Die Folgekosten für die jahrelange Benachteiligung ausländischer Investmentfonds bei der Dividendenbesteuerung werden für den deutschen Fiskus nun konkret bezifferbar: Wie das Bundesfinanzministerium gegenüber der „Wirtschaftswoche“ mitteilte, beläuft sich die Gesamtsumme der Rückzahlungen auf rund 7,5 Milliarden Euro. Diese Summe, die sich zu gleichen Teilen auf Bund und Länder verteilt, setzt sich aus Steuererstattungen und Verzugszinsen für den Zeitraum 2004 bis 2017 zusammen.
Der angepeilten Rückzahlung liegt eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs zugrunde. Dieser hatte im vergangenen März mit einer Ungleichbehandlung aufgeräumt: Während in Deutschland aufgelegte Fonds seit jeher von der Kapitalertragsteuer auf Dividenden deutscher Unternehmen befreit waren, mussten ausländische Fonds bis 2018 eine Quellensteuer von 25 Prozent zahlen. Der BFH hat diese Ungleichbehandlung in zwei Musterverfahren für rechtswidrig erklärt.
„Das ist kein typisch deutscher Fehler, er kommt auch in anderen europäischen Ländern vor“, ordnete Steuerrechtsexperte Steffen Gnutzmann von der WTS Group die Situation bereits vor Bekanntwerden der konkreten Summe im Interview mit DAS INVESTMENT ein. „Ich würde es als gesetzgeberisches Versehen in Anbetracht eines globalen Kapitalmarkts sehen.“
Wohin die Steuerrückzahlungen fließen
Ein Missgeschick, das für den deutschen Fiskus jedoch teuer wird. Von der milliardenhohen Steuererstattung profitieren jene aktiven Fonds und ETFs, die fristgerecht ihre Ansprüche geltend gemacht haben. Fristgerecht bedeutet: Der Antrag musste spätestens im vierten Jahr nach Zufluss der Dividende gestellt worden sein. Jetzt noch einen Antrag zu stellen, ist für die Fondsgesellschaften somit zu spät.
Betroffen sind insbesondere Portfolios aus den beiden beliebten europäischen Fondsstandorten Luxemburg und Irland sowie aus Frankreich und Großbritannien. Gegenüber der Wirtschaftswoche gaben etwa die DWS, Deka und Allianz Global Investors an, entsprechende Erstattungsanträge für ihre Auslandsfonds gestellt zu haben.
Die konkreten Auswirkungen auf die betroffenen Fonds werden nun in den kommenden Jahresberichten der Fondsgesellschaften sichtbar werden. Allerdings warnt Steuerrechtler Gnutzmann davor, mit einem schnellen pauschalen Geldsegen zu rechnen. Das Prozedere der Rückerstattungen ist kompliziert. Mit den konkreten Ermittlungen beschäftigt ist das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt). Dieses fragt weiterhin bei betroffenen Fondsgesellschaften mit Bitte um Unterlagen an, wie Gnutzmann beobachtet. Es gebe diverse operationelle Fragen zu klären. „Für das BZSt ist das auch ein logistisches Problem.“
Zudem dürfte es sich bei den vom BMF genannten 7,5 Milliarden Euro zunächst um die beantragte Erstattungssumme plus Zinsen handeln. „Die beantragte Summe wird nicht identisch mit der ausgezahlten sein“, ist sich der Steuerexperte sicher. Auch dass die Auszahlungen zügig erfolgen, erwartet Gnutzmann nicht. „Alles unter einem Jahr würde mich wundern“, hatte er bereits im Oktober prognostiziert.
Dass Anleger nun konkret mit Blick auf die anstehende Steuererstattung in betroffene Fonds investieren – davon rät der Steuerrechtler ab. Zum einen dürfte von außen schwer zu ermitteln sein, welche Fonds in welchem Umfang betroffen sind. Zum anderen könnte es sich gerade bei den oft milliardenschweren Publikumsfonds um vergleichsweise geringe Beträge handeln, die die Anteilspreise kaum verändern könnten.