträge von Kunden entgegennehmen.

Im Jahr 2013 war das weltweite Vermögen der Millionäre um 15 Prozent auf 152 Billionen Dollar geklettert, geht aus einer Studie der Boston Consulting Group hervor. Gestützt worden sei dies von einem Anstieg von 31 Prozent bei den Vermögen in der Region Asien-Pazifik (ohne Japan) - auf 37 Billionen Dollar. Die Millionäre in genau dieser Region werden im Jahr 2018 wahrscheinlich 61 Billionen Dollar besitzen, verglichen mit schätzungsweise 44,6 Billionen in Westeuropa.

“Es ist wichtig den lokalen Kontext zu verstehen. Dass man den Unterschied versteht zwischen Singapur-Chinesen, Hongkong- Chinesen, Taiwan-Chinesen und Festlands-Chinesen”, sagt Collardi. Seinen Worten zufolge ist es wichtig, wenigstens bruchstückhaft lokale Dialekte zu sprechen, die sozialen Normen in China zu verstehen und selbst zu wissen, welches Hemd man am besten bei einer Veranstaltung in Indonesien trägt.

Der Julius-Bär-Chef betrachtet Singapur nach eigenen Angaben als seine zweite Heimat nach Zürich. Seine aus Singapur stammende Frau traf er, als er einst für Credit Suisse Group in dem Stadtstaat arbeitete.

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