Urteile veröffentlicht BFH bestätigt restriktives Anwenden der Unternehmenserbschaftsteuer

Dr. Iring Christopeit, Fachanwalt für Erbrecht und Steuerrecht: Der Sozius im Family Office der Kanzlei Peters, Schönberger & Partner (PSP) kommentiert die jüngsten BFH-Urteile zum Unternehmenserbschaftsteuerrecht.

Dr. Iring Christopeit, Fachanwalt für Erbrecht und Steuerrecht: Der Sozius im Family Office der Kanzlei Peters, Schönberger & Partner (PSP) kommentiert die jüngsten BFH-Urteile zum Unternehmenserbschaftsteuerrecht. Foto: Peters, Schönberger & Partner

Mit der Veröffentlichung der Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) zum „jungen Verwaltungsvermögen“ und zum „Entlastungsbetrag“ bestätigt sich leider, was im Januar 2020 bereits abzusehen war: Betriebsvermögen kann auch ohne Missbrauchsabsicht begünstigungsschädliches „junges Verwaltungsvermögen“ sein und unterliegt so ohne steuerliche Verschonung voll der Erbschaft- oder Schenkungsteuer.

Aktuelle Rechtsprechung

Aus fünf Urteilen des BFH vom 22. Januar 2020 (Aktenzeichen: II R 8/18, II R 13/18, II R 18/18, II R 21/18 und II R 41/18) ergibt sich, wie es in der Pressemitteilung vom 13. August 2020 heißt: Hat ein Betrieb binnen zweier Jahre vor einem Erbfall oder einer Schenkung Verwaltungsvermögen aus Eigenmitteln erworben oder umgeschichtet, fällt insoweit die erbschaft- und schenkungsteuerrechtliche Begünstigung des Betriebsvermögens fort. Es bestätigt sich das, was sich bereits in der mündlichen Verhandlung abzeichnete.

Die Urteile vom 22. Januar 2020, veröffentlicht am 13. August 2020, im Überblick

Die Kläger waren der Auffassung, dass der Begünstigungsausschluss nicht für solche Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens gilt, die ohne erkennbare Missbrauchsabsicht innerhalb der Zwei-Jahres-Frist aus anderweit liquiden Mitteln des Betriebs oder sogar im Rahmen einer reinen Umschichtung gleichartiger Wirtschaftsgüter angeschafft worden waren. Die jeweils von den Klägern angerufenen Finanzgerichte teilten deren Auffassung nicht und wiesen die Klagen ab.

Der BFH bestätigte, wie zu erwarten war und wie sich aus der zitierten Pressemitteilung ergibt, die Urteile der Finanzgerichte. Er hat ebenfalls im Hinblick auf die gesetzliche Typisierung eine Missbrauchsprüfung im Einzelfall nicht zugelassen. Maßgebend ist deshalb allein, ob das einzelne Wirtschaftsgut des Verwaltungsvermögens, so auch das einzelne Wertpapier, tatsächlich innerhalb der Frist dem Betriebsvermögen zugeführt wurde. Es kommt nicht darauf an, ob dies ein Einlage- oder Anschaffungsvorgang war, wie die Anschaffung finanziert wurde und welche Zielsetzung dem Vorgang zugrunde lag. Ausschlaggebend sei allein die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes, der sich ganz vorrangig aus dem Wortlaut der Norm ergebe.

Die Urteile vom 22. Januar 2020, veröffentlicht am 13. August 2020, in Einzelheiten

Wie sich bereits aus der Auswertung der mündlichen Verhandlungen ergab, war maßgeblich für die Entscheidung des BFH, wie die Worte „Verwaltungsvermögen“ und „zuzurechnen“ auszulegen sind. Es ging also zum einen darum, ob der Begriff „Verwaltungsvermögen“ einzelne Vermögensgegenstände anspricht. Dies ist für die Sicht der Finanzverwaltung vorteilhaft. Wäre damit hingegen die Summe der Vermögensgegenstände gemeint, wäre dies für den Steuerpflichtigen von Vorteil. Denn dann wären alle Fälle unproblematisch, die die Summe der Vermögensgegenstände des Verwaltungsvermögens unverändert lässt.

Zum anderen ging es darum, ob sich das Wort „zuzurechnen“ allein auf Fälle bezieht, in welchen Vermögensgegenstände neu („von außen“) zugeführt werden, oder ob darunter auch unternehmensinterne Vorgänge zu fassen sind. Hinweise auf die korrekte Auslegung bieten der Wortlaut selbst, Sinn und Zweck der Norm, Entstehungshistorie, Gesetzesbegründung und die systematische Stellung innerhalb der Norm.

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Den Urteilen ist nun zu entnehmen:

  • Der Begriff „Verwaltungsvermögen“ zielt auf die einzelnen Vermögensgegenstände. Eine Summenbetrachtung ist nicht anzustellen. Ausschlaggebend erscheint hier die Stellung der Norm im Gesetz und die weitere Verwendung des Begriffs im Rahmen des Normenkomplexes. An mehreren Stellen des ErbStG wird sichtbar, dass Verwaltungsvermögen einzelne Vermögensgegenstände anspricht.
  • Der Begriff „zuzurechnen“ erfasst nicht nur Fälle von Einlagen, also von Zuführungen von außen. Auch wenn der Wortlaut selbst „neutral“ sei, ergebe sich diese Auslegung aus dem eindeutigen gesetzgeberischen Willen. Denn trotz mehrerer Vorstöße des Bundesrates im Gesetzgebungsfahren hatte die Bundesregierung ausdrücklich daran festgehalten, den Wortlaut nicht auf Einlagefälle zu beschränken. Mit anderen Worten: Der Gesetzgeber wollte explizit die Erfassung von Fällen des Aktivtausches und der Umschichtungen. Der Senat sieht sich wohl außer Stande, von dieser klaren Entscheidung des Gesetzgebers abzurücken.
  • Dem Argument, es handele sich nicht um missbräuchliche Gestaltungen, weil die Verwaltungsvermögensquote unverändert bleibe, folgte der Senat nicht. Das Argument der Finanzverwaltung, es handele sich bei den Paragrafen 13a, 13b ErbStG um „abstrakte Missbrauchsvermeidungsnormen“, für die keine konkrete Missbrauchshandlung erforderlich sei, war wohl überzeugender.
  • Die Verschmelzung ist doch kein Sonderfall: In der mündlichen Verhandlung zum Fall der Verschmelzung war noch eine für den Steuerpflichtigen positive Haltung des Senats festzustellen. Leider hat sich diese nicht manifestiert. Der BFH urteilt nun: Auf die Herkunft des Vermögensgegenstandes oder der zu seiner Finanzierung verwendeten Mittel kommt es nicht an.

Gehen innerhalb der Zweijahresfrist durch eine Aufwärtsverschmelzung Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens von der verschmolzenen auf die aufnehmende Gesellschaft über, handelt es sich bei diesen Wirtschaftsgütern um junges Verwaltungsvermögen.

Fazit

Die Zusammenfassung der Urteile des 2. Senats des BFH bestätigt die restriktive Auslegung der Befreiungsvorschriften der Paragrafen 13a, 13b ErbStG.

Auch Gedanken der Einzelfallgerechtigkeit, gerade in Fällen ohne Missbrauchsabsicht, und Gedanken der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes im Ganzen spielen keine Rolle bei den Erwägungen des Senats. Dass die Frage der Verfassungswidrigkeit keinen Eingang in das Urteil fand, mag dem Umstand geschuldet sein, dass die Vertreter der Kläger diesen Aspekt wenigstens in den mündlichen Verhandlungen nicht thematisiert haben