Gastbeitrag Blockchain-Technologie: Wie Investoren zwischen Hype und Realität unterscheiden

Dominik Coudenhove Kalergi ist Produktspezialist bei Coinshares

Dominik Coudenhove Kalergi ist Produktspezialist bei Coinshares, einer der führenden Manager in Europa für digitale Vermögenswerte. Foto: Coinshares

Die Krypto-Märkte haben in den vergangenen Monaten viel Gegenwind bekommen: Kurseinbrüche, dazu die Insolvenzen und Eklats rund um die Krypto-Unternehmen Voyager, Celsius und nicht zuletzt der Handelsplattform FTX sorgten für ein turbulentes Jahr. Dass die Anlageklasse trotz dieser Erfahrungen weiter Relevanz besitzt – zunehmend auch für professionelle Investoren – liegt insbesondere an der fortschreitenden Institutionalisierung des Marktes. Jüngstes Beispiel: die Beantragung der Krypto-Verwahrlizenz durch die Dekabank.

Doch die Märkte für digitale Vermögenswerte sind sehr dynamisch. Und auch wenn institutionelle Anleger Erfahrung im Management von Zyklen haben, ist es wichtig, diese neue Technologie richtig zu bewerten und in den Portfoliokontext einzubetten. Der „Gartner Hype-Cycle“ für sich entwickelnde Technologien bietet professionellen Investoren dafür seit Jahren eine Orientierung und kann dabei helfen, einzuordnen, welche systemimmanenten Faktoren auch bei fortschreitender Entwicklung des Marktes bestehen bleiben – und welche nicht.

Wie der Hype Cycle für sich entwickelnde Technologien funktioniert

Viele Innovationen oder auch Technologien folgen während Ihrer Entwicklung einem bestimmten Muster. Der typische Innovationsverlauf läuft von Überbegeisterung über eine Phase der Desillusionierung bis hin zu einem Verständnis von Relevanz und Rolle der Innovation in einem Markt oder einem Sektor. Diesen Verlauf beschreibt der sogenannte J-Kurven-Effekt. In einem Diagramm abgetragen, fällt die Linie am Anfang ab, steigt allmählich über den Anfangspunkt an und bildet im Idealfall ansteigend die Form des Buchstabens „J“ ab. Sie spiegelt de facto ein Phänomen wider, bei dem eine Phase ungünstiger Renditen von einer allmählichen Erholung gefolgt wird und damit Werte erreicht, die über das Anfangsinvestment steigen.

Theoretisch bedeutet das: Bei einer Investition folgt auf einen zwischenzeitlichen Verlust ein signifikanter Gewinn. Diese Aussicht bewegte in den vergangenen Jahren vermehrt Kleinanlegerinnen und Kleinanleger dazu, in Innovationen und damit Anlagen zu investieren, die in der Vergangenheit überwiegend das Interesse institutioneller Investoren wie Venture Capitals oder auch Private- Equity-Fonds geweckt haben.

Trends mit Mainstream-Potenzial erkennen

Die große Frage: Welche Innovation hat Mainstream-Potenzial? Eine Vielzahl von Marktsignalen und Indikatoren sind für die Bewertung von Innovationen relevant. Der Hype-Zyklus von Gartner kann hier Orientierung geben. Das Modell ist eine grafische Darstellung eines gemeinsamen Musters, das bei der Einführung jeder neuen Technologie oder Innovation entsteht. Der aktuelle Status des jeweiligen Trends wird auf der J-Kurve eingeordnet. Der Verlauf und die Geschwindigkeit der Innovationsprofile durch den Hype-Zyklus sind unterschiedlich. Die Gartner-Analyse gibt ebenfalls eine Einschätzung, wann der jeweilige Trend die Gewinnzone voraussichtlich erreicht. 

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© Gartner

Welche Indikatoren für den Eintritt der Innovation in die Gewinnzone sprechen, ist unterschiedlich. Zum einen stehen Produkte, die in der zweiten oder dritten Generation angeboten werden und ohne zusätzliche Beratung am Markt nachgefragt sind, für Innovationen mit Potenzial. Produkterweiterungen, bei denen Technologieinnovationen um eine Vielzahl an Merkmalen ergänzt werden, sprechen ebenfalls für aussichtsreiche Unternehmen.

Aber auch die externe Nennung der eingeführten Methoden und Innovation durch Fachmedien sowie Beratungs- oder Branchenverbände, spricht für die zunehmende Etablierung und Akzeptanz im Markt. Zudem stehen in diesen Entwicklungsstadien meist valide und aussagefähige Unternehmenszahlen zu Kosten, Unternehmenswert sowie Time-to-Value-Angaben zur Verfügung. Die Time-to-Value (TTV) misst die Zeitspanne, die erforderlich ist, um ein Projekt abzuschließen und den Nutzen der Lösung zu realisieren. 

 

Was bedeutet das für den Markt für digitale Vermögenswerte? Die Preise für Kryptowährungen und Token stürzten im Jahr 2022 ab, doch bilden die Kurse der Token nicht zwangsläufig den Wert der Technologie ab. Verbraucheranwendungen wie NFT-Spiele treiben die Innovation des Krypto-Marktes voran, während Unternehmen und Finanzinstitute allmählich einen wirtschaftlichen Mehrwert in der Blockchain-Technologie erkennen.

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Folgt man dem Gartner Hype-Zyklus, sollte der Wendepunkt in der Akzeptanz für digitale Vermögenswerte bald erreicht sein, da die Risiken im Markt zunehmend proaktiv angegangen werden und die Infrastruktur robuster und etablierter wird, wie das Beispiel der Dekabank oder der Family-Office-Report von Dentos zeigen.

Laut dieser aktuellen Studie ist nahezu jedes vierte Family Office (23 Prozent) bereits in Kryptowährungen investiert. Weitere 30 Prozent planen entweder eine Investition in den nächsten 12 Monaten oder nehmen eine abwartende Haltung ein. Ein Mangel an regulatorischer Klarheit wird in der Studie als der Hauptgrund für die abwartende Haltung vieler Family Offices genannt. Dies sollte für europäische Investoren Ende 2023 mit der Mica-Verordnung zunehmend adressiert werden.

Krypto-Neugierde statt Krypto-Überzeugung bei Family Offices

Fakt ist, die Neugier und das Interesse sind auf Family Office-Seite vorhanden. Im Austausch mit Portfoliomanagern zeigt sich, dass diese mehrheitlich eine langfristige und zukunftsgerichtete Ausrichtung haben. Die Anlageklasse der digitalen Vermögenswerte wird von einer Vielzahl weiterhin als junge, sich entwickelnde Anlageklasse gesehen. Fidelity hat in einer Studie (Oktober 2022) herausgefunden, dass institutionelle Anleger bei digitalen Vermögenswerten vor allem das hohe Kurspotenzial, die innovative Technologie und die Möglichkeit der Dezentralisierung schätzen.

Auch Family Offices verschließen sich nicht den digitalen Vermögenswerten und haben die Zukunftschancen der Anlageklasse bereits erkannt. Die Internet-Revolution vor 20 Jahren hat nach Einschätzung der UBS die Family Offices an Innovationen herangeführt. Damals hat sich gezeigt, dass die zweite Welle, in der Plattformunternehmen wie Google starteten, den großen Erfolg brachte.

Vorbereitet sein, wenn Innovation zur breiten Adaption im Markt kommt

Gartner prognostiziert für Blockchain Plattformen und Defi beispielsweise in drei bis fünf Jahren das Erreichen des Plateaus. Es wird sich zeigen, ob die Blockchain Adaption dem Zyklus der Internet-Revolution folgen wird. Meistens geht es für Family Offices heute im ersten Schritt darum, mit geringer Allokation zu lernen und vorbereitet zu sein, wenn die Innovation zu einer breiten Adaption im Markt kommt. Die Marktturbulenzen im letzten Jahr haben den Blick auf das bereits Erreichte verdeckt. Wir sehen, dass asiatische Family Offices beim Thema Krypto häufig mutiger agieren. Doch auch die Family Offices in Europa sollten den Blick schärfen. Vielleicht ist 2023 die Zeit gekommen, um den „Wendepunkt der Akzeptanz“ von digitalen Vermögenswerten im Portfolio abzubilden.


Über den Autor:

Dominik Coudenhove Kalergi ist Produktspezialist bei CoinShares, CoinShares ist Europas größter Manager für digitale Vermögenswerte. Coudenhove Kalergi blickt auf mehr als 25 Jahre Erfahrung auf den Kapitalmärkten, dem Gebiet alternativer Anlageklassen und der institutionellen Kundenberatung zurück. Er begann seine Karriere vor 20 Jahren als Aktienhändler für Schwellenländer bei verschiedenen Investmentbanken, darunter Merrill Lynch und Citigroup. Zuletzt lag sein Schwerpunkt auf Kryptowährungsprodukten, wo er bei TokenMarket an Security Token Offerings (STOs) mitwirkte.

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