Belastungsprobe für die Organisation Das Corona-Virus als Stresstest für Family Offices

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Organisation von Entscheidungen

In der Praxis herrschen bei Familienvermögen sehr unterschiedliche Governance-Strukturen vor, die zu individuellem Koordinierungsaufwand führen. Es ist nicht selten, dass Familien für die Steuerung des Vermögens Beiräte oder Anlageausschüsse implementiert haben, die sich aus Familienmitgliedern und externen Experten zusammensetzen. Ein Family Office hat hier eine wichtige Koordinierungsrolle diese Gremien einerseits schnell zusammen zu bringen und andererseits aber im Vorfeld mit den notwendigen Informationen für mögliche Entscheidungen zu versorgen.

Dabei sollte aber ein Family Office bereits im Vorfeld immer darauf geachtet haben, dass die Governance-Strukturen auch in einer außergewöhnlichen Situation belastbar sind und entsprechende Notfallpläne existieren.

Eingriffe in bestehende Strategien und Mandate

In diesen außergewöhnlichen Zeiten sollte gerade eine robuste strategische Asset Allokation vor Fehlern schützen. Fehler werden oft in Unkenntnis möglicher Stressszenarien gemacht, die dann zu emotionalen Entscheidungen führt am tiefsten Punkt einer Korrektur die Verluste dauerhaft zu realisieren. Natürlich muss auch eine robuste strategische Asset Allokation im Stresszeitpunkt kurzfristig überprüft und hinterfragt werden.

Aber auch passive Investmentstrukturen müssen hinterfragt werden. So können nach heftigen Marktbewegungen die Allokationsgewichte sehr stark vom strategischen Ziel abweichen und eine aktive Reallokation steht zur Entscheidung an. So haben beispielsweise die Aktienmärkte in der aktuellen Korrektur rund 30 Prozent (oder mehr) an Wert verloren und Staatsanleihen (zum Beispiel US-Treasuries) bis zu 5 Prozent gewonnen. Eine ursprüngliche gleichgewichtete Allokation von 50 Prozent Aktien zu 50 Prozent Anleihen mittels ETFs führt nach einem Quartal zu einer neuen Allokation von 38 Prozent zu 62 Prozent auf dem reduzierten Anlagevermögen. Hier stellt sich die Frage, ob im Vorfeld vereinbarte Reallokationsregeln ausgesetzt oder konsequent umgesetzt werden.

Auch die permanente Überprüfung bereits getätigter Absicherungsstrategien zählt zu einer wichtigen Aufgabe. Durch die heftigen Preisbewegungen sind gerade Optionsstrategien zu überprüfen, da nicht nur außergewöhnliche Volatilitäten gegebenenfalls eine Neuausrichtung der Absicherung notwendig macht.

Vorbereitung neuer Investitionen

Jede Krise erzeugt gerade bei panikartigem Verlauf attraktive Investitionschancen für langfristig ausgerichtete Anleger. So ist es für ein Family Office nicht nur eine Aufgabe sich um den bereits investierten Bestand zu kümmern, sondern auch Investitionsstrategien für zur Anlage stehende Mittel auszuarbeiten und umsetzungsreif zu machen.

Aktuell werden zum Beispiel von Anlegern mit hohem Cash-Vermögen bevorzugt Aktien mit „krisenfesten“ Charakter angesehen. So werden mittels SWOT-Analysen Unternehmen identifiziert, die sich nach stark ausgeprägten Rezessionsphasen als robust und erfolgreich erweisen und mit ihrer Substanzstärke zu den Gewinnern des nächsten Aufschwungzykluses zählen werden. Gegebenenfalls können mit Optionsstrategien Erwerbsvorbereitungsgeschäft optimiert werden und dabei historisch hohe Prämien genutzt werden.

Natürlich stellt sich eine derartiger Stresstest auch ein sehr interessanten Messpunkt für alle eingesetzten Vermögensverwalter. Wie ist deren Krisenmanagement und Krisenkommunikation? Oft ist es sehr schwierig in steigenden Märkten eine Benchmark zu schlagen, schaffen Vermögensverwalter dann in fallenden Märkten aber Mehrwert? Wenn es Anhaltspunkte gibt Manager auszutauschen, müssen Auswahlprozesse vorbereitet werden.