Interview mit Berenberg und der Sozialkasse des Berliner Baugewerbes „Man muss nicht immer mehr Risiko gehen, um eine höhere Rendite zu generieren“

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Interview mit Berenberg und der Sozialkasse des Berliner Baugewerbes
„Man muss nicht immer mehr Risiko gehen, um eine höhere Rendite zu generieren“
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Michael Kreibich (l.) und André Zander (r.) von Berenberg mit Sebastian Koch von der Sozialkasse des Berliner Baugewerbes

Michael Kreibich (l.) und André Zander (r.) von Berenberg mit Sebastian Koch von der Sozialkasse des Berliner Baugewerbes: Die Bank aus Hamburg berät den institutionellen Investor aus der Hauptstadt seit gut zwei Jahren. Foto: Heiko Laschitzki

private banking magazin: Herr Koch, was genau ist die Aufgabe der Sozialkasse des Berliner Baugewerbes?

Sebastian Koch: Die Sozialkasse des Berliner Baugewerbes ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien. Auf der Arbeitnehmerseite die IG Bau, auf der Arbeitgeberseite die regionalen Arbeitgeberverbände. Wir führen auf Grundlage allgemeinverbindlicher Tarifverträge verschiedene Verfahren durch. Zum einen die Verwaltung der Urlaubsgelder der Arbeitnehmer im Berliner Baugewerbe und zum anderen das Berufsbildungsverfahren, darunter versteht sich eine Ausbildungsumlage und die Finanzierung der überbetrieblichen Ausbildung.

Wie hoch ist Ihre Kapitalanlage und wie ist diese reguliert?

Koch: Wir sind ein Anleger, der das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) sowie regulatorische Vorschriften auf freiwilliger Basis berücksichtigt, entsprechend der vom Vorstand verabschiedeten Anlagerichtlinie. Davor waren wir – ebenfalls freiwillig – SGB-IV-Anleger und haben im Zuge der Niedrigzinsphase beschlossen, die Anlagerichtlinie aufzumachen, um ein breiteres Anlagespektrum zuzulassen. Unser derzeit verwaltetes Vermögen liegt im dreistelligen Millionenbereich. In der Phase des Übergangs vom SGB-IV- zum VAG-Anleger bekamen wir neue Möglichkeiten und haben schnell gesehen, dass wir bei der Optimierung Unterstützung benötigen.

Deshalb die Zusammenarbeit mit Berenberg ...

Koch: Genau. Wir hatten viele Fragen. Wie sind wir aufgestellt? Wie sieht unser Portfolio aus, wie stehen wir damit am Markt und vor allem: Wie kann man das Portfolio weiter optimieren, mit welchen Instrumenten. Benötigen wir ein Risiko-Overlay? Auf diese Fragen brauchten wir Antworten, deshalb haben wir uns einen Dienstleister gesucht, der ein sehr breites Spektrum abdecken kann und bei Bedarf Manager selektieren und die aufgerufenen Marktpreise verstehen kann. Wir sehen das Ganze auch als lebenden Prozess an. Das heißt, dass wir hier keine einmalige Maßnahme umsetzen wollten, sondern eine Zusammenarbeit, bei der wir immer wieder prüfen und optimieren wollen. Begonnen haben wir damit zusammen mit Berenberg vor gut zwei Jahren.

Herr Kreibich, was war Ihr erster Gedanke, als sie erstmals einen Blick auf das Portfolio der Sozialkasse des Berliner Baugewerbes geworfen haben?

Michael Kreibich: Erst einmal sind Anleger, die nach SGB IV anlegen, relativ klar reguliert und haben dementsprechend alle die gleichen Leitplanken. Die Umorientierung auf das VAG war bereits beschlossen und auch in der Anlagerichtlinie umgesetzt. Unser erster Ansatzpunkt beim Mandanten war es daher zu klären, was die langfristigen Anlageziele sind und wie sich die Risikotoleranz quantifizieren lässt. Weitere Fragen waren unter anderem: Gibt es sonstige Restriktionen, beispielsweise in Bezug auf das Anlageuniversum, und können diese Vorgaben mit dem aktuellen Portfolio harmonisiert werden?

 

 

 

All das geschieht mit dem Ziel, das Renditepotenzial und den Diversifikationsgrad des Portfolios zu analysieren sowie vorhandene Risikofaktoren zu bestimmen, um darauf aufbauend – wenn nötig – Veränderungen vornehmen zu können. Wir nennen das den Portfolio-Health-Check. In der Praxis zeigt sich im Rahmen dieses Prozesses häufig, dass die vorab definierten Anlageziele so nicht oder nur sehr schwer erreicht werden können.

 

Zu welchem Ergebnis kamen Sie beim Portfolio der Sozialkasse des Berliner Baugewerbes?

Kreibich: Mit der damals bestehenden Allokation erschien es auf Basis unserer Analysen und der Vorgaben seitens der Sozialkasse wenig realistisch, dass die langfristigen Ziele erreicht werden können. Ganz häufig – so war es auch in diesem Fall – liegt dies jedoch nicht unbedingt an den Anlagerichtlinien. Unsere Prüfung ergab, dass diese ausreichend breit ausgelegt waren. Die gute Nachricht an Herrn Koch war damit, dass mit einer Optimierung der aktuellen Allokation die langfristigen Zielvorgaben der Sozialkasse eingehalten werden können. Im Kern ging es also um eine bessere Diversifikation. Unser Mehrwert als Consultant dabei ist es, die Schwachstellen des aktuellen Portfolios konkret zu identifizieren und bessere Alternativen aufzuzeigen.

Was meinen Sie damit konkret?

Kreibich: Entweder sind Klumpenrisiken vorhanden, die aufgelöst werden sollten, indem das vorhandene Vermögen breiter auf die bestehenden Anlageklassen gestreut wird. Oder es werden weitere Anlageklassen hinzugenommen, die im Rahmen der Anlagerichtlinie bereits erlaubt, aber bislang noch kein Bestandteil des Portfolios sind. Die Herausforderung dabei ist es, unter Berücksichtigung der Anlegervorgaben die optimale Kombination zu finden. Dies ist ein komplexer Prozess, in dem finanzmathematisch effiziente Allokationen hergeleitet werden, welche wir dann anschließend mit Herrn Koch diskutiert haben.

Koch: Für uns war es in erster Linie wichtig, dass wir die Vermögensanlage als solche nicht neu erfinden, sondern dass wir mit unserer bestehenden Anlagerichtlinie schauen, wie wir unser Portfolio optimieren können. Man muss nicht immer mehr Risiko gehen, um eine höhere Rendite zu generieren. Die Effizienzsteigerung des Portfolios bei gleichbleibendem Risiko kann ausreichen.

Gab es bei Ihnen einen Schlüsselmoment, in dem Ihnen klar wurde, dass Sie mit dem Portfolio etwas machen müssen?

Koch: Wir haben überhaupt erst mit dem Übergang zum VAG Strukturen mit einer Master-KVG geschaffen, mithilfe derer wir einen Überblick über alle unsere Asset-Klassen haben und dementsprechend auf Knopfdruck Analysen durchführen können. Vor dieser Zeit hatten wir viele Einzelanlagen, erst durch diese Verdichtung können wir das effizient analysieren lassen, was mehrere externe Anbieter für uns getan haben. Wir wollten sehen, wer mit welchen Prozessen wie analysiert.

Wenn Sie Ihre Asset Allocation vor zwei Jahren, heute und in fünf Jahren sehen, wo sehen sie die größten Veränderungen?

Koch: Wir kommen aus einer wesentlich schwächeren Diversifikation, sind heute internationaler aufgestellt. Aktuell sehen wir große Marktveränderungen, was einen Ausblick schwierig macht. Uns war und ist es wichtig, dass unsere Strategische Asset Allocation sich aus den Anlagerichtlinien und aus den Vorgaben, die wir haben, ableitet. Wir sind nicht marktgetrieben, denken langfristig.

 

 

André Zander: Wir stellen branchenübergreifend bei vielen institutionellen Anlegern fest, dass es einen großen Bedarf für eine Beratung zur Strategischen Asset Allocation gibt.  Häufig kann im Rahmen dieses Prozesses viel optimiert wer den, ohne den regulatorischen Rahmen zu verändern.

Wo sind Sie international investiert?

Koch: Wir sind stärker als in der Vergangenheit im US-amerikanischen Markt und bei europäischen Mid-Caps investiert, haben aber auch Aktien aus dem asiatischen Raum im Portfolio. Welche Märkte noch hinzukommen werden, wird sich unter anderem aus dem fortlaufenden Beratungsprozess mit Berenberg ergeben. Wenn Herr Kreibich uns aufzeigt, dass bestimmte Opportunitäten in anderen Märkten bestehen, wollen wir reagieren können. Wie bereits erwähnt, es ist ein lebender Prozess. Eine Strategische Asset Allocation soll und muss über viele Jahre gelebt werden, aber sie ist nicht etwas, das ohne Anpassungen für die Ewigkeit funktioniert.

Kreibich: Geografische Diversifikation kann häufig einen Mehrwert bringen. Aber es ist eben auch die Diversifikation im Hinblick beispielsweise auf die Marktkapitalisierung. Der Euro Stoxx 50 hat seit dem Jahr 2000 nur knapp 2 Prozent pro Jahr erwirtschaftet, bei einer Volatilität von mehr als 20 Prozent. Das ist nicht das, was ich von einer Aktienanlage erwarten sollte.

Warum ist der Index so schwach?

Kreibich: Er ist unausgeglichen strukturiert. Dementsprechend ist es wichtig, sich abseits der großkapitalisierten Large Caps umzuschauen und beispielsweise über die Hidden Champions zu diversifizieren. Der deutsche Mittelstand ist dafür ein gutes Beispiel. Abseits der Anlageklasse Aktien ist es aber mindestens genauso wichtig, alternative Risikoquellen ins Portfolio zu nehmen.

 

Welche Anlageklassen bieten sich an?

Kreibich: Es kommt insbesondere darauf an zu analysieren, wie sich vorübergehende Schwächephasen von unterschiedlichen Anlageklassen über die Kombination mit anderen Investments auf Gesamtportfolio-Ebene ausgleichen lassen. Diversifikation ist mehr als einfach nur eine Streuung des Portfolios auf eine möglichst hohe Anzahl an Anlagen, sondern vielmehr die unterschiedlichen Risiken im Blick zu haben und diese optimal miteinander zu kombinieren. Welche Anlageklassen das im Einzelfall sind, hängt sehr stark von der Ausgangssituation des Investors ab.

Wie gehen Sie dabei mit den Renditeerwartungen Ihrer Kunden um?

Kreibich: Natürlich ist der Erwartungswert neben den Risiko- und Korrelationseigenschaften einer Kapitalanlage einer der drei Input-Parameter für die Strategische Asset Allocation. Der Prozess dahinter ist für viele Mandanten aber eine Blackbox. Das Verständnis dafür, wie die Portfolio-Zusammenstellung zustande kommt, ist wichtig. Wir legen daher transparent offen, wie wir die Input-Parameter herleiten und wie diese ineinandergreifen, um schlussendlich einen klaren und verständlichen Allokationsvorschlag unterbreiten zu können.

Unternehmen müssen Daten liefern, ihre ESG-Tauglichkeit nachweisen. Mid- und vor allem Small-Cap-Unternehmen haben hier häufig Probleme ...

Koch: ESG wird selbstverständlich auch für uns immer wichtiger. Bisher haben wir aber noch keine konkreten Beschlüsse, dass wir diese Kriterien auch aktiv in unserer Anlagerichtlinie umsetzen. Wir tun dies aber zum Teil schon auf freiwilliger Basis, auch weil wir so schon im Vorfeld Risiken herausfiltern können. Eine klare ESG-Vorgabe haben wir Berenberg aber nicht gegeben. Berenberg verwaltet aber auch nicht aktiv unser Vermögen, sondern optimiert unsere SAA und schlägt uns geeignete Manager vor. Wobei wir bei diesem Prozess sehr intensiv alles durchleuchtet haben wollen, auch um unseren Gremien darstellen zu können, wie wir zu welchem Manager gekommen sind.

Aber wie schaut es denn bei kleinen und mittleren Unternehmen mit der ESG-Datenlage mittlerweile aus?

Zander: In der Tat haben viele der kleineren Firmen nicht die Ressourcen, um Daten bereitzustellen oder Fragebögen von Analysten zu beantworten. Das ist eines der Kernprobleme. An dieser Stelle durchleuchten unseren Experten auf der Aktienseite genau diese Unternehmen noch einmal ganz genau und arbeiten dabei eng mit unserem eigenständigen ESG-Office zusammen. Das ist ein wichtiger Prozess. Wir haken nach und machen eigene Analysen. Der aktive Dialog mit den Unternehmen ist dabei immens wichtig.

Kreibich: Das kann ich unterstreichen. Die Prozesse von vielen ESG-Datenanbietern sind in der Regel sehr quantitativ geprägt. Hierbei werden Fragebögen verschickt, die von den Unternehmen beantwortet werden – oder auch nicht oder nur zum Teil. Anschließend werden die Ergebnisse in Datenbanken eingepflegt und es wird daraus ein Rating ermittelt. Liefert ein Unternehmen nichts oder wenig, verliert der Prozess an Wert. Nur weil ein Fragebogen nicht ausgefüllt wird, heißt das ja nicht zwangsläufig, dass das betreffende Unternehmen nicht nachhaltig ist. Bei der Betrachtung von ESG-Ratings ist es daher entscheidend zu analysieren, auf welchen Daten die Analyse gründet.

Mit wie vielen Asset Managern haben Sie Herrn Koch zusammengebracht?

Kreibich: Aktuell reden wir auf der Aktienseite von mehreren Managern im einstelligen Bereich. Hinzu kommt das Management eines Fixed-Income-Mandats. Wir beobachten hier sehr eng, wie sich die Performance entwickelt. Bei einem Missmatch sprechen wir eine Handlungsempfehlung aus.

 

 

Koch: Wir haben für unser Gesamtvermögen eine Master-KVG-Struktur aufgesetzt, also einen großen Masterfonds, der verschiedene Segmente hat. Der Vorteil ist, dass die einzelnen Manager ihre Spezialgebiete gesondert in eigenen Bereichen verwalten. Im Aktienbereich haben wir entsprechend spezialisierte Manager. Auf der Anleiheseite, wo der Großteil unseres Vermögens investiert ist, ebenfalls. Herr Kreibich rät da zu mehr Diversifikation und hat gute Gründe. Wir werden da eventuell auch weitere Manager hinzuziehen und weiter diversifizieren, aber gerade sind wir mit unserer Struktur zufrieden.

Kreibich: Das ist ein wichtiger Punkt. Es ist nicht unser Anspruch, dass alles, was wir empfehlen, auch umgesetzt wird. Im Gegenteil – wir wollen für unsere institutionellen Mandanten ein Sparringspartner auf Augenhöhe sein, der Hinweise gibt und Handlungsalternativen aufzeigt.

Sie setzen auf Aktien und Anleihen, alternative Investments spielen keine Rolle?

Koch: Größere Investitionen in alternative Investments gibt unsere Anlagerichtline nicht her. Über die Öffnungsklausel hätten wir die Möglichkeit einer Beimischung im kleineren Prozentbereich, aber das haben wir bisher noch nicht berücksichtigt. Dafür haben wir im Anleihebereich stärker diversifiziert, als wir es in der Vergangenheit gemacht haben, und viel angepasst, beigemischt und aktualisiert.

Können Sie da konkreter werden?

Kreibich: Geografische Diversifikation ist regulatorisch oftmals kein Problem, daher haben wir uns im Anleihebereich zunächst darauf konzentriert.

Was konnten Sie Herrn Koch nach der Portfolio-Optimierung mitteilen?

Kreibich: Gut war sicherlich, dass an der Anlagenrichtlinie zunächst nichts verändert werden und die Öffnungsklausel keine Anwendung finden musste. Es besteht nicht immer eine unmittelbare Notwendigkeit, Alternatives in der Asset Allocation berücksichtigen zu müssen. Das Anlageziel der Sozialkasse kann im liquiden Bereich mit einer diversifizierten Mischung aus Anleihen und Aktien erfüllt werden, womit sich die Verantwortlichen aktuell noch am wohlsten fühlen. Mittlerweile sind die Zinsen im Fixed-Income-Bereich wieder deutlich höher, was grundsätzlich eine gute Nachricht für regulierte Anleger ist. Das gilt es in der nächsten SAA-Runde genau zu analysieren und zu schauen, welche Konsequenzen sich daraus für das Portfolio ergeben.

Über die Interviewten:

Sebastian Koch ist seit 2014 Leiter Rechnungswesen / Finanzen und stellvertretender Geschäftsführer der Sozialkasse des Berliner Baugewerbes. Zuvor hatte er verantwortungsvolle Aufgaben bei verschiedenen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.

Michael Kreibich ist seit 2009 bei Berenberg. Seit 2019 ist er als Leiter des Investment Consultings verantwortlich für die Beratung institutioneller Investoren zur Strategischen Asset Allocation.

André Zander ist Abteilungsdirektor des institutionellen Vertriebs bei Berenberg.

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