Digitales Zentralbankgeld „Mehr politische als ökonomische Risiken“

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Auch global könnte CBDC weitreichende Folgen haben: CBDC würde die starken Währungen weiter stärken. Denn wo Kleinsparer in Schwellenländern heute unter schwachen Währungen und Financial Repression leiden, könnten digitale Euros oder Dollars ihnen in Zukunft neue Möglichkeiten bieten. Die Zentralbanken in solchen Schwellenländern verlören an Einfluss, den betroffenen Staaten entgingen Geldschöpfungsgewinne.

Eine Sorge ist, dass in einem Modell mit CBDC-Konten bei der Notenbank die Privatsphäre der Bürger nicht mehr ausreichend geschützt wäre. Außerdem könnten Notenbanken mithilfe der Privatkundenkonten leichter und direkter Negativzinsen durchsetzen oder Steuern einbehalten.

Niepelt: Ja, die Privatsphäre ist bedroht; die Frage ist, ob sie mehr von staatlichen oder privaten Geldemittenten bedroht wird – man denke an Libra und Facebook. Und ja, einige Verfechter erhoffen sich von CBDC potentere Geldpolitik mit noch tieferen Zinsen zur Stützung der Konjunktur. So eine Geldpolitik wäre aber nur nach einer Abschaffung von Bargeld möglich und die ist in der Schweiz oder in Deutschland wohl nicht so rasch politisch durchsetzbar.

Angesichts der vielen möglichen Folgen von CBDC: Wäre es nicht Aufgabe der Politik statt der Zentralbank, über die Einführung und Ausgestaltung zu entscheiden?

Niepelt: Das Thema muss in der Tat auch außerhalb der Zentralbanken breit diskutiert werden. Entscheiden muss am Schluss die Politik, nicht die Zentralbank, es sei denn, wir sprechen von einer Minimalvariante ohne dramatische Auswirkungen.

Welche Risiken sehen Sie mit Blick auf private Kryptowährungen wie Bitcoin? Und was halten Sie von dem Argument, dass die Inflationsgefahren wegen der begrenzten Menge an Bitcoin geringer sind als etwa bei Euro oder US-Dollar?

Niepelt: Bislang werden private Kryptowährungen wie Bitcoin vor allem als Anlagevehikel genutzt, nicht als Recheneinheit und auch nicht als Zahlungsmittel, es sei denn, Transaktionen sollen verschleiert werden. Als Spekulationsobjekt eignet sich der Bitcoin besser denn als Zahlungsmittel. Sollten in Zukunft dennoch breitere Bevölkerungsschichten Kryptowährungen in größerem Ausmaß halten, dann dürfte das die Regulatoren rasch auf den Plan rufen. Es geht um Anlegerschutz, aber auch darum, Vorkehrungen zu treffen, wenn private Kryptowährungen und -emittenten „too big to fail“ werden.

 

 

 


Eine geldmengengetriebene Hyperinflation ist in der Tat ausgeschlossen, wenn die Menge an Coins limitiert ist. Aber der Wert des Bitcoins kann dennoch jederzeit kollabieren, wenn Anleger das Vertrauen verlieren, dass andere Anleger auch morgen noch für Bitcoin bezahlen werden. Preisübertreibungen, also Blasen, hat es in der Wirtschaftsgeschichte immer wieder gegeben. Schon mit den jetzt steigenden Zinsen könnten die Zweifel an der Nachhaltigkeit von Bitcoin-Anlagen wachsen.

Manche fordern, private Kryptowährungen ganz zu verbieten. Wie stehen Sie dazu?

Niepelt: Da bin ich skeptisch. Zum einen wissen selbst Ökonomen nicht wirklich, wie Geld zu definieren ist. Wie soll man da etwas als Geld verbieten? Die Geschichte zeigt, dass vieles als Zahlungsmittel genutzt werden kann. Zum anderen: Wie wollte man so ein Verbot durchsetzen, gerade bei Kryptowährungen, deren Zahlungssystem ja dezentral organisiert ist? In einer freiheitlichen Gesellschaft sehe ich das als sehr schwierig an.

Über den Interviewten: Dirk Niepelt ist Professor für Makroökonomie an der Universität Bern. Von 2005 bis 2022 war er zudem am Studienzentrum Gerzensee tätig, einer Stiftung der Schweizer Nationalbank, zuletzt als Direktor. Davor lagen Stationen an den Universitäten Stockholm und Lausanne sowie bei der EZB, dem IWF und der Notenbank St. Louis/USA. Der gebürtige Konstanzer studierte und promovierte an der Universität St. Gallen und hält einen PhD des Massachusetts Institute of Technology (MIT).

Dieses Interview wurde uns freundlicherweise von Lupus alpha zur Verfügung gestellt und stammt aus dem aktuellen leitwolf-Magazin Link zum Magazin: (leitwolf-magazin.de)

Das Video zu dem Interview können Sie hier sehen.

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