Mit einem bislang wenig beachteten Urteil vom 8. November 2013 (Az. 6 U 50/13) hat sich das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) zur Haftung von Stiftungsorganen geäußert.
Was war passiert?
In dem Fall ging es um eine rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts mit einem (Allein-)Vorstand und einem Kuratorium als Aufsichtsorgan. Das Vermögen der Stiftung von rund 9 Millionen Euro verringerte sich während der Amtszeit des Vorstandes um 6 Millionen Euro. Dies war zum einen darauf zurückzuführen, dass der Vorstand für den operativen Betrieb Vermögen entnahm und verbrauchte. Zum anderen sind im Rahmen der von einer Bank durchgeführten Vermögensverwaltung Verluste entstanden.
Das OLG hat die Auffassung vertreten, dass der Vermögensverlust auf einer schuldhaften Pflichtverletzung des Vorstandes beruht und eine Schadensersatzpflicht gegenüber der Stiftung bejaht. Der Vorstand habe die ihm nach dem Landestiftungsgesetz, der Stiftungssatzung und seinem Anstellungsvertrag obliegende Pflicht verletzt, das Stiftungsvermögen in seinem Bestand ungeschmälert zu erhalten.
In Bezug auf das Vermögen, das für den operativen Betrieb verbraucht wurde, ergab sich die Pflichtverletzung daraus, dass Vorstand und Kuratorium gemeinsam eine Höchstgrenze für die jährlichen Ausgaben der Stiftung festgelegt hatten und die Entnahmen des Vorstandes diese Höchstgrenze überstiegen. In Bezug auf die Verluste, die durch die Vermögensverwaltung der Banken entstanden sind, sah das OLG die Pflichtverletzung des Vorstandes in der von ihm getroffenen Anlageentscheidung.
Dies verwundert insofern, als der Vorstand die Vermögensverwaltung auf Banken ausgelagert hatte. Gleichwohl sah das OLG eine Pflichtverletzung im Festhalten an den Anlagegeschäften der Bank:
„Der … [Vorstand] kann sich … nicht darauf zurückziehen, die Banken hätten die Käufe getätigt und auch später die Geldanlagen vorgenommen. Bei einer derart hohen Summe muss sich der … Vorstand in Wahrnehmung der Vermögensinteressen der … [Stiftung] stets erkundigen, wie sich die Geldanlagen entwickeln, notfalls muss … [er] einschreiten.“
Mitverschulden des Kuratoriums
Die Schadensersatzansprüche der Stiftung gegen den Vorstand wurden vom OLG um 50 Prozent gekürzt, wegen Mitverschulden des Kuratoriums. Dieses Mitverschulden sah das OLG darin, dass das Kuratorium es versäumt habe, dem Vorstand klare Weisungen zu erteilen, obwohl ihm die Verluste bei der Vermögensverwaltung und die Überentnahmen bekannt waren und es nach der Satzung den Vorstand zu überwachen hatte.
Ob dieses Vorgehen – eine Anspruchskürzung wegen Mitverschulden des Kuratoriums – in dieser Allgemeinheit richtig ist, dürfte zumindest fraglich sein. Grundsätzlich müsste ein Mitverschulden des Kuratoriums zu einer gesamtschuldnerischen Haftung von Vorstand und Kuratorium gegenüber der Stiftung führen. In diesem Rahmen würden beide Organe im Verhältnis zur Stiftung jeweils voll haften und könnte das von der Stiftung in Anspruch genommene Organ von dem jeweils anderen Organ anteilig Ausgleich verlangen.
Ausnahmsweise kann ein Mitverschulden des Kuratoriums auch dazu führen, dass der Anspruch der Stiftung gegen den Vorstand zu kürzen ist: etwa wenn für beide Organe im Verhältnis zur Stiftung unterschiedliche Haftungsmaßstäbe gelten, der Vorstand etwa für einfache Fahrlässigkeit haftet, das Kuratorium hingegen nur für grobe Fahrlässigkeit.
Fällt dem Kuratorium bei der Überwachung des Vorstandes keine grobe Fahrlässigkeit zur Last, haftet es gegenüber der Stiftung nicht. Es entsteht keine Gesamtschuld und der Vorstand kann bei Inanspruchnahme durch die Stiftung keinen Ausgleich von dem Kuratorium verlangen. Die Haftungsprivilegierung des Kuratoriums wirkt sich so zu Lasten des Vorstandes aus. In einem solchen Fall erscheint es recht und billig, den Anspruch der Stiftung gegen den Vorstand um den Mitverschuldensanteil des Kuratoriums zu kürzen.
Entlastung durch das Kuratorium
Die Schadensersatzansprüche der Stiftung wurden vom OLG weiter gekürzt, weil der Vorstand für die ersten Jahre seiner Tätigkeit vom Kuratorium bereits entlastet worden war. Damit hat sich erstmals ein Gericht zur Wirkung der Entlastung eines Stiftungsorgans geäußert und ausdrücklich Verzichtswirkung angenommen.
Bislang waren die Wirkungen einer Entlastung umstritten, wobei gute Argumente für eine Verzichtswirkung sprechen, vor allem dann, wenn nach der Satzung – sofern landesrechtlich möglich – ein Organ ausdrücklich zur Entlastung befugt ist.
Fazit
Der Fall und die Entscheidung des OLG zeigen, dass der Vorstand sich bei der Verwaltung des Stiftungsvermögens nicht dadurch von seiner Haftung freizeichnen kann, dass er diese auf professionelle Vermögensverwalter auslagert. Der Vorstand muss die Verwaltung selbst im Blick behalten und erforderlichenfalls einschreiten. Das gilt auch für Aufsichtsorgane.
Um das Risiko einer Inanspruchnahme zu reduzieren, sollten Mitglieder von Stiftungsorganen regelmäßig Entlastung beantragen. Dabei ist zu beachten, dass die Entlastung nur dann als Verzicht auf Schadensersatzansprüche wirkt, wenn die entlastende Stelle umfassend über die Tätigkeit des zu entlastenden Organs informiert worden ist, insbesondere Kenntnis von potentiell haftungsträchtigen Sachverhalten erhalten hat.
Über die Autoren:
Dr. Wolfram Theiss, Dr. Caroline Picot und Dr. Frank Schuck von der Rechtsanwaltskanzlei Noerr LLP beraten vermögende Privatpersonen und Unternehmerfamilien bei der Nachfolge zu Lebzeiten und von Todes wegen, bei der Gründung von Stiftungen, Familiengesellschaften und bei der Wohnsitzverlagerung sowie bei erbrechtlichen Auseinandersetzungen vor staatlichen oder Schiedsgerichten. Ferner beraten sie Privatbanken und Vermögensverwalter im Zusammenhang mit dem Estate Planning für deren Kunden.
Was war passiert?
In dem Fall ging es um eine rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts mit einem (Allein-)Vorstand und einem Kuratorium als Aufsichtsorgan. Das Vermögen der Stiftung von rund 9 Millionen Euro verringerte sich während der Amtszeit des Vorstandes um 6 Millionen Euro. Dies war zum einen darauf zurückzuführen, dass der Vorstand für den operativen Betrieb Vermögen entnahm und verbrauchte. Zum anderen sind im Rahmen der von einer Bank durchgeführten Vermögensverwaltung Verluste entstanden.
Das OLG hat die Auffassung vertreten, dass der Vermögensverlust auf einer schuldhaften Pflichtverletzung des Vorstandes beruht und eine Schadensersatzpflicht gegenüber der Stiftung bejaht. Der Vorstand habe die ihm nach dem Landestiftungsgesetz, der Stiftungssatzung und seinem Anstellungsvertrag obliegende Pflicht verletzt, das Stiftungsvermögen in seinem Bestand ungeschmälert zu erhalten.
In Bezug auf das Vermögen, das für den operativen Betrieb verbraucht wurde, ergab sich die Pflichtverletzung daraus, dass Vorstand und Kuratorium gemeinsam eine Höchstgrenze für die jährlichen Ausgaben der Stiftung festgelegt hatten und die Entnahmen des Vorstandes diese Höchstgrenze überstiegen. In Bezug auf die Verluste, die durch die Vermögensverwaltung der Banken entstanden sind, sah das OLG die Pflichtverletzung des Vorstandes in der von ihm getroffenen Anlageentscheidung.
Dies verwundert insofern, als der Vorstand die Vermögensverwaltung auf Banken ausgelagert hatte. Gleichwohl sah das OLG eine Pflichtverletzung im Festhalten an den Anlagegeschäften der Bank:
„Der … [Vorstand] kann sich … nicht darauf zurückziehen, die Banken hätten die Käufe getätigt und auch später die Geldanlagen vorgenommen. Bei einer derart hohen Summe muss sich der … Vorstand in Wahrnehmung der Vermögensinteressen der … [Stiftung] stets erkundigen, wie sich die Geldanlagen entwickeln, notfalls muss … [er] einschreiten.“
Mitverschulden des Kuratoriums
Die Schadensersatzansprüche der Stiftung gegen den Vorstand wurden vom OLG um 50 Prozent gekürzt, wegen Mitverschulden des Kuratoriums. Dieses Mitverschulden sah das OLG darin, dass das Kuratorium es versäumt habe, dem Vorstand klare Weisungen zu erteilen, obwohl ihm die Verluste bei der Vermögensverwaltung und die Überentnahmen bekannt waren und es nach der Satzung den Vorstand zu überwachen hatte.
Ob dieses Vorgehen – eine Anspruchskürzung wegen Mitverschulden des Kuratoriums – in dieser Allgemeinheit richtig ist, dürfte zumindest fraglich sein. Grundsätzlich müsste ein Mitverschulden des Kuratoriums zu einer gesamtschuldnerischen Haftung von Vorstand und Kuratorium gegenüber der Stiftung führen. In diesem Rahmen würden beide Organe im Verhältnis zur Stiftung jeweils voll haften und könnte das von der Stiftung in Anspruch genommene Organ von dem jeweils anderen Organ anteilig Ausgleich verlangen.
Ausnahmsweise kann ein Mitverschulden des Kuratoriums auch dazu führen, dass der Anspruch der Stiftung gegen den Vorstand zu kürzen ist: etwa wenn für beide Organe im Verhältnis zur Stiftung unterschiedliche Haftungsmaßstäbe gelten, der Vorstand etwa für einfache Fahrlässigkeit haftet, das Kuratorium hingegen nur für grobe Fahrlässigkeit.
Fällt dem Kuratorium bei der Überwachung des Vorstandes keine grobe Fahrlässigkeit zur Last, haftet es gegenüber der Stiftung nicht. Es entsteht keine Gesamtschuld und der Vorstand kann bei Inanspruchnahme durch die Stiftung keinen Ausgleich von dem Kuratorium verlangen. Die Haftungsprivilegierung des Kuratoriums wirkt sich so zu Lasten des Vorstandes aus. In einem solchen Fall erscheint es recht und billig, den Anspruch der Stiftung gegen den Vorstand um den Mitverschuldensanteil des Kuratoriums zu kürzen.
Entlastung durch das Kuratorium
Die Schadensersatzansprüche der Stiftung wurden vom OLG weiter gekürzt, weil der Vorstand für die ersten Jahre seiner Tätigkeit vom Kuratorium bereits entlastet worden war. Damit hat sich erstmals ein Gericht zur Wirkung der Entlastung eines Stiftungsorgans geäußert und ausdrücklich Verzichtswirkung angenommen.
Bislang waren die Wirkungen einer Entlastung umstritten, wobei gute Argumente für eine Verzichtswirkung sprechen, vor allem dann, wenn nach der Satzung – sofern landesrechtlich möglich – ein Organ ausdrücklich zur Entlastung befugt ist.
Fazit
Der Fall und die Entscheidung des OLG zeigen, dass der Vorstand sich bei der Verwaltung des Stiftungsvermögens nicht dadurch von seiner Haftung freizeichnen kann, dass er diese auf professionelle Vermögensverwalter auslagert. Der Vorstand muss die Verwaltung selbst im Blick behalten und erforderlichenfalls einschreiten. Das gilt auch für Aufsichtsorgane.
Um das Risiko einer Inanspruchnahme zu reduzieren, sollten Mitglieder von Stiftungsorganen regelmäßig Entlastung beantragen. Dabei ist zu beachten, dass die Entlastung nur dann als Verzicht auf Schadensersatzansprüche wirkt, wenn die entlastende Stelle umfassend über die Tätigkeit des zu entlastenden Organs informiert worden ist, insbesondere Kenntnis von potentiell haftungsträchtigen Sachverhalten erhalten hat.
Über die Autoren:
Dr. Wolfram Theiss, Dr. Caroline Picot und Dr. Frank Schuck von der Rechtsanwaltskanzlei Noerr LLP beraten vermögende Privatpersonen und Unternehmerfamilien bei der Nachfolge zu Lebzeiten und von Todes wegen, bei der Gründung von Stiftungen, Familiengesellschaften und bei der Wohnsitzverlagerung sowie bei erbrechtlichen Auseinandersetzungen vor staatlichen oder Schiedsgerichten. Ferner beraten sie Privatbanken und Vermögensverwalter im Zusammenhang mit dem Estate Planning für deren Kunden.