Große Unternehmervermögen zu verwalten und zu strukturieren, ist für alle Beteiligten eine anspruchsvolle Aufgabe. Dies ist insbesondere der vielschichtigen, oft sehr unterschiedlichen Vermögensziele geschuldet, die im Ganzen erfasst, priorisiert und umgesetzt werden müssen.
Um diese Lebenswerke generationsübergreifend zu erhalten und vorausschauend für die nächsten Jahrzehnte auszurichten, bedarf es einer Gesamtvermögensstrategie, die neben wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und emotionalen Kriterien ebenfalls steuerliche und rechtliche Aspekte berücksichtigt.
Ein interdisziplinärer Beratungsansatz, bei dem alle Familienmitglieder eingebunden werden, bildet somit eine Grundvoraussetzung für die optimale Gestaltung eines anspruchsvollen Gesamtvermögens. Ein praxiserprobter Fahrplan zur Entwicklung der individuellen Gesamtvermögensstrategie könnte sich wie folgt gestalten:
Stufe 1: Familienstrategie
Zu Beginn sollten sich die Vermögensinhaber Gedanken über die Werte, Prinzipien und Interessen der Familie machen.
- Was soll das Vermögen in der Zukunft bewirken – für den Inhaber selbst, für die Familie als Ganzes sowie für die Gesellschaft?
- Welche Rollen nehmen in diesem Kontext die Familienmitglieder ein und wie kann zukünftig eine effiziente Entscheidungsfindung gewährleistet werden?
- Wie häufig und in welchen Formaten soll sich die Familie zusammenfinden und ist in diesem Zusammenhang ein – gegebenenfalls extern besetzter – Beirat sinnvoll?
Die Antworten auf diese und andere Fragen bilden die Grundlage für die Family Governance, welche in einer Familiencharta dokumentiert werden sollte. Hieraus wird im nächsten Schritt die Gesamtvermögensstrategie abgeleitet.
Stufe 2: Gesamtvermögensstrategie
Das Fundament einer langfristig orientierten Gesamtvermögensstrategie legt die Strategische Asset Allokation (SAA). Ziel der SAA ist es, mittels Diversifikation über verschiedene Anlageklassen die inhaberspezifischen Vermögensanforderungen in Bezug auf Renditeerwartung, Risikotoleranz und Liquiditätsanforderungen bestmöglich in Einklang zu bringen.
Da unternehmerisch geprägte Vermögen oftmals zu einem hohen Anteil konzentriert in illiquiden Beteiligungen gebunden sind, ist eine realitätsnahe Modellierung der damit einhergehenden Chancen und Risiken elementar. Es gilt die Wechselwirkungen zwischen der unternehmerischen und der privaten Vermögensphäre zu verstehen und im Rahmen der Gesamtvermögensstrategie zu berücksichtigen. Die Dokumentation der Gesamtvermögensziele sollte im Rahmen einer Investment Policy erfolgen, welche die Basis für die Assetklassenstrategie bildet.
Stufe 3: Assetklassenstrategie
Im nächsten Schritt wird die SAA mittels einer Assetklassenstrategie verfeinert. Hierbei gilt es zunächst zu definieren, welcher Investmentstil – beispielsweise aktiv versus passiv – für welche Anlageklassen verfolgt werden soll. Weiterhin ist zu entscheiden, welcher Delegierungsgrad –Insourcing versus Outsourcing – von der Familie gewünscht wird. Im Rahmen der Investment Implementierung gilt es die passenden und erfolgversprechendsten Partner, wie beispielsweise Asset Manager, zu selektieren.
Insbesondere im Bereich der Private Markets ist hierbei der Zugriff auf ein professionelles Netzwerk essenziell. Bevor die finalisierte Assetklassenstrategie in die Umsetzungsphase übergeht, sollten umfassende Überlegungen zum Aufbau einer maßgeschneiderten Investment-Infrastruktur angestellt werden. Dies gilt sowohl für die private als auch für die unternehmerische Vermögenssphäre.
Stufe 4: Investment-Infrastruktur
Ziel der Investment-Infrastruktur ist es, die erarbeitete Anlagestrategie in steuerlicher und rechtlicher Hinsicht zu optimieren. Im Zentrum hierbei steht folgende Fragestellung: Welcher Vermögenswert wird in welche Vermögenshülle beziehungsweise Rechtsform des Vermögensträgers überführt? In diesem Kontext gilt es ebenfalls die Überlegungen hinsichtlich der privaten und unternehmerischen Nachfolgeplanung zu integrieren.
Die Motivationstreiber für eine maßgeschneiderte Investment-Infrastruktur sind so hochindividuell wie die daraus resultierenden Gestaltungsmaßnahmen. Während steuerliche Motive insbesondere die Optimierung laufender Ertragsteuerbelastungen sowie zukünftiger Schenkung- und Erbschaftsteuerbelastungen im Fokus haben, verfolgen die rechtlichen Motive primär das Ziel des effektiven Vermögensschutzes. Dies kann beispielsweise der langfristige Zusammenhalt des Familienvermögens sowie der Schutz vor staatlichem Zugriff (Asset Protection) oder ungewollter Vermögenstransparenz für die Öffentlichkeit sein.
In der Praxis stellt die Harmonisierung emotionaler, wirtschaftlicher, steuerlicher und rechtlicher Entscheidungsdimensionen ein Spannungsfeld dar. Die Optimierung aller Aspekte ist im Regelfall herausfordernd. Während bestimmte Gestaltungsformen unter anderem zu einer erheblichen Steuerersparnis führen können, sind häufig im Gegenzug Abstriche im Bereich der Vermögenstransparenz oder ein erhöhter laufender Verwaltungsaufwand die Konsequenz.
Folglich muss der Vermögensinhaber seine Entscheidungsmotive priorisieren und den für sich besten Kompromiss wählen. Ein Höchstmaß an Individualität ist hierbei der Schlüssel zum Erfolg. Im Folgenden sollen anhand eines Praxisfalls die Entscheidungsfindung und die zugrundeliegenden Motive nachvollzogen werden.
Ein bewährtes Konstrukt im Portrait – die GmbH
Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) hat sich über die vergangenen Jahre im Gestaltungskontext als bewährtes Konstrukt etabliert. Aufgrund ihrer vielseitigen Einsatzmöglichkeiten erfreut sie sich sowohl in der unternehmerischen als auch in der privaten Vermögenssphäre hoher Beliebtheit.
Die GmbH in der unternehmerischen Vermögenssphäre
Die GmbH ist für viele Unternehmer die präferierte Rechtsform für ihr operatives Geschäft. Was zu Beginn ein Wagnis mit ungewissem Ausgang war, hat sich über viele Jahre oftmals zu einem erfolgreichen Geschäftsmodell weiterentwickelt.
In der Situation, von der hier berichtet wird, stellte sich ein Unternehmer die Frage, wie im Fall des Exits die Besteuerung des Verkaufserlöses erfolgen würde. Wenn er die GmbH-Anteile im Privatvermögen gehalten hätte, wäre für die Besteuerung entweder die Kapitalertragsteuer oder das Teileinkünfteverfahren zum Tragen gekommen und es wäre mit einer Abgabenbelastung von mindestens einem Viertel zu rechnen gewesen. Da er den Großteil des Erlöses nicht für den privaten Konsum benötigte, hätte er die Steuerbelastung für den weiteren Vermögensaufbau als belastend empfunden.
Abhilfe schuf in diesem Fall eine bei Unternehmensgründung aufgesetzte Holdingstruktur. Folglich hielt der Unternehmer die Anteile an der operativen GmbH nicht in seinem Privatvermögen, sondern im Betriebsvermögen seiner Holding-GmbH. Realisierte Wertsteigerungen aus einem Anteilsverkauf an einer anderen Kapitalgesellschaft waren infolgedessen steuerlich begünstigt, so dass sich die effektive Abgabenbelastung deutlich reduzierte. So konnte der Verkaufserlös auf Ebene der Holding-GmbH steuereffizient vereinnahmt und anschließend zur Kapitalanlage genutzt werden.
Hätte der Unternehmer die Holdingstruktur erst nachträglich aufsetzen wollen, wäre Weitsicht geboten gewesen. Um GmbH-Anteile steuerneutral in eine Holding-GmbH einbringen zu können, bedarf es u.a. einer hohen Beteiligungsquote und es kann zu berücksichtigende Sperrfristen geben. Alternativ hätte auf andere Gestaltungsformen zurückgegriffen werden können, beispielsweise auf die Struktur einer unternehmensverbundenen Familienstiftung.
Insbesondere im Kontext potenzieller Auslandsbezüge kann eine privatnützige Stiftung als Holding vorteilhaft sein. Hätte der Unternehmer beispielsweise eine Verlagerung des persönlichen Wohnsitzes ins Ausland in Erwägung gezogen, hätten die Regelungen des deutschen Außensteuergesetzes berücksichtigt werden müssen. Denn verlegt ein Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt dauerhaft von Deutschland ins Ausland, stünde dies steuerlich ggf. einem Anteilsverkauf zum gemeinen Wert gleich. De facto kann durch die Aufgabe der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland ein fiktiver Verkaufsvorgang ausgelöst werden.
Wie ging es weiter – die GmbH als Investmentvehikel in der privaten Vermögenssphäre
In der privaten Vermögenssphäre ist das Investmentvehikel der vermögensverwaltenden GmbH auch als „Spardosen GmbH“ bekannt. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass bestimmte Formen der Kapitalanlage von attraktiven Steuerregelungen profitieren, deren Steuervorteile jedoch tendenziell erst bei längeren Thesaurierungszeiträumen gegenüber einer vergleichbaren Anlage im Privatvermögen spürbar werden.
Wie im Abschnitt „Die GmbH in der unternehmerischen Vermögenssphäre“ bereits erwähnt, ging der Gesellschafter davon aus, dass realisierte Wertsteigerungen aus Anteilsverkäufen an anderen Kapitalgesellschaften im Ergebnis steuerlich begünstigt werden würden. Der Plan war in der Folge, Investitionen in Aktien zu tätigen, deren zu erwartende Rendite primär aus Kursgewinnen gespeist werden sollte. Denn Dividenden wären relativ höher zu versteuern gewesen – sogar höher, als Erträge aus Fondsstrukturen.
Neben Aktien ist auch Private Equity eine Anlageklasse, bei der die vermögensverwaltende GmbH als Vermögenshülle Vorteile mit sich bringen kann. Dies liegt insbesondere an der per se langfristigen Kapitalbindung von Private Equity Fonds sowie der am Exit orientierten Investitionsstrategie.
Aufmerksamkeit ist jedoch bei der Fondsstruktur geboten. Während die etablierten Investitionsprogramme in der Regel als steuerlich transparente Personengesellschaften aufgesetzt sind, gibt es auch Konstruktionen, bei denen der Investor beispielsweise depotfähiges Wertpapiervermögen in Form eines Zertifikates erwirbt, welches steuerlich abweichend qualifiziert werden kann und somit ggf. zu einer erhöhten Steuerbelastung führt.
Auch für die vom Unternehmer geplanten Immobilieninvestitionen kann das Vehikel attraktiv sein. Während Miteinkünfte im Privatvermögen mit seinem persönlichen Einkommensteuersatz belastet werden würden, unterliegt die GmbH ggf. nur der Körperschaftsteuer. Verkaufserlöse sind im Gegenzug – unabhängig von der Haltedauer – immer steuerpflichtig.
Unter Berücksichtigung aller Aspekte kam der Unternehmer zu der Erkenntnis, dass das Investitionsvehikel der vermögensverwaltenden GmbH nicht pauschal besser als das Privatvermögen zu seien scheint. Vielmehr gelte es zu differenzieren, welche Art von Investitionen er zu tätigen plant. Neben den ertragsteuerlichen Aspekten habe er schließlich auch die laufenden Publikations- und Transparenzpflichten zu berücksichtigen.
Fazit
Für die Entwicklung einer individuellen Gesamtvermögensstrategie hat sich in der Praxis ein systematischer Gestaltungsprozess bewährt, welcher – ausgehend von der Familienstrategie – schrittweise in die verschiedenen Vermögensebenen eintaucht. Das wirtschaftliche Fundament bildet hierbei die Strategische Asset Allokation (SAA), die die individuellen Anlegerziele mit einer robusten und langfristig ausgerichteten Anlagestrategie harmonisiert.
Eine individuell konzipierte und optimal auf die Ausgangslage abgestimmte Investment-Infrastruktur kann im Anschluss zu einer maßgeblichen Verbesserung des Zielerreichungsgrades beitragen. Der Prozess ist jedoch hochkomplex und bedarf daher eines interdisziplinären Beratungsansatzes, in dem Vermögensinhaber, Steuerberater, Rechtsanwälte und Bankpartner Hand in Hand zusammenarbeiten. Professionell angewendet können im Ergebnis laufende und zukünftige Steuerbelastungen verringert und der Vermögensschutz erhöht werden.
Über die Autoren:
Michael Kreibich ist seit 2009 bei Berenberg. Seit 2019 ist er als Leiter des Investment Consultings verantwortlich für die Anlagestrategieberatung aller Anlegergruppen des Bankhauses.
Florian Bode ist seit Februar 2024 als Beratern (Investment Consultant) bei Berenberg. Weitere Karrierestationen waren unter anderem bei der Bethmann Bank und beim Tonn Family Office.