Die Finanzaufsicht Bafin nimmt den boomenden Verkauf von Zertifikaten durch Banken und Sparkassen verstärkt unter die Lupe. „Wir schauen sehr genau hin, ob das Produktangebot, die Beratung und der Vertrieb von Zertifikaten im Einklang mit den Verbraucherinteressen stehen“, kündigte Bafin-Präsident Mark Branson auf der Jahrespressekonferenz der Aufsichtsbehörde in Frankfurt an. In diese oft komplexen, zum Teil nur kurz laufenden Bankschuldverschreibungen waren Ende 2023 in Deutschland laut des Branchenverbands BSW 112 Milliarden Euro investiert – das ist ein Anstieg um 40 Prozent binnen Jahresfrist.
Gerade Sparkassen hätten ihren Kunden viele Zertifikate konzerneigener Anbieter wie der Landesbanken, der Helaba oder der Deka als Alternative zu niedrig verzinsten Tages- und Festgeldanlagen empfohlen, so der Verdacht. Ob es dabei zu Fehlberatung kam und die Anlegerinteressen gewahrt wurden, will die Bafin nun überprüfen. Für abschließende Schlussfolgerungen sei es laut Branson aber noch zu früh. Auf die Frage, ob die Behörde auch verdeckte Testkäufe plane, antwortete er zurückhaltend: Wenn er dies bestätige, wären es ja keine Geheimnisse mehr.
Bafin fordert entschlackte Regulierung
Mit Nachdruck sprach sich der Bafin-Präsident auf der Pressekonferenz für eine Vereinfachung der Finanzmarktregulierung in Europa aus. „Wir sollten die Regelwerke systematisch entschlacken, vereinfachen und von Überlappungen befreien“, forderte Branson. Es brauche weniger Komplexität und mehr Proportionalität in der Aufsicht. Die Regulierung müsse zielgenauer werden, einige Anforderungen vor allem an kleinere Unternehmen ließen sich deutlich reduzieren.
Denn die Komplexität wirke diskriminierend: „Sie erschwert jungen Unternehmen den Markteintritt und belastet generell kleinere Institute besonders stark“, erläuterte der Bafin-Chef. Gelinge eine Entschlackung, könne dies Versicherungsneugründungen erleichtern und den Finanzplatz Deutschland für innovative Anbieter attraktiver machen. Die EU sollte sich hier ein Vorbild an Ländern wie Großbritannien mit seinem „Strong-and-Simple“-Regime für kleinere Geldhäuser nehmen.
„Mit den Bankbilanzen von 2007 hätten wir das nicht überlebt“
Aufsichtsstandards nicht in Frage stellen
Eine generelle Abschwächung oder Aufweichung der Aufsichtsstandards lehnt Branson aber strikt ab. „Sonst bereiten wir den Nährboden für die nächste Finanzkrise“, warnte er. Weder bei den Kapital- und Solvenzanforderungen für Banken (Basel III) noch für Versicherer (Solvency II) dürfe es ein Zurück geben. Nur dank der nach der Finanzkrise 2008 verschärften Regulierung hätten die Institute die enormen Verwerfungen der Pandemie und der Zinswende 2022 bewältigen können. „Mit den Bankbilanzen von 2007 hätten wir das nicht überlebt“, betonte Branson.
Als Beispiel für überkomplexe Vorschriften nannte er die EU-Regulierung für nachhaltige Finanzanlagen (ESG) und Kryptowerte. Auch in Deutschland gebe es noch Gesetze, die der Gesetzgeber vereinfachen könne, etwa bei den Meldepflichten.
Für kleinere Banken hat die Bafin bereits ein Dutzend Entlastungsvorschläge identifiziert. Dazu zählen der Wegfall von aus ihrer Sicht verzichtbaren Meldungen zu Risikokennziffern. Auch die sehr aufwändigen Inhaberkontrollverfahren bei Firmenkäufen ließen sich durch den Verzicht auf nicht entscheidungsrelevante Daten beschleunigen.
Immobilienkrise bleibt eine Herausforderung
Insgesamt erwartet Branson 2024 neue Herausforderungen für die Banken, auch weil sich die positiven Effekte höherer Zinsen nicht im gleichen Maße wie 2022 fortsetzen dürften. Auch die Immobilienkrise, gerade bei Gewerbeimmobilien in den USA, sei noch nicht ausgestanden und lasse weitere Kreditausfälle und Wertberichtigungen befürchten.
Stärker in den Fokus nimmt die Bafin auch das Thema Geldwäsche. 140 Prüfungen führte sie dazu 2023 durch und stellte fast immer Mängel fest, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. In acht Instituten, darunter die Deutsche Bank, setzte sie Sonderaufpasser ein, um schwerwiegende Defizite zu beseitigen.