Der Krypto-Markt 2023 verhielt sich deutlich positiver im Vergleich zum verlustreichen Vorjahr. Seit Jahresanfang hat sich der Wert der mit Abstand wichtigsten Krypto-Währung Bitcoin mehr als verdoppelt. Seit Ende Oktober hat sich der Kurs oberhalb der wichtigen 30.000 Euro-Marke stabilisiert. Die Marktkapitalisierung des Bitcoins liegt damit bei fast 660 Milliarden Euro, das ist ein wichtiger Beleg dafür, dass der Krypto-Markt eine Marktbreite erreicht hat, die für institutionelle Investoren interessant ist.
Das im Bitcoin-Algorithmus festgehaltene maximale Angebot von 21 Millionen Einheiten, von denen rund 90 Prozent bereits im Umlauf sind, unterstützt die Argumente derer, die durch eine steigende Nachfrage bei begrenztem Angebot von deutlichen Kurschancen ausgehen.
Auch wenn der Bitcoin-Kurs weiterhin volatil ist und ein Investment in die Krypto-Währung besondere Aufmerksamkeit verlangt, interessieren sich weitere Investorengruppen wie Family Offices, Asset Manager und Private Banker für Krypto-Assets. Das hat nicht nur mit dem positiven Kursverlauf 2023 zu tun, sondern auch mit den gefestigten regulatorischen Rahmenbedingungen.
Ein wichtiger Meilenstein war die Verabschiedung der Micar-Regulierung (Markets in Crypto-Assets Regulation) durch das Europäische Parlament am 20. April 2023. Im Einzelnen regelt die Micar Transparenz- und Offenlegungspflichten für die Emission und den Handel mit Kryptowerten, die Zulassungspflicht von und die Aufsicht über Kryptowerte-Dienstleister und Emittenten von Kryptowerten, Investoren- und Verbraucherschutzvorschriften für die Emission, den Handel und die Verwahrung von Kryptowerten sowie Vorschriften zur Bekämpfung von Marktmissbrauch auf Kryptohandelsplätzen. Mit diesen Vorschriften soll das Vertrauen in die Krypto-Infrastruktur gestärkt sowie Skandale, wie um die mittlerweile insolvente FTX-Plattform, in der EU zukünftig vermieden werden.
Auch im deutschen Rechtsraum mehren sich Beispiele für eine konstruktive Einstellung der Regulierungsbehörden hinsichtlich des Krypto-Markts. Das jüngste Beispiel: Seit dem 18. Juni gilt eine neue Verordnung für Kryptofondsanteile (KryptoFAV). In Deutschland gehandelte Investmentfonds können ihre Anteilsscheine nun auch auf Basis der Blockchain herausgeben. Die Metzler Asset Management hat als erster Asset Manager die Möglichkeiten bereits genutzt und die ersten Kryptofondsanteile in Deutschland begeben.
Kryptofondsanteile sind elektronische Anteilscheine an Investmentfonds, die mithilfe der Blockchain-Technologie tokenisiert werden. Ein weiterer Akteur, der für Aufmerksamkeit gesorgt hat: Die Commerzbank hat als erste Universalbank von der deutschen Finanzaufsicht Bafin eine Lizenz erhalten, um digitale Wertpapiere wie die Kryptowährungen Bitcoin und Ether sowie über eine Blockchain ausgegebene Anleihen und Fonds verwahren zu dürfen.
Jedoch sehen sich professionelle Investoren mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert, wenn sie Bitcoin in einem Portfolio integrieren wollen, sei es in einem Vermögensverwaltungsmandat, einem Managed Account oder einem Investmentfonds. Zum Beispiel ist bei einem Handel über eine Krypto-Börse das Gegenparteienrisiko ungeklärt. Auch wenn große Handelsplätze wie Coinbase oder Binance mittlerweile sowohl in Europa als auch in den USA deutlich strenger reguliert werden, sind die Standards längst nicht so streng wie bei den etablierten Börsen.
Ein weiteres Problem: Es gibt nicht „den“ Bitcoin-Kurs, er ergibt sich durch Angebot und Nachfrage und kann zwischen verschiedenen Handelsplätzen deutlich abweichen, außerdem können hohe Spreads anfallen.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen und gleichzeitig transparent den Bitcoin-Kurs in einem Portfolio abzubilden, haben sich Futures und Optionen auf Basis des Bitcoins als passendes Mittel herausgestellt. In den USA sind Krypto-Derivate schon länger etabliert, in Europa stehen sie seit Mitte 2023 zur Verfügung. Der Start verlief vielversprechend: Es wurden Stand 23. November 2023 bereits mehr als 60.000 Bitcoin Index Futures im Wert von 1,5 Milliarden Euro an der Derivate-Börse Eurex gehandelt.
Bitcoin-Futures und -Optionen wurden sowohl von der Bafin und der Commodity Futures Trading Commission (CFTC), der unabhängigen Behörde der Vereinigten Staaten, die Future- und Optionsmärkte in den USA reguliert, zugelassen, um den Zugang für Marktteilnehmer auf beiden Seiten des Atlantiks zu erleichtern. Daher kann von einem Wachstum des Gesamtmarktes und einem Übergang von unregulierten Offshore-Marktplätzen zu regulierten Marktplätzen ausgegangen werden.
Durch die Konstruktion des Index Futures und des Handels an einer regulierten Börse werden folgende Hindernisse aus dem Weg geräumt:
Kontrahentenrisiko:
Die Bitcoin Index Futures können – wie im Markt etablierte Derivate auf den Dax, Euro Stoxx oder Bundesanleihen – gehandelt werden. Bei Termingeschäften, die an beispielsweise an der Eurex stattfinden, ist es erforderlich, eine Margin, also eine Sicherheitsanforderung, zu hinterlegen. Die Eurex Clearing steht als zentraler Kontrahent (CCP - Central Counterparty) zwischen allen Transaktionen und verwaltet diese Sicherheitsanforderungen. Sie ist eine automatisierte und integrierte Clearingstelle und gewährleistet als zentraler Kontrahent die Erfüllung sämtlicher Geschäfte, die an der Eurex abgeschlossen werden, wodurch für die Marktteilnehmer das individuelle Kontrahentenrisiko entfällt.
Geregelte Preisfindung:
Der Preis der Bitcoin Index Futures wird von FTSE in Zusammenarbeit mit Dar Digital Asset Research zur Verfügung gestellt. Dafür werden Daten von den acht Krypto-Börsen Bitfinex, Bitflyer, Bitstamp, Gemini, Itbit, Kraken, LMAX und Luno berücksichtigt, die strenge Prüfkriterien erfüllen. Ihr Beitrag zum Endpreis basiert auf dem gehandelten Volumen.
Es werden alle Bitcoin-Paare berücksichtigt, einschließlich USD, EUR, USDT, ETH und weitere. Der endgültige Bitcoin-Referenzkurs ist der zeit gewichtete Durchschnittskurs der letzten 15 Minuten vor 17:00 Uhr mitteleuropäischer Zeit (MEZ).
Future Kontrakte vielseitig einsetzbar
Bitcoin Futures an der Eurex werden von einer Reihe von Market Makern unterstützt, sowohl während der Handelszeiten in Asien und Europa als auch den USA. Der gewichtete Spread des FTSE Bitcoin Index Future war beispielsweise vor dem September-Verfallstermin lediglich 5-10 US-Dollar oder 1-2 ticks.
Die FTSE Bitcoin Index Futures sind so konzipiert, wie es Investoren von anderen Index-Futures gewohnt sind. Es gibt bei Fälligkeit keine physische Lieferung des Basiswerts, sondern es findet ein Barausgleich statt. Das heißt, Investoren brauchen kein Wallet zu eröffnen, wenn sie das Produkt handeln und somit an der Kursentwicklung des Bitcoins partizipieren möchten. Ein herkömmlicher Handelszugang mit entsprechendem Margin-Konto bei einer teilnehmenden Bank oder einem an der Eurex zugelassenen Broker ist ausreichend. Es gelten die gleichen regulatorischen Anforderungen für die Zulassung wie für Aktienderivate.
Damit sind die Future Kontrakte vielseitig einsetzbar, sie können eingesetzt werden wie Aktien- oder Renten-Index-Derivate. Investoren können mit ihnen am Basiswert Bitcoin partizipieren oder sie als Absicherungsinstrument für bestehende Positionen nutzen. Angenommen ein Anleger hält über ein Wallet einen Bitcoin oder einen ETP bei einem Broker, dann kann er sein Portfolio mit einer Short-Position im Future über eine festgelegte Laufzeit absichern.
Der Ablauf ist in diesem Fall so: Der Future garantiert einen festen Verkaufspreis über die Laufzeit. Wenn der Kurs des Bitcoins unter den Verkaufspreis fällt, gleicht sich der Gewinn durch den Future 1:1 mit dem Verlust des Portfolios aus – und umgekehrt, sollte der Kurs steigen. Wichtig ist, dass es dabei nicht zur physischen Lieferung nach Verfall kommt, was bedeutet, dass die physische Position nicht veräußert wird, sondern die Wertentwicklung über den Handel verrechnet wird.
Futures eignen sich ebenfalls für Anleger, welche eine Veränderung im Bitcoin-Kurs erwarten und entweder von Aufwärts- oder Abwärtstrends profitieren möchten. Darüber hinaus macht es grundsätzlich Sinn, sich mit den herkömmlichen Future-Trading-Strategien zu beschäftigen. So konnten wir unlängst einige Teilnehmer bei der Ausführung einer „Cash & Carry“-Trade-Strategie beobachten. Solche Strategien sind für traditionelle Finanzderivate normal und sehr verbreitet. Sie lassen sich aber auch genauso auf Krypto-Derivate anwenden.
Über den Autor
Achim Karle ist seit fast 13 Jahren in verantwortungsvollen Positionen bei der European Exchange (Eurex), eine der weltweit größten Terminbörsen für Finanzderivate, tätig. Zudem ist er Mitglied des Aufsichtsrats der Deutsche Börse.