Bilanz-Check Berenberg mit solidem Geschäftsjahr – herausragende Eigenkapitalquote

Stefanie Hehn und Gösta Jamin: Die Bilanz-Analysten des private banking magazins nehmen die Geschäftsergebnisse vom Berenberg  unter die Lupe.

Stefanie Hehn und Gösta Jamin: Die Bilanz-Analysten des private banking magazins nehmen die Geschäftsergebnisse vom Berenberg unter die Lupe. Foto: Stefanie Hehn/Gösta Jamin

Die Hamburger Privatbank, zweitälteste Bank der Welt und zugleich älteste Bank Deutschlands, hat im abgelaufenen Geschäftsjahr 2023 nach einem eher moderaten Geschäftsjahr 2022 eine Stabilisierung des Jahresüberschusses erreicht. Berenberg konnte trotz eines herausfordernden Marktumfelds seinen Jahresüberschuss stabil bei 55,4 Millionen Euro halten – ohne Sondereffekte – und eine beeindruckende Eigenkapitalrendite von 29,3 Prozent erzielen, weit über dem Branchendurchschnitt.

Durch ihr diversifiziertes Geschäftsmodell und strategische Investitionen, insbesondere im britischen Investment Banking und am Standort München, hat die Privatbank ihre Marktposition weiter gestärkt und zukünftige Wachstumschancen geschaffen. Zudem wurde die Zahl der Mitarbeiter und der Umfang des operativen Geschäfts an wichtigen Standorten, wie in München und London, erheblich erweitert, um die Kundenbetreuung weiter zu optimieren. Die Bank bleibt somit auch in volatilen Zeiten gut aufgestellt und verfolgt eine langfristig orientierte Wachstumsstrategie.  

Schlechte Cost-Income-Ratio, gute Eigenkapitalrendite

Das respektable Ergebnis der operativen Geschäftstätigkeit verdankt die norddeutsche Privatbank vorwiegend ihrer weiterhin konsequenten strategischen Fokussierung auf rentable Kerngeschäftsfelder und der breiten Diversifizierung. Während das Bruttoergebnis mit 486,7 Millionen Euro nur circa 2 Prozent unter dem Vorjahresergebnis von 495,9 Millionen Euro ausfällt, muss Institut erneut bei der wichtigen Effizienzkennzahl, der Cost-Income-Ratio, eine weitere Verschlechterung hinnehmen – mit 80,7 Prozent des Aufwands-Ertragsverhältnisses in 2023 sind dies erneut knapp 2 Prozentpunkte schlechter als der 2022er Wert von 79,0.

Der 3-Jahresvergleich verdeutlicht den drastischen Einbruch noch mehr – die Cost-Income-Ratio des Instituts erreichte im Geschäftsjahr 2021 noch einen Wert von  65,8 Prozent.  Während der Effizienzindikator auffällig schlechter geworden ist und dies als ein Ausdruck von Effizienzverlusten gewertet werden muss, ist positiv anzumerken, dass in puncto Eigenkapitalrendite Berenberg wieder mit respektablen 29,3 Prozent auf einem überdurchschnittlichen Branchenniveau bei gesunkener Bilanzsumme (aktuell 6.664 Millionen Euro) glänzt.

 

Während also in 2023 nur ein leichter Rückgang des Bruttoergebnisses bei nahezu stabilem Jahresüberschuss hingenommen werden musste, gibt der Blick auf die finanzwirtschaftlichen Leistungsindikatoren ein gemischtes Bild. Erwähnenswert ist dabei ferner, dass das solide Geschäftsergebnis erneut ohne nennenswerte Sondereffekte erreicht werden konnte und einzig auf operative Werttreiber zurückzuführen ist.

Operative Erträge in mehreren Bereichen zurückgegangen

Die Analyse der Ertragslage ergibt folgendes Bild: Haupttreiber der operativen Erträge Berenbergs war in 2023 nicht mehr der Provisionsüberschuss, aufgrund der nach eigenen Angaben zurückhaltenden Engagements der Akteure an den Finanz- und Kapitalmärkten.  Der Provisionsüberschuss, der aus den traditionell starken dienstleistungsorientierten Geschäftsfeldern Berenbergs, vor allem der Verwaltung und Vermittlung im Wertpapiergeschäft und komplexen Beratungsdienstleistungen für Firmenkunden stammt, verringerte sich in 2023 von 359,9 Millionen Euro auf nunmehr 289,0 Millionen Euro, was einem Rückgang von knapp 20 Prozent entspricht.

Dies war hauptsächlich auf reduzierte Geschäftsabschlüsse im anspruchsvollen Umfeld des Wertpapier- und ECM-Geschäfts sowie auf geringere Performance-Fee-Einnahmen aus dem Asset- und Wealth Management zurückzuführen. Auffällig ist, dass die Provisionen aus dem kundeninduzierten Wertpapiergeschäft, die einen wesentlichen Anteil am Gesamtprovisionsüberschuss ausmachen, einen Anstieg von knapp 23 Prozent auf nun 287,0 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr verzeichnen konnten.

Demgegenüber brachen die vereinnahmten Provisionen in 2023 aus der Fondsbetreuung auf nur noch 67,0 Millionen Euro ein, was einem Rückgang im Vergleich zum Vorjahr (2022: 119,9 Millionen Euro) von mehr als 44 Prozent entspricht. Die Provisionserträge aus dem Kreditgeschäft beliefen sich auf 33,0 Millionen Euro (im Vorjahr 44,1 Millionen Euro), die aufgrund des veränderten Marktzinsniveaus hinter dem Vorjahresniveau und den eigenen Erwartungen zurückblieben.

Ertragsmix zahlt sich beim Zinsüberschuss aus

Wie man sieht, zahlte sich der gute Ertragsmix und das breit diversifizierte Geschäftsmodell Berenbergs aus. Denn summa summarum belief sich der Zinsüberschuss inklusive laufender Erträge aus Aktien und anderer nicht verzinslicher Wertpapiere in 2023 auf insgesamt 166,7 Millionen Euro.

Diese erhebliche Steigerung der Zinserträge auf das circa 1,6-fache des Vorjahreswertes von 99,5 Millionen Euro verdankt das Institut besonders den gestiegenen Zinserträgen im Firmenkundengeschäft und überkompensiert damit die negativen Effekte im gesamten Corporate Banking. Entsprechend konnte das Bankhaus im Jahr 2023 mit den Zinserträgen aus Kredit- und Geldmarktgeschäften in Summe  250,5 Millionen Euro verdienen, was einer signifikanten Steigerung auf fast das 2,4-fache gegenüber dem Vorjahreswert (105,3 Millionen Euro) gleichkommt.

Durch den Zinsanstieg und die verminderten Provisionserträge betrug das Verhältnis von Provisions- zu Zinsüberschuss (ohne Erträge aus Beteiligungen oder verbundenen Unternehmen) im Berichtsjahr 37 zu 63. verglichen mit dem Vorjahres-Verhältnis von 22 zu 78. Die höheren Zinsüberschüsse können als Glücksfall angesehen werden, mit denen die rückläufigen Provisionsüberschüsse ausgeglichen werden konnten. Das Geschäftsmodell von Berenberg ist jedoch mit dem dienstleistungsorientierten Provisionsgeschäft in den Geschäftsfeldern Corporate Banking und Wealth Management klar auf die Generierung von Provisionsüberschüssen ausgerichtet, sodass man sich nicht dauerhaft auf solche günstigen Umstände verlassen kann.

Berenberg muss künftig Effizienz steigern

Auch die Finanz- und Vermögenslage unterstreicht das solide Bild. Sämtliche Kenngrößen wie die ausgewiesenen Eigenmittel (343,3 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahreswert von 341,6 Millionen Euro), die darin enthaltene (harte) Kernkapitalquote oder die Gesamtkapitalquote gemäß CRR und SolvV übererfüllen deutlich die aufsichtsrechtlichen Anforderungen und untermauern die vorsichtige und konservative Unternehmensführung der Privatbank.

Alle Kennziffern liegen etwa auf dem Vorjahresniveau und besonders die Kapitalausstattung gibt Spielraum für weiteres Wachstum der norddeutschen Privatbank. Die Liquidity Coverage Ratio, die regulatorisch das kurzfristige Liquiditätsrisiko abschätzt, sowie die strukturell orientierte Net Stable Funding Ratio, die besonders aufgrund der Turbulenzen im Bankenmarkt stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist, fallen dabei im Berichtsjahr ebenfalls deutlich besser aus als es die Vorgaben verlangen und konnte in 2023 sogar noch gesteigert werden auf 2,5 per Jahresende (zum Vorjahreszeitpunkt 2,2).

 

Die Bilanzsumme ist dabei von 2022 auf 2023 im Gegensatz zur Entwicklung in dem Vorjahr deutlich um 1,1 Milliarden Euro geschrumpft auf nun 6,7 Milliarden Euro. Dies ist auf sinkende Bestände in den täglich fälligen Kundenverbindlichkeiten, die gemäß des Geschäftsmodells nicht aktiv eingeworben werden, sondern als Cross-Selling im operativen Geschäft (Geschäftsfelder Wealth Management wie auch Asset Management oder Shipping) anfallen. Demgegenüber erhöhten sich im Berichtsjahr die Bankenforderungen deutlich.

Die Zukunftsfähigkeit der Bank hängt entscheidend von der Digitalisierung ihrer Geschäftsprozesse, der Effizienzsteigerung und der strategischen Ausrichtung an den mittel- und langfristigen Entwicklungen der Kapitalmärkte ab. Wichtige Megatrends wie Klimawandel und Nachhaltigkeit spielen dabei eine zentrale Rolle. Um dem technologischen Fortschritt und den ESG-Trends gerecht zu werden, plant die Bank, neue Geschäftsfelder zu erschließen. Gleichzeitig rechnet sie mit einem zunehmenden Konsolidierungsdruck in der Branche und steigenden regulatorischen Anforderungen infolge der Bankenkrise.


Über die Autoren:

Stefanie Hehn ist Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für
Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen und ist auf Corporate Finance und Kapitalmarkttheorie spezialisiert. Bis 2018 war sie für die Deutsche Bank tätig.

Gösta Jamin lehrt an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen als Professor für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre. Zudem begleitet er als Berater Banken und Finanz-
dienstleister bei der digitalen Transformation.

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