Irrationales Anlegerverhalten, Teil 4 Mentale Buchführung und ihre Folgen für die Asset Allocation

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Das beschriebene Beispiel macht zudem deutlich, dass es innerhalb des Mental Accountings neben der isolierten Betrachtung auch zu einer zusammengefassten Betrachtung kommen kann. Im Theaterbeispiel in Form des „Ausgehkontos“. Es kommt zur Trennung (Segregation) oder zur Zusammenfassung (Integration) von Konsequenzen und Optionen innerhalb des Problembereichs der mentalen Buchführung.

Auch bei der Beurteilung von Gewinnen und Verlusten kann es zu Integration und Segregation kommen. Studien belegen, dass neu erzielte Gewinne in der Regel segregiert und auf unterschiedlichen Konten verbucht werden. Bei Verlusten verhält sich dies allerdings anders: Wenn neue Verluste auf bereits bestehende treffen, so werden sie jeweils segregiert betrachtet und auf separaten Konten mental verwaltet. Wurden allerdings zuvor Gewinne erzielt, so werden die neuen Verluste, sofern diese die früheren Gewinne nicht übersteigen, jedoch integriert betrachtet und mit den Gewinnen verrechnet.

In einer Gewinnsituation werden die neuen Verluste letztlich nicht als Verluste betrachtet, sondern lediglich als ein Ereignis, das die bereits erzielten vorhergehenden Gewinne verringert. Dieser Vorgang führt zu risikosuchendem Verhalten der Entscheidungsträger im Gewinnbereich, da dort die Verluste nicht als Verluste interpretiert werden. Es kommt zum sogenannten House-Money-Effekt.

Auch beim Verkaufsverhalten von Finanzmarktteilnehmern konnte gezeigt werden, dass es zu einem Integrations- und Segregationsprozess kommt. Lim zeigt, dass in der Verlustzone befindliche Anlagen in der Regel häufig am selben Tag verkauft werden. Es erfolgt eine Integration aller Verlustpositionen. Im Gegensatz hierzu werden Anlagen, die sich in der Gewinnzone befinden, meistens an unterschiedlichen Tagen verkauft, wodurch es zu einer Segregation kommt.

Das menschliche Bestreben nach Verringern kognitiver Dissonanz – siehe Teil 1 dieser Artikelserie – kann als einer der Hauptgründe gesehen werden, weshalb es in gewissen Momenten zur Integration von Verlusten oder zur Segregation von Gewinnen kommen kann. Verluste oder Verlustpositionen in Bezug auf Wertpapieranlagen lösen bei Menschen ein Unwohlsein aus. In der Folge ist der Mensch bestrebt, dieses Gefühl schnellstmöglich zu beseitigen, und sucht nach Wegen, dies zu tun. Durch das virtuelle Verrechnen mit vorhergehenden Gewinnen kann das Gefühl der kognitiven Dissonanz gemindert oder sogar komplett beseitigt werden. Bei Gewinnen ist dieses Vorgehen nicht notwendig, wodurch es zu der bereits beschriebenen Segregation kommt.

Die mentale Buchführung kann sich auch auf das Diversifikationsverhalten von Anlegern in Bezug auf die Asset Allokation auswirken. So kann es passieren, dass Anleger die im Portfolio befindlichen Assets in einzelnen mentalen Konten verbuchen und die Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Anlagen nicht adäquat berücksichtigen – das Risiko der Anlagen letztlich nicht korrekt behandelt wird. Dies steht dem Gedanken der Diversifikation grundsätzlich entgegen, der besagt, dass verschiedene Anlagen im Zusammenhang betrachtet und nicht in spezielle kleine Gruppen zerlegt werden sollten.