Höhere Zinsen standen viele Jahre auf der Wunschliste der Banken. 2022 war es dann endlich soweit: das Ende der Nullzinspolitik. Doch die Folgen für Banken waren nicht nur positiv, denn mit höheren Zinsen kamen auch höhere Risiken und Kosten. Die Lage auf dem europäischen Bankenmarkt fasst Bearing Point in seiner Bankenstudie 2024 zusammen, unter dem Titel: „Totgeglaubte leben länger – Zeitenwende für den europäischen Bankenmarkt“.
Als die Europäische Zentralbank (EZB) der steigenden Inflation mit ersten Zinsschritten nach oben begegnete, konnten sich Banken erstmals seit Jahren wieder über Zinseinnahmen freuen. Damit einher gingen jedoch auch höhere Refinanzierungskosten und Bonitätsrisiken. Wie haben sich die Kennzahlen entwickelt? Welche Risiken und Herausforderungen kommen auf Banken zu? Wie können sich Banken zukunftssicher aufstellen? Die Fragen beantwortet die Bankenstudie 2024.
Die Methodik
Bearing Point hat die Jahresabschlüsse von 118 europäischen Banken im Zeitraum von 2019 bis 2023 analysiert, darunter 24 deutsche Banken. Die aggregierte Bilanzsumme der betrachteten Institute betrug 2023 29,6 Billionen Euro. Europa ist dabei geografisch zu verstehen: Neben Instituten der Eurozone wurden auch Banken in Dänemark, Schweden, Großbritannien, Schweiz und Norwegen untersucht.
Deutsche Banken weniger kosteneffizient als europäische Nachbarn
Zunächst die guten Nachrichten: Europäische Banken agierten 2023 kosteneffizienter als 2022. Das Verhältnis von Kosten zu Einnahmen, berechnet als Anteil der operativen Kosten an den Nettoerträgen der Banken (die Cost-Income-Ratio, kurz CIR), fiel von 60 Prozent auf 55,1 Prozent. Seit 2020 sinkt die CIR kontinuierlich.
Deutschland konnte sich im Vergleich zum Vorjahr (65,2 Prozent) zwar verbessern, liegt aber mit 60,1 Prozent weiterhin über dem europäischen Durchschnitt. Hier ist allerdings ein Nachholeffekt zu erwarten, da durch die im europäischen Vergleich langfristige Zinsbindung im Finanzierungsgeschäft der Banken, die positiven Effekte der höheren Leitzinsen noch nicht vollständig auf die Einnahmen durchgeschlagen sind.
Das europäische Schlusslicht ist die Schweiz, mit einer CIR von 85 Prozent. Grund dafür ist hauptsächlich die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS, die die Erträge gedrückt hat. Wenn auch nicht so deutlich, liegt die Schweiz auch langfristig über dem europäischen Schnitt. Ihre Banken konzentrieren sich traditionell auf individuelle und kostenintensive Dienstleistungen wie das Assetmanagement und die Vermögensverwaltung für vermögende Kunden.
Zinserträge europäischer Banken steigen
Die gestiegenen Leitzinsen haben sich auch positiv auf die Zinsmarge der Banken ausgewirkt. Sie stieg 2023 von 1,07 Prozent auf 1,23 Prozent. Die Zinserträge der europäischen Banken stiegen nach einem Plus von 37,1 Prozent im Jahr 2022 vergangenes Jahr wieder deutlich, um 82,4 Prozent.
Die Zinsaufwendungen stiegen 2023 gegenüber 2022 um 163,5 Prozent. Dies liegt laut Bearing Point vor allem an den gestiegenen Refinanzierungs- und Einlagenzinsen der EZB und dem daraus folgenden intensiveren Wettbewerb um Kundeneinlagen.
Deutsche Banken auch beim Provisionsgeschäft unterdurchschnittlich
Gute Neuigkeiten gibt es auch beim Provisionsgeschäft. Die Provisionsmarge blieb mit 0,51 Prozent konstant. Getrieben wurden die Provisionserträge durch Kosten, die in der Niedrigzinsphase eingeführt wurden wie Kontoführungsgebühren, Depotgebühren, Servicepauschalen und Gebühren im Kreditgeschäft. Viele Bankdienstleistungen wurden zuvor quersubventioniert. Steigt der Wettbewerbsdruck, könnten daher auch die Provisionserträge wieder sinken.
Die Provisionserträge deutscher Banken liegen jedoch unter dem europäischen Durchschnitt und sind zudem leicht gesunken. Spitzenreiter ist mit 0,98 Prozent trotz deutlichen Einbruchs im Vergleich zum Vorjahr nach wie vor die Schweiz mit ihrer hohen Dichte an vermögenden Kunden und der Konzentration auf kostenintensive Dienstleistungen.
Bearing Point betont, dass das Provisionsgeschäft die wichtigste Ertragsquelle bleibt. Banken sollten sich daher auf ihre Kernkompetenzen wie Wertpapierhandel oder Vermögensverwaltung konzentrieren.
Personalkosten treiben Operative Kosten europäischer Banken
Weniger erfreuliche Neuigkeiten gibt es von der Kostenseite. Die operativen Kosten europäischer Banken sind 2023 durchschnittlich um 0,3 Prozent gestiegen. Treiber waren vor allem die Personalkosten (plus 3,3 Prozent), während Sachkosten (minus 2,9 Prozent) und sonstige operative Kosten (minus 4,7 Prozent) gesunken sind. In Deutschland werden sich die Personalkosten (plus 3,5 Prozent) aufgrund von tariflichen Gehaltsanpassungen langsamer auswirken. Dennoch liegt Deutschland mit einem Anstieg der operativen Kosten von 3,9 Prozent deutlich über dem europäischen Schnitt (plus 0,3 Prozent).
Zugelegt haben auch die IT-Kosten. Während europäische Banken 2022 noch 3,3 Prozent in IT investierten, waren es 2023 4,9 Prozent. Bei Banken mit einer CIR von mehr als 55 Prozent waren es sogar 6,6 Prozent nach 5,7 Prozent in 2022. Datenverfügbarkeit, -qualität und -verarbeitung und ein entsprechendes Reporting bleiben entscheidende Wettbewerbsvorteile von Banken.
Kaum gestiegen sind laut Bearing Point die Risikovorsorge, die nur 1,9 Prozent liegt als 2022. Dabei verdeckt der Blick auf den europäischen Durchschnitt allerdings erhebliche regionale Unterschiede. So erhöhten Schweizer Institute ihre Vorsorge um 68,2 Prozent, während andere Länder diese Position abbauten. Auch das ist eine Folge der Credit Suisse Übernahme.
Deutsche Banken liegen bei Vorsteuergewinnen zurück
Die Fusion hatte auch positive Folgen, so sind die Vorsteuergewinne (Earnings before Taxes (EBT) Schweizer Banken um 217,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Dagegen verblasst das recht große Plus des europäischen Durchschnitts von 38,9 Prozent. Rechnet man den Übernahme-Effekt raus, kommt die Schweiz auf lediglich plus 7,5 Prozent und Europa auf einen Anstieg um 30,6 Prozent.
Deutschlands Banken hinken mit einem EBT-Plus von 25,4 Prozent erneut hinterher. Auch hier bremst laut Bearing Point die lange Zinsbindung. Hinzu kämen höhere Risikovorsorge und Abschreibungen, insbesondere bei Immobilien, sowie stärker gestiegene Personal- und Sachkosten.
Bilanzvolumina sind gestiegen
Genau im europäischen Schnitt liegen deutsche Banken dafür beim Zuwachs der Bilanzvolumina um 0,7 Prozent. Die Kreditvolumina der Banken sind hingegen nur um 0,1 Prozent gestiegen (Europa: plus 0,9 Prozent).
Diese Diskrepanz könnte sich durch die Alternative Anlage in Wertpapieren (Depot A) erklären. Hinzu kommt, dass höhere Zinsen, die Inflation und unsichere wirtschaftliche Aussichten die Kreditvergabe drücken.
Eigenkapitalrendite: Schweiz an der Spitze, Deutschland abgeschlagen
Ebenso weit unter dem europäischen Schnitt liegen deutsche Banken mit ihrer Eigenkapitalrendite (Return on Equity RoE). Während europäische Banken ihren RoE 2023 im Durchschnitt um 3,4 Prozentpunkte auf 11,4 Prozent steigern konnten, erreichten deutsche Banken nur ein leichtes Plus und kommen auf eine Eigenkapitalrendite von 6,1 Prozent.
Auch hier wirkt sich laut Bearing Point die langfristige Zinsbindung aus. Hinzu kämen der Wettbewerb zwischen Sparkassen, Genossenschafts- und Privatbanken, sowie Abschreibungen und die gestiegene Risikovorsorge der Institute.
Spitzenreiter ist auch hier die Schweiz mit einer Eigenkapitalrendite von 20,9 Prozent. Rechnet man die Übernahme der Credit Suisse raus, kommen Schweizer Banken aber lediglich auf 6,9 Prozent. Der europäische Durchschnitt würde dadurch bei 10,6 Prozent liegen.
Banken bauen Kapitalpuffer aus
Mit ihrer gestiegenen Risikovorsorge folgen die Banken der gestiegenen RWA-Quote (Risk Weighted Assets), die angibt, wie viel Kapital eine Bank benötigt, um ihre Risiken zu decken. Sie stieg leicht von 29,4 Prozent auf 29,5 Prozent. Kleinere Banken weisen dabei aufgrund der regulatorischen Vorgaben höhere Quoten auf.
Ab Januar 2025 tritt allerdings die CRR-III-Verordnung (Capital Requirements Regulation) in Kraft, nach der sich die Berechnungsmodelle auch für größere Banken ändern werden. Bearing Point rechnet daher mit einem deutlichen Anstieg der RWA-Quoten.
Die harte Kernkapitalquote (CET1, Common Equity Tier 1 capital) der europäischen Banken liegt mit 15,6 Prozent deutlich über den regulatorischen Mindestanforderungen von 4,5 Prozent (hartes Kernkapital) beziehungsweise acht Prozent (Gesamtkapitalquote). Damit bereiten sich die Banken laut Bearing Point auf makroökonomische Schocks und die steigende RWA-Quote vor.
Bei der Risikovorsorge liegt Deutschland ebenfalls zurück, allerdings nur leicht. Die RWA-Quote blieb nahezu unverändert bei 27,9 Prozent (2022: 27,8 Prozent) und die Kernkapitalquote erreicht mit einem plus um 0,2 Prozentpunkte auf 15,6 Prozent fast den europäischen Durchschnitt.
Insolvenzen schlagen sich bisher nicht in ausfallenden Krediten nieder
Positiv ist auch, dass die Quote ausfallender Kredite (NPL, Non Performing Loans) trotz der Zunahme von Insolvenzen nahezu konstant blieb und nur um 0,01 Prozentpunkte von 1,74 auf 1,75 Prozent stieg. Leider versteckt auch hier der Durchschnittswert die unterschiedlichen regionalen Entwicklungen. So kletterte die Ausfallquote in Deutschland um 0,3 Prozentpunkte, während sie in den meisten europäischen Ländern sank. Dennoch liegt sie mit 1,3 Prozent noch unter dem europaweiten Durchschnitt.
Höhere Zinsen bedeuten höhere Anforderungen an die Kontrolle von Liquiditätsrisiken
Worauf sich die Banken nun laut Bearing Point wieder verstärkt konzentrieren müssen, ist das Liquiditätsrisikomanagement. Während die höheren Zinsen auf der einen Seite die Erträge der Banken steigern, erhöhen sie auch die Refinanzierungskosten, was zu Liquiditätsengpässen führen kann. Das sollten auch Regulierer in ihren Stresstests berücksichtigen.
Banken müssen in ihren Prognose-Modellen neben der Liquiditätsentwicklung auch die Annahmen zum Kundenverhalten anpassen, wie Abwanderungen durch höhere Konkurrenz um Einlagenzinsen, Anpassung der Liquidität der Kundenportfolios.
