Errichter und Begünstigte ausländischer Stiftungen und Trusts sind in Deutschland vielfältigen steuerlichen Risiken ausgesetzt. Zum einen können Zuwendungen an inländische Begünstigte sowohl der Einkommensteuer als auch der Schenkungsteuer unterliegen – mit der Gefahr einer Doppelbesteuerung. Zum anderen kann unter gewissen Voraussetzungen eine Besteuerung der im Ausland erzielten Einkünfte des Trusts oder der Stiftung in Deutschland sogar dann erfolgen, wenn diese gar nicht an die inländischen Begünstigten ausgekehrt werden.
Diese sogenannte Zurechnungsbesteuerung führt bei inländischen Steuerpflichtigen zu einer Besteuerung von Einkünften, die ihnen niemals zugeflossen sind – und womöglich auch niemals zufließen werden. Erfreulicherweise hat der Bundesfinanzhof (BFH) die deutsche Zurechnungsbesteuerung nun deutlich eingeschränkt.
Wann greift die Zurechnungsbesteuerung?
Die deutsche Zurechnungsbesteuerung ist in Paragraf 15 des deutschen Außensteuergesetzes (AStG) geregelt. Sie bewirkt, dass die Einkünfte der ausländischen Stiftung bzw. des ausländischen Trusts unter gewissen Voraussetzungen beim inländischen Errichter oder bei den inländischen Begünstigten auch dann der deutschen Einkommensteuer unterliegen, wenn sie nicht an diese ausgeschüttet werden.
Die Zurechnungsbesteuerung gilt primär für Familienstiftungen nach Paragraf 15 Absatz 2 AStG, bei denen der Stifter und seine Angehörigen zu mehr als der Hälfte bezugs- oder anfallsberechtigt sind. Daneben werden nach Paragraf 15 Absatz 3 AStG auch bestimmte Unternehmensstiftungen in den Anwendungsbereich einbezogen. Die Regelung erstreckt sich neben Stiftungen auch auf ausländische Trusts (Paragraf 15 Absatz 4 AStG), die vor allem im angloamerikanischen Rechtskreis üblich sind.
Voraussetzung ist stets, dass das Vermögen steuerlich der Stiftung oder dem Trust zuzuordnen ist. Denn anderenfalls wären die aus dem Vermögen fließenden Einkünfte bereits nach den allgemeinen Regelungen direkt von den dahinterstehenden Personen zu versteuern. Der Trust / die Stiftung wäre dann steuerlich transparent, sodass sich die Anwendung der Zurechnungsbesteuerung nach Paragraf 15 Absatz 1 AStG erübrigt. Eine steuerliche Transparenz kann aber nur angenommen werden, wenn die dahinterstehenden Personen aufgrund von Widerrufs-, Weisungs- und Entscheidungsrechten „wie über ein eigenes Bankkonto“ über das Trust- oder Stiftungsvermögen verfügen können.
Die problematischen Folgen
Die Zurechnungsbesteuerung kann inländische Stifter und Begünstigte ausländischer Stiftungen und Trusts vor erhebliche Probleme stellen. Dies gilt besonders, wenn sie keinen Einfluss auf das Ausschüttungsverhalten der Stiftung oder des Trusts nehmen können. In diesem Fall besteht die Gefahr, dass sie die durch die Zurechnung ausgelöste Einkommensteuer zahlen müssen, ohne über die entsprechenden Mittel zu verfügen. Hinzu kommt der erhebliche Compliance-Aufwand für die Erklärung der im Ausland erzielten Einkünfte.
Dadurch werden die Begünstigten ausländischer Stiftungen und Trusts gegenüber den Begünstigten inländischer Stiftungen, für die die Zurechnungsbesteuerung nicht gilt, erheblich benachteiligt. Daher steht die deutsche Zurechnungsbesteuerung seit jeher im Verdacht, gegen die europäischen Grundfreiheiten zu verstoßen – insbesondere die Kapitalverkehrsfreiheit.
Die EU/EWR-Bereichsausnahme
Auf Druck der Europäischen Kommission hat der Gesetzgeber die Ausnahmevorschrift des Paragraf 15 Absatz 6 AStG in das Gesetz eingefügt. Diese EU-/EWR-Bereichsausnahme befreit Stiftungen und Trusts mit Sitz oder Geschäftsleitung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraums von der Zurechnungsbesteuerung, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind:
- der Stifter und seine Angehörigen (bei Unternehmensstiftungen weitere Personen) keine Verfügungsmacht mehr über das übertragene Vermögen haben und
- zwischen dem betreffenden Staat und Deutschland ein hinreichender Informationsaustausch sichergestellt ist.
BFH erweitert Ausnahme auf Drittstaaten
Nach ihrem Wortlaut ist die Ausnahme auf Stiftungen und Trusts mit Sitz oder Geschäftsleitung in der EU oder dem EWR beschränkt. Die Finanzverwaltung vertrat daher die Auffassung, dass Begünstigte von schweizerischen Familienstiftungen oder angloamerikanischen Trusts sich nicht darauf berufen können.
Dieser Auffassung ist der BFH nun mit mehreren Urteilen vom 3. Dezember 2024 entgegengetreten (Aktenzeichen: IX R 32/22 u.a.). Nach Ansicht des Gerichts müsse die Bereichsausnahme – ungeachtet des Gesetzeswortlauts – auch auf Stiftungen und Trusts in Drittstaaten erstreckt werden.
Die Begründung: Die deutsche Zurechnungsbesteuerung stellt eine Beschränkung der europäischen Kapitalverkehrsfreiheit dar. Diese Beschränkung könne zwar grundsätzlich durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, insbesondere zur Verhinderung von Steuerumgehungen durch künstliche Verlagerung von Einkünften ins Ausland. Allerdings dürfe die Zurechnungsbesteuerung nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist.
Dem inländischen Steuerpflichtigen müsse daher die Möglichkeit eingeräumt werden, im Einzelfall nachzuweisen, dass die Errichtung der Stiftung / des Trusts im Ausland nicht „rein künstlich“ sei. Die Bereichsausnahme nach Paragraf 15 Absatz 6 AStG stelle zwar eine taugliche Entlastungsmöglichkeit in diesem Sinne dar. Da die europäische Kapitalverkehrsfreiheit aber auch im Verhältnis zu Drittstaaten gelte, müsse diese Bereichsausnahme – über ihren Wortlaut hinaus – auch auf Drittstaaten ausgedehnt werden.
Was bedeutet „entzogene Verfügungsmacht“?
Um von der Bereichsausnahme zu profitieren, muss in jedem Fall nachgewiesen werden, dass das Vermögen der Verfügungsmacht des Stifters sowie seiner Angehörigen rechtlich und tatsächlich entzogen ist (Paragraf 15 Absatz 6 Nr. 1 AStG).
Die Finanzverwaltung vertritt bisher die Auffassung, dass die Verfügungsmacht nicht entzogen ist, wenn die genannten Personen über ihre Organstellung (zum Beispiel als Trustee oder Mitglied des Stiftungsvorstands) über das Vermögen verfügen können. Ähnlich entschieden hatte auch bereits das Finanzgericht Hamburg (Urteil vom 17. Dezember 2020, 6 K 307/19).
Der BFH hat nun klargestellt: Es fehlt an der Entziehung der Verfügungsmacht nur dann, wenn die betreffenden Personen zivilrechtlich die Herausgabe des Stiftungsvermögens bewirken können. Faktische Einflussmöglichkeiten der betreffenden Personen – etwa durch das Recht, Mitglieder der Stiftungsorgane abzuberufen – seien ausdrücklich irrelevant.
Wann liegt ein hinreichender Informationsaustausch vor?
Die Bereichsausnahme greift nur, wenn zwischen Deutschland und dem Sitzstaat der Stiftung ein hinreichender Informationsaustausch besteht. Dieser kann sich ergeben aus:
- der EU-Amtshilferichtlinie
- einem Doppelbesteuerungsabkommen mit „großer Auskunftsklausel“
- einem Abkommen über den steuerlichen Informationsaustausch (TIEA)
Diese Anforderungen erfüllen insbesondere die Schweiz, Großbritannien und die USA, da im Verhältnis zu diesen Staaten Doppelbesteuerungsabkommen mit „großer“ Auskunftsklausel bestehen.
Praxisfolgen
Sollte die Finanzverwaltung die Rechtsauffassung des BFH übernehmen, profitieren nicht nur Begünstigte von angloamerikanischen Trusts und schweizerischen Familienstiftungen, sondern auch inländische Begünstigte von Stiftungen aus EU/EWR-Ländern durch den erleichterten Nachweis der entzogenen Verfügungsmacht.
Zu beachten ist jedoch, dass die Finanzverwaltung die Bereichsausnahme nach Paragraf 15 Absatz 6 AStG – selbst bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen – nicht anwenden will, sofern der ausländischen Stiftung Einkünfte nachgeordneter Kapitalgesellschaften oder Stiftungen zugerechnet werden (Paragraf 15 Absatz 9 und 10 AStG). Ob die Bereichsausnahme genutzt werden kann, hängt damit stets auch von der konkreten Zusammensetzung des Vermögens ab.
Die steuerliche Behandlung von ausländischen Stiftungen und Trusts bleibt eine Einzelfallprüfung. Betroffene sollten sich frühzeitig beraten lassen und ihre Bescheide durch Einspruch offen halten, bis klar ist, wie die Finanzverwaltung auf die BFH-Entscheidung reagiert.
Über den Autor:
Michael Tischendorf ist Rechtsanwalt und Steuerberater bei Flick Gocke Schaumburg. Tischendorf berät Mandanten unter anderem zu ausländischen Stiftungen und Trusts. Zwischen 2020 und 2023 war er für Poellath tätig, seinen beruflichen Werdegang startete er bei der Wirtschaftskanzlei Sonntag.