Christof Kessler und Anton Buchhart von Barmenia Gothaer AM, Teil 2 „Staatsanleihen kann jeder, das ist nicht die große Kunst“

Christof Kessler und Anton Buchhart von Barmenia Gothaer AM.

Christof Kessler und Anton Buchhart von Barmenia Gothaer Asset Management: „Im großen liquiden Bereich gibt es keine Gründerszene mehr, nur eine Konsolidierungsszene.“ Foto: Olaf Wull Nickel

Herr Kessler, sie sprachen von Drittmanagern. Gehen Sie auch auf diese zu und sagen denen konkrete ESG-Ziele?

Kessler: Haben wir bestimmte Kriterien, die wir im Rahmen der Nachhaltigkeit erfüllt sehen wollen, wird das in einem Sideletter, in einem Nebenvertrag, mit dem Drittmanager vereinbart. Dieser muss sich dann daranhalten. Wir wollen beispielsweise nicht in Tabak investieren, also darf der Drittmanager das für uns auch nicht tun.

Derzeit wird verstärkt konsolidiert im Asset Management, welchen Einfluss hat das auf ihre Managerselektion?

Buchhart: Wir haben viele externe Manager, durch den Zusammenschluss sind es noch mehr geworden. Selbstverständlich werden wir einige Verträge kündigen. Es gibt nur wenige Überschneidungen, aber dennoch werden wir die Anzahl reduzieren, um Komplexität und Kosten zu senken. Das gilt aber auch für weitere Dienstleister. Wir streben schlanke Prozesse und eine übersichtliche Struktur in unserer Wertschöpfungskette an, da Komplexität unweigerlich zu höheren Kosten führt.

Kessler: Die Konsolidierungen in der Branche fallen uns natürlich auf. Die großen, also Blackrock, Amundi und ein paar weitere kaufen auf. Die Folge: Wo wir vorher drei Manager in einem Bereich hatten, bleibt plötzlich nur noch einer übrig. Wir sind aber nach wie vor und seit dem Zusammenschlusssowieso in der Lage, genügend Manager zu finden. Die Konsolidierungen sind ökonomisch sinnvoll. In den Low-Income-Produkten, beispielsweise Euro-Staatsanleihen, funktioniert das Geschäft nur über Größe. Ein Mandat bringt den Anbietern im Schnitt 1,5 Basispunkte. 

 

Will ein Manager das profitabel betreiben, muss dieser schon eher eine Billion Euro an Low-Income-Strategien verwalten. Die werden eingekauft und ein Asset Manager nach dem anderen verschwindet. Nehmen wir auf der anderen Seite Natur- oder Wagniskapitalmanager. Davon gibt es nur sehr wenige. Die können ihre Gebühren gut gestalten, ähnlich wie früher die Hedgefondsmanager. Deshalb denken viele Boutiquen darüber nach, in diese Bereiche zu wechseln, einfach weil es sich lohnt, Teil der Gründerszene zu sein. Im großen liquiden Bereich gibt es keine Gründerszene mehr, nur noch eine Konsolidierungsszene.

Buchhart: Bei den spezialisierten Boutiquen sind es hochinteressante Nischenthemen. Staatsanleihen kann jeder, das ist nicht die große Kunst. Deshalb schrumpfen die Margen, die Fixkosten aber steigen weiter. Durch ESG und ähnliche administrative und regulatorische Anforderungen wächst der Basiskostenblock, der keinen Umsatz generiert, enorm. Dieser muss auf immer mehr Asset verteilt werden, um eine kleine Marge zu retten.

Kessler: Beispiel Infrastruktur. Hier geben noch spezialisierte Boutiquen den Ton an. Aber die Großen fangen an, aufzukaufen. Und daran sieht man dann, dass es keine Nische mehr ist, sondern eine begehrte Ware. Allein in Hamburg gab es früher zehn Boutiquen, heute sind es vielleicht noch drei. Für uns ist das zunächst ein Nachteil. Die Auswahl leidet und im Zweifelsfall die Spezialisierung.

Buchhart: Das kommt allerdings auf das Geschäftsmodell an. Es gibt Konzerne wie beispielsweise die Bank of New York Mellon, die ein Multi-Boutiquen-Modell aufgesetzt hat. In der Praxis machen die übernommenen Boutiquen einfach weiter ihre Arbeit, die Spezialisierung findet weiterhin statt. Die grundlegenden Kosten werden jedoch zentral verwaltet und effizient auf die einzelnen Einheiten umgelegt.

Das klingt nach einem guten Weg…

Kessler: Man darf dabei jedoch nicht übersehen, dass die einzelnen Boutiquen nach der Übernahme in der Regel auch Talente verlieren. Erfahrungsgemäß bleiben die Top-Kräfte noch ein bis zwei Jahre an Bord und dann gründen sie eine neue Boutique. Dennoch sind das alles Anzeichen dafür, dass viele Nischen im Mainstream angekommen sind.

These: Je größer ein Asset Manager, desto weniger ist der aktive Ansatz erkennbar?

Buchhart: Das würde ich nicht generell so sehen, sondern es kommt immer auf die Assetklasse an sowie auf die Größenordnungen von Märkten und die grundlegende Managementphilosophie. Allerdings machen sehr große Portfolios träger, da man sehr hohe Volumina manchmal nicht mehr gut handeln kann und so Portfoliorepositionierungen schwerer werden.

Kommen wir noch einmal zu dem Thema Nachwuchssorgen. Auf der Produktgeberseite bekommen spezialisierte Boutiquen durchaus hochqualifiziertes Personal …

Buchhart: Bei der Personalgewinnung sehen wir verschiedene Dynamiken.  Man kann sagen, dass die Barmenia etwas kleiner war und Wuppertal kein wirklicher Finanzstandort ist. In den vergangenen Jahren konnten wir Personal fast ausschließlich dadurch gewinnen, dass die Bankenlandschaft in Düsseldorf stark gelitten hat. Viele Arbeitsplätze wurden nach Frankfurt verlagert oder die dortigen Standorte wurden konsolidiert.

 

Auf Dauer hätten wir echte Rekrutierungsprobleme bekommen. Ein Portfoliomanager, der in Frankfurt oder Luxemburg arbeitet, geht nicht nach Wuppertal. Köln hat da schon ein anderes Standing. Zudem bietet die neu gewonnene Größe mehr Möglichkeiten. Das merken auch die Mitarbeitenden aus dem Asset Management der Barmenia, die mit nach Köln gewechselt sind.

Haben Sie ein Beispiel?

Buchhart: Eine Mitarbeiterin arbeitet bislang im Middle Office, in der ALM-Analyse. Sie wechselt jetzt ins Front Office, weil wir dort auch jemanden haben wollten, der dieses Know-how für das Key-Account-Management für die Risikoträger hat. In Wuppertal wäre dieser Schritt nicht möglich gewesen.

Kessler: Die Ansprache der Industrie uns gegenüber hat sich ebenfalls verändert. Ein Beispiel: Im Private Equity gibt es Anbieter, die früher nicht zu uns gekommen sind, weil wir zu klein waren. Die sehr guten Private Equity Manager sind an größeren Tickets interessiert. Die Qualität der Manager, mit denen wir jetzt verhandeln ,– auch über Gebühren, ist besser geworden.