Bilanz-Check Drastischer Gewinneinbruch stellt Berenbergs Ausrichtung in Frage

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Eigene Erklärungsversuche des Bankhauses für den drastischen und bis dato einmaligen Einbruch des Jahresergebnisses führen das schwierige Börsenumfeld gepaart mit hohen regulatorischen Anforderungen und damit verbundenen Umsetzungsmaßnahmen – Berichtspflichten, eingeschränkte Research Nutzung – an und lassen einen nach wie vor optimistischen Blick in die künftige Geschäftsentwicklung zu. Berenberg wertet die gestiegenen IT-Kosten und Personalaufwendungen, vor allem Abfindungen durch Stellenabbau, als Einmaleffekte. Auffällig dabei ist jedoch, dass sich die allgemeinen Herausforderungen des Marktumfeldes bei Berenberg im Branchenvergleich in deutlich höherem Maße auswirken, was bei dem grundsätzlich differenzierten Geschäftsmodell der Privatbank zunächst erstaunlich ist.

Berenberg musste 2018 drastische Anpassungen in wesentlichen Geschäftsfelder vornehmen: Aufgrund von Mifid II verlagerte sich die Geschäftstätigkeit deutlich weg von Anlageberatung – Rückgang um 50 Prozent – hin zu Vermögensverwaltung im Wealth Management. Ferner sah sich die Privatbank als Antwort auf die regulatorischen Daumenschrauben gezwungen, per Ende 2018 mehr als 80 Prozent der Beteiligung an der Berenberg Bank (Schweiz) abzustoßen und die Niederlassung in Wien zu schließen, was ein klares Eingeständnis des partiell nicht mehr tragfähigen Geschäftsmodells war.

Dabei erscheint auch die einerseits propagierte konsequente Internationalisierung im Widerspruch mit der Verteilung der Aufwendungen und Erträge der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV), die bei der Verteilung der Erträge nach geographischen Gesichtspunkten 2018 hingegen eine Steigerung des Anteils der inländischen Erträge zu Lasten der ausländischen offenbart: Inland 89 Prozent der Erträge für 2018 (87 Prozent Vorjahr) und Ausland 11 Prozent der Erträge für 2018 (13 Prozent Vorjahr).

Die Berenberg Bank hat eine sehr spannende und gleichzeitig mutige  Entwicklung eingeleitet – einzigartig in der Historie der norddeutschen Privatbank – und seine Geschäftsausrichtung von einem altehrwürdigen Traditionshaus mit lokaler Ausrichtung hin zu einer dienstleistungsorientierten, internationalen Investmentbank verändert. In der Erfolgsgeschichte dieser strategischen Neuausrichtung, insbesondere der Jahre 2015 und 2016, zeigen sich jedoch, so das Ergebnis des Bilanz-Checks, erste Wolken.

Besorgniserregend sind dabei das zumindest 2018 nicht geglückte Kostenmanagement und die schwache Prozesseffizienz. Hier bleibt abzuwarten, ob die 2018 getätigten Investitionen in IT und die Stärkung des Geschäftsmodells, insbesondere im Investment Banking, zu nachhaltigen Ertragssteigerungen und damit einem langfristigen Ergebnisbeitrag führen werden. Der deutliche Abbau von Stellen im IT-Bereich wirft dabei ebenfalls Fragen auf, inwieweit Berenberg auf die zunehmende Digitalisierung der Branche vorbereitet ist. Denn neben herausfordernden Zukunftsaussichten des Bankensektors aufgrund des Zinsumfeldes, den sich stetig verändernden und zunehmenden regulatorischen Anforderungen werden vor allem die Herausforderungen der digitalen Transformation der Geschäftsprozesse und -felder und dem damit verbundenen hohen Investitionsdruck über Erfolg oder Misserfolg entscheiden.


Über die Autoren:
Stefanie Hehn-Ginsbach lehrt an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen am Rhein als Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Corporate Finance & Kapitalmarkttheorie. Sie war von 2005 bis 2018 im Deutsche-Bank-Konzern tätig und bekleidete dort mehrere Führungspositionen im In- und Ausland.

Gösta Jamin lehrt an der Hochschule Ludwigshafen am Rhein als Professor für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre. Zudem begleitet er als Berater Banken, Fintechs und andere Finanzdienstleister bei Projekten der digitalen Transformation.

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