In der Finanzbranche herrscht wieder einmal Unmut über Vorgaben aus Brüssel. Grund ist das Lieferkettengesetz. Ein Problem der neuen Regulierung sind unklare Vorschriften. Nach Informationen der Börsenzeitung beschweren sich Banken und Finanzdienstleister über die mangelnde Unterstützung der zuständigen Behörde bei der Umsetzung. Zuständig ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa).
Seit dem 1. Januar müssen Unternehmen ab 3.000 Angestellten überprüfen, dass sich alle ihre Geschäftspartner an Menschenrechte und Umweltstandards halten. 2024 wird die Schwelle auf 1.000 Mitarbeiter reduziert. Zwar treten die Berichtspflichten zur Lieferkette erst in anderthalb Jahren in Kraft, die Sorgfaltspflichten gelten allerdings bereits uneingeschränkt.
Lieferkettengesetz ist nicht für die Finanzbranche konzipiert
Die Finanzbranche kritisiert, dass das Gesetz in erster Linie für Industrieunternehmen konzipiert ist. Daher gebe es viele branchenspezifische Fragen, die die Bafa bisher ungeklärt ließ. Außer einem Fragen-Antwort-Katalog, einer Grundsatzerklärung und einzelnen Hilfestellungen habe es bisher keinerlei Unterstützung oder Antworten auf offene Fragen gegeben.
Ungeklärt ist unter anderem wie viele Finanzunternehmen insgesamt betroffen sind. Brancheninterne Schätzungen gehen davon aus, dass rund 500 Finanzinstitute direkt oder indirekt unter das Lieferkettengesetz fallen. Ab 2024 werde sich diese Zahl vervielfachen. Ob ein Unternehmen betroffen ist, muss es der Bafa zufolge eigenverantwortlich prüfen.
Offen ist zudem, inwiefern Sorgfaltspflichten im Kerngeschäft von Banken und Finanzdienstleistern erfüllt werden müssen. Dazu zählen Finanzierung, Einlagen, Derivate oder die Emission von Wertpapieren. Sicher ist lediglich, dass die Kreditvergabe und das Investmentgeschäft zunächst nicht betroffen sind, da das Lieferkettengesetz nur die Lieferkette, nicht aber die Abnehmer erfasst.
Sorgfaltspflichten könnten für gesamte Wertschöpfungskette gelten
Doch auch dieser Punkt muss nicht langfristig gelten. Der Börsenzeitung zufolge gibt es Bestrebungen der Europäischen Union, Banken und Finanzdienstleiter als Hochrisikosektor einzustufen. Der Handelsausschuss fordere außerdem, dass Sorgfaltspflichten in der gesamten Wertschöpfungskette gelten. Damit wären auch Abnehmer und damit die Kreditvergabe anvisiert.
Der Industrieausschuss hingegen habe den Finanzsektor aus einigen Passagen gestrichen. „Überbordende Bürokratie“ dürfe den Zugang zu Krediten und Versicherungen für Betriebe nicht erschweren, fordert die CSU-Europaagebordnete Angelika Niebler. Nun muss der Rechtsausschuss beide Positionen zusammenführen. Bis EU-Kommission und EU-Staaten miteinander verhandeln, werden noch mehrere Monate vergehen. Die Finanzminister wollen nach Informationen der Börsenzeitung erreichen, dass jeder Mitgliedstaat die Sorgfaltspflichten für die Finanzbranche individuell regeln kann.