private banking magazin: Wir sprechen im Rahmen des Virtual Talk auf dem Healthcare Hub des private banking magazins. Herr Blum, der Gesundheitssektor gilt als wenig konjunkturanfällig und eignet sich deshalb als defensives Investment. Bitte umreißen Sie doch ganz kurz, warum das so ist.
Stefan Blum: Die meisten medizinischen Behandlungen sind entweder akut oder chronisch bedingt. Wenn Sie zum Beispiel einen Beinbruch haben, müssen Sie sofort – akut – behandelt werden. Oder Sie sind Diabetiker und müssen regelmäßig Insulin aufnehmen, Blutzucker messen und so weiter, dann handelt es sich um eine chronische Erkrankung. Für uns ist besonders interessant, dass sich der Gesundheitsmarkt weitgehend unabhängig von der Konjunktur entwickelt.
Sie investieren in Medizintechnik-Anbieter und Gesundheitsdienstleister. Konkret gefragt: Welche wesentlichen Themen verbergen sich hinter Ihren Investitionen?
Blum: Generell investieren wir im gesamten Gesundheitsbereich. Außer in Medikamente – die lassen wir weg. Folglich haben also Pharma- und Biotech-Unternehmen keinen Platz in unserem Portfolio. Sie können sich das Portfolio daher so vorstellen: Alles, was beim Arzt oder im Krankenhaus an medizinisch-technischer Ausrüstung zum Einsatz kommt, ist für unsere Kapitalanlage zunächst von Interesse. Das kann ein Röntgengerät, bildgebende Diagnostik oder auch die komplette Ausstattung des Operationssaals sein. Hinzu kommen Implantat-Hersteller.
ChatGPT wird derzeit stark gehypt. Welche Rolle könnte künstliche Intelligenz zukünftig im Gesundheitswesen spielen?
Blum: Vieles wird möglich in der Zukunft. Doch normalerweise dauert es sehr lange im Gesundheitswesen, bis Ideen tatsächlich zum Einsatz kommen können. Eine Chance hat nur die beste Lösung, die möglichst uneingeschränkt funktioniert. Jetzt drängt die Digitalisierung in das Gesundheitswesen, aber im Vergleich zu anderen Industrien kommt das etwa 15 Jahre später. Das Ziel ist klar: Es gilt, effizienter zu werden, um bessere Behandlungsergebnisse bei geringeren Kosten zu erreichen. Die Digitalisierung ist dabei ein wichtiger Treiber. Und KI als Weiterentwicklung der Digitalisierung kann dabei helfen, Zeit zu sparen. Zum Beispiel in Praxen: Der Arzt muss nach den Beratungsgesprächen mit den Patienten nicht mehr von Hand Texte schreiben. Die KI hat alles vorbereitet, nur ein abschließender prüfender Blick ist noch nötig. Kurz, vieles wird möglich, aber im Gesundheitswesen dauert meistens alles ein bisschen länger, weil es eben um Menschenleben geht.
Wir sind zwar mitten in der Digitalisierung, aber künstliche Intelligenz bleibt vorerst wohl noch ein Zukunftsthema. Was sind denn Ihrer Ansicht nach die wichtigsten Trends derzeit im Bereich MedTech und Services?
Blum: Wir haben drei Schwerpunkte: Erstens Diabetes, zweitens strukturelle Herzerkrankungen, also Erkrankungen des Herzmuskels oder der Herzklappen. Drittens setzen wir auf Operationsrobotik. Diabetes und Operationsrobotik profitieren klar vom Digitalisierungstrend – vor allem die chronischen Krankheiten wie Diabetes. Hier ist es wichtig, dass die Patienten kontinuierlich eingebunden sind im System und nicht nur zweimal im Jahr den Arzt aufsuchen. Für die Behandlung der strukturellen Herzerkrankungen stehen vor allem minimalinvasive Anwendungen und technische Innovationen zur Verfügung. Alle diese Bereiche haben angesichts der alternden Weltbevölkerung ein riesiges Potenzial. Nehmen wir die Operationsrobotik als Beispiel: Der Marktführer Intuitive Surgical ist seit über 20 Jahren im Markt, aber die Durchdringung liegt erst bei 20 Prozent.
Wie setzen Sie diese Trends und Themen in Ihrem Fond um? Was müssen Unternehmen erfüllen, damit Sie die Chance auf einen Platz im Portfolio haben?
Blum: Wir haben einen Stakeholder-Ansatz, dazu gehört nicht zuletzt der Patient. Das Patientenwohl steht an erster Stelle, aber alle anderen Stakeholder müssen mitspielen. Als erstes die Versicherung: Man muss eine gute Kostenrückerstattung bekommen für ein Gerät, ein Implantat, eine Behandlung. Die Ärzte und Ärztinnen müssen mitziehen: Medizinische Anwendungen müssen effizient sein und die Arbeit erleichtern. Sie sollten damit zugleich auch mehr verdienen als mit einem anderen Produkt. Krankenhäuser müssen ebenfalls Geld hereinholen. Und übergeordnet reden natürlich auch die Regulierer ein Wörtchen mit. Haben alle diese Stakeholder eine positive Einstellung zu einer neuen Anwendung, sehen wir gute Investitionschancen.
Sieht man sich die Zusammensetzung Ihres Portfolios an, liegen die Investitionschancen derzeit vor allem in den USA: Über 90 Prozent der Titel kommen aus den Vereinigten Staaten. Warum sind andere Regionen so stark unterrepräsentiert?
Blum: Das hängt mit den Marktkräften zusammen. Die 90 Prozent hängen letztlich auch mit der Kotierung der Firmen zusammen. Das heißt: Jede große Gesundheitsfirma ist in den USA börsennotiert. Außerdem gilt: Sobald eine tolle Innovation irgendwo auf der Welt entwickelt wird, ist es nicht selten, dass große US-Firmen diese dann aufkaufen. In den vergangenen Jahren haben wir sehr viele Akquisitionen gesehen; etwa in der Schweiz, in Deutschland und auch in Frankreich.
Lassen Sie uns ein wenig vorausschauen. Was sind derzeit die größten Risiken für Ihre Branche?
Blum: Also wir hatten eigentlich lange Zeit keine Krisen, die uns irgendwas anhaben konnten. Die Finanzkrise nicht, auch die Dotcom-Blase noch viel früher nicht. Die Euro-Krise tangierte uns ebenfalls nicht. Erst die Pandemie war zum ersten Mal ein wirklich negativer Faktor. Corona-Patienten vereinnahmten die Ressourcen der Krankenhäuser und normale Behandlungen wurden zurückgestellt. Viele Risiken lassen sich meiner Erfahrung nach mit geschickter Anlage wegdiversifizieren. Um das Zinsrisiko zu umgehen, kann man in gut finanzierte Unternehmen investieren, die heute schon Gewinne machen und nicht erst in weiter Zukunft. Die reagieren weniger auf Zinsanstiege. Wir setzen daher entschieden auf Qualität.
Wo sehen Sie große Chancen?
Blum: Die jüngsten Quartalsergebnisse einiger großer Unternehmen wie Abbott Laboratories und Intuitive Surgical sind sehr ermutigend: Das Behandlungsvolumen geht rapide nach oben und es kommt schönes Wachstum in den Markt. Auch die Rückmeldungen von medizinischen Fachkongressen sind positiv. Wir erwarten: Bei Gesundheitsaktien werden