Bilanz-Check Erfolgreiches Jahr für Quirin Privatbank trotz belastender Turbulenzen

Stefanie Hehn und Gösta Jamin

Stefanie Hehn und Gösta Jamin: Die Bilanz-Analysten des private banking magazins beleuchten diesmal die Situation der Quirin Privatbank, die 2022 trotz der Turbulenzen am Kapitalmarkt ein positives Geschäftsergebnis aufweisen konnte. Foto: Gösta Jamin / Stefanie Hehn

Nach einem herausragenden Geschäftsjahr 2021 konnte die Quirin Privatbank das vom Krieg in der Ukraine überschattete Geschäftsjahr 2022 mit einem immer noch sehr guten Ergebnis abschließen. Der Jahresüberschuss sank von 12,1 Millionen Euro 2021 auf 8 Millionen Euro 2022. Damit erreicht Quirin mit 11,4 Prozent Eigenkapitalrendite aber immer noch einen ordentlichen Wert im Vergleich mit anderen Banken, wenn man eine Renditeanforderung von circa 8 Prozent als langfristige Erwartung der Aktionäre als mehrjährige Benchmark anlegt.

Vom Jahresüberschuss wird knapp die Hälfte (3,9 Millionen Euro) als Dividende ausgeschüttet, während der größere Rest (4,1 Millionen Euro) den Rücklagen zugeführt wird und damit der Stärkung des Eigenkapitals dient. Die aufsichtsrechtlichen Kenngrößen fallen unverändert hervorragend aus, so liegt die Gesamtkapitalquote bei 31,5 Prozent (Vorjahr 25,3 Prozent) und die Liquidity Coverage Ratio bei 4,28 (Vorjahr 2,54).

Überproportionaler Rückgang des Provisionsüberschusses

Wenig überraschend führten sinkende Kapitalmarktbewertungen im Laufe des Jahres 2022 zu einem Rückgang des Provisionsüberschusses von 61,3 Millionen Euro 2021 auf nur noch 52,1 Millionen Euro im Jahr 2022. Ein Treiber für diese Minderung ist der Rückgang des von der Quirin Privatbank und der Digitaltochter quirion verwalteten Kundenvermögens von 6,5 Milliarden Euro 2021 auf 6,3 Milliarden Euro 2022. Die rückläufige Kapitalmarktentwicklung konnte zumindest teilweise durch den Nettomittelzufluss von 526 Millionen Euro kompensiert werden.

Bei der Analyse des Provisionsüberschusses fällt auf, dass dieser mit minus 15 Prozent überproportional stark rückläufig ist im Vergleich zum verwalteten Vermögen mit minus drei Prozent. Diese Entwicklung könnte ein Hinweis darauf sein, dass es innerhalb des von der Gruppe verwalteten Kundenvermögens zu einer Verschiebung hin zu Preismodellen mit niedrigeren Provisionssätzen kommt. Diese Annahme erscheint auch deshalb plausibel, weil mit 254 Millionen Euro knapp die Hälfte der Nettomittelzuflüsse in das digitale Geschäftsmodell von quirion mit kostengünstigeren Preismodellen fließt, während dort im Bestand mit 1,28 Milliarden Euro erst etwa 20 Prozent des insgesamt verwalteten Vermögens der Gruppe angelegt ist.

Rückenwind durch Zinswende

Die 2022 eingeleitete Zinswende wiederum bedeutete Rückenwind für Quirin, abzulesen im von 1,0 Millionen Euro 2021 auf 2,2 Millionen Euro 2022 mehr als verdoppelten Zinsüberschuss. Dass der Wiederanstieg der Zinsen zu einem unmittelbar positiven Effekt führte, liegt an einer weitgehend fristenkongruenten Anlage der Liquidität und daran, dass die Fristentransformation nicht zum Kerngeschäft von Quirin gehört.

Bemerkenswert am Zahlenwerk von Quirin ist, dass es trotz eines Anstiegs der Zahl der Mitarbeiter von 250 Ende 2021 auf 256 Ende 2022 zu einem Rückgang des Personalaufwands von 28,2 Millionen Euro 2021 auf 27,5 Millionen Euro 2022 gekommen ist, was laut Aussage der Bank an der geringeren Höhe von unternehmenserfolgsabhängigen Vergütungsbestandteilen liegt.

Gesunkene Verwaltungs- und Personalkosten – trotz Inflation

Ebenfalls leicht rückläufig sind die anderen Verwaltungsaufwendungen von 22,0 Millionen Euro 2021 auf 21,3 Millionen Euro 2022. Aus Sicht der Aktionäre ist es sehr positiv zu vermerken, dass es der Quirin Privatbank in Zeiten rückläufiger Erträge gelingt, auch die Kosten zu reduzieren, was vor dem Hintergrund der hohen Inflationsrate im Jahr 2022 besonders bemerkenswert ist. Zudem spricht es für die Performancekultur im Haus und hebt sich positiv von den Praktiken in anderen Häusern der Branche ab, dass sich die Höhe der variablen Vergütung am tatsächlichen finanziellen Erfolg des Hauses orientiert.

 

 

Trotz des Rückgangs von Provisionsüberschuss und verwaltetem Kundenvermögen gelingt es Quirin weiter seine fundamentale Geschäftsbasis auszuweiten. Die Zahl der Kunden der Quirin Privatbank wuchs von 11.000 im Jahr 2021 auf 11.900 und bei der digitalen Tochter quirion sogar von 45.000 auf 59.100 im Jahr 2022. Diese Werte unterstreichen den smarten Omnichannel-Ansatz von Quirin, in dem der kostengünstige digitale Kanal als Kundengewinnungsmaschine fungiert, wo Neukunden bereits niederschwellig mit kleineren Anlagebeträgen eine Kundenverbindung aufnehmen können.

Seite 2: Was sich andere Banken von Quirin abschauen können

 

Die Manpower in den Filialen konzentriert sich hingegen auf ertragreichere Kundenverbindungen. Ein besonderes Feature ist die Verzahnung der beiden Geschäftsmodelle über kanalübergreifende Preismodelle. Neben der Standardbetreuung bei quirion (Digital) und der persönlichen Betreuung (Exklusiv) bei der Quirin Privatbank gibt es zwei hybride Betreuungsmodelle (Premium und Privat), bei denen der Kunde zusätzlich zu den digitalen Angeboten von quirion auf persönliche Ansprechpartner bei der Quirin Privatbank zurückgreifen kann. Wobei sich die Betreuungsmodelle je nach Betreuungsintensität hinsichtlich ihres Pricings unterscheiden.

Intelligente Kombination aus „Säen und Ernten“

Durch dieses System ist eine Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Dienstleistungsangeboten gegeben, was ein Upselling von über quirion gewonnenen Kunden im Laufe ihres Lebenszyklus ermöglicht. Gleichzeitig ist die Mindestanlagesumme von 25.000 Euro für die persönliche Betreuung niederschwellig genug, um eine große Zahl von (potenziellen) Kunden zum Einstieg in eine Geschäftsbeziehung motivieren zu können.

Dieser Ansatz ist eine intelligente Kombination aus „Säen und Ernten“, von dem sich auch andere im Bereich der Vermögensanlage tätige Banken etwas abschauen können, fokussiert man sich im Geschäft mit vermögenden Kunden doch meistens lieber auf den Aspekt des „Erntens“ in der Arbeit mit bereits großen Kundenverbindungen.

Quirins Differenzierungsmerkmal gegenüber Wettbewerbern

Mit ihrer Philosophie der produkt- und provisionsunabhängigen Honoraranlageberatung, die auf kompletter Kostentransparenz und Rückvergütung aller offenen und versteckten Provisionen beruht, sowie einfachen, transparenten und regelbasierten Vermögensverwaltungslösungen, die im Sinne passiver Anlageansätze das Ziel verfolgen, die allgemeine Marktrendite zu niedrigen Kosten zu erwirtschaften, verfügt Quirin über ein klares Differenzierungsmerkmal gegenüber vielen Wettbewerbern bei der Geldanlage. Seit 2019 bietet Quirin auch eine nachhaltige Version ihrer Vermögensverwaltung an, in die inzwischen über eine Milliarde Euro investiert ist. Insofern ist Quirin auch bei diesem Megathema der Vermögensverwaltung positioniert.

Langfristige ökonomische und politische Trends sollten dem Geschäftsmodell der Quirin Privatbank auch in Zukunft weiteren Rückenwind geben. Die Notwendigkeit wertpapier- bzw. aktienbasierter Vorsorge spricht sich bei immer mehr Menschen herum und wird nun auch nach dem Ende der Phase der Nullzinsen weiter befeuert durch außerordentlich hohe Inflationsraten und damit weiterhin negative Realzinsen.

Politische Diskussion stärkt den eingeschlagenen Weg der Quirin Privatbank

Zudem verstärkt die politische Diskussion um eine teilweise Kapitaldeckung von gesetzlichen Rentenansprüchen (Aktienrente) die Sensibilität für die Notwendigkeit eigenständiger Vorsorge für die Lebensstandardsicherung im Alter. Weiterhin dürften die Diskussionen um die sich verschärfende Regulierung – eine Novelle von Mifid II wird bereits diskutiert –  und das drohende Verbot von Bestandsprovisionen in der Anlageberatung den bereits eingeschlagenen Weg Quirins unterstützen.

Eine wiederkehrende Beratungsgebühr in Verbindung mit hybriden Lösungen, die proaktive Beratungsleistungen einer breiteren Klientel wirtschaftlich sinnvoll zugänglich machen, könnte hier Schlüssel zu einer erfolgreichen weiteren Expansion sein. Vor diesen Hintergründen hat sich Quirin selbst das ambitionierte Ziel gesetzt, langfristig eine Million Kunden betreuen zu wollen, was mehr als das Zehnfache der heutigen Kundenzahl wäre.

Gut aufgestellt trotz Turbulenzen

Zwar stellt der Privatkundenbereich das Hauptgeschäftsfeld von Quirin dar, allerdings gibt es mit dem Kapitalmarktgeschäft auch noch einen zweiten Geschäftsbereich, dessen Rahmenbedingungen durch den Ukraine-Krieg im Jahr 2022 schwierig waren. Dies spiegelt sich in einer verschlechterten Cost-Income-Ratio wider, die von 52 Prozent im Jahr 2021 auf 69 Prozent im Jahr 2022 gestiegen ist.

 

 

Bei allen tagespolitischen Turbulenzen scheint uns die Quirin Privatbank mit ihrem Geschäftsmodell, der einzigartigen Value Proposition im deutschen Markt und ihrer herausragenden Performancekultur gut aufgestellt zu sein, um vom absehbaren weiteren  Wachstum des Wertpapiergeschäfts im deutschen Markt profitieren zu können.

Über die Autoren:
Stefanie Hehn lehrt an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen als Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Corporate Finance & Kapitalmarkttheorie. Sie war von 2005 bis 2018 bei der Deutschen Bank tätig und bekleidete dort mehrere Führungspositionen im In- und Ausland. Zudem berät sie privatwirtschaftliche wie auch öffentliche Unternehmen bei finanzwirtschaftlichen Themen.

Gösta Jamin lehrt an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen als Professor für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre. Zudem begleitet er als Berater Banken, Fintechs und andere Finanzdienstleister bei Projekten der digitalen Transformation.

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