Im Januar 2024 erließ die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) die Wertpapierinstituts-Vergütungsverordnung, kurz WpIVergV. Kurz darauf fasste sie den besonderen Teil BT 8 der Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten (Macomp) neu. Damit setzte die Bafin die Leitlinien zu einigen Aspekten der Mifid-II-Vergütungsanforderungen der European Securities and Markets Authority (Esma) um.
Hinter diesen Anpassungen verbirgt sich etwas, was für alle Wertpapierdienstleistungsunternehmen, also sowohl Vermögensverwalter als auch Kreditinstitute, wichtig ist: Mit diesen Regelwerken justiert die Finanzaufsicht den aufsichtlichen Rahmen für die formellen und materiellen Anforderungen an die Vergütungssysteme neu. Insbesondere hinsichtlich der Auszahlung variabler Vergütungen warten die neuen Regelwerke mit Überraschungen auf.
Der Anwendungsbereich der neuen WpIVergV beschränkt sich auf mittlere Wertpapierinstitute. Für Kreditinstitute und Große Wertpapierinstitute gilt weiterhin die Institutsvergütungsverordnung (InstitutsVergV). Das Regelungswerk der Macomp zu Vergütungssystemen müssen hingegen alle Wertpapierdienstleister beachten – mithin alle Wertpapierinstitute, ungeachtet ihrer Größe, und auch Kreditinstitute. Regelungen der WpIVergV und InstitutsVergV gehen jedoch vor.
Unterschiedliche Anwendungsbereiche
Der Anwendungsbereich der WpIVergV in den Unternehmen erstreckt sich nur auf sogenannte Risikoträger. Hierbei unterscheidet sich die WpIVergV von der InstitutsVergV, die zunächst allgemeine Anforderungen an Vergütungssysteme aller Mitarbeiter formuliert. Nur für Risikoträger bedeutender Institute präzisiert sie diese Anforderungen dann näher.
Aber was verbirgt sich hinter dem Begriff der Risikoträger? Risikoträger im Sinne der WpIVergV sind zunächst die Geschäftsleiter. Dazu kommen sämtliche Mitarbeiter, deren berufliche Tätigkeit sich wesentlich auf das Risikoprofil des Wertpapierinstituts oder der von diesem verwalteten Vermögenswerte auswirkt. Welche Funktionen im Einzelnen unter diese Definition fallen, ist mittels einer Risikoanalyse unternehmensspezifisch zu ermitteln.
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Im Januar 2024 erließ die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) die Wertpapierinstituts-Vergütungsverordnung, kurz WpIVergV. Kurz darauf fasste sie den besonderen Teil BT 8 der Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten (Macomp) neu. Damit setzte die Bafin die Leitlinien zu einigen Aspekten der Mifid-II-Vergütungsanforderungen der European Securities and Markets Authority (Esma) um.
Hinter diesen Anpassungen verbirgt sich etwas, was für alle Wertpapierdienstleistungsunternehmen, also sowohl Vermögensverwalter als auch Kreditinstitute, wichtig ist: Mit diesen Regelwerken justiert die Finanzaufsicht den aufsichtlichen Rahmen für die formellen und materiellen Anforderungen an die Vergütungssysteme neu. Insbesondere hinsichtlich der Auszahlung variabler Vergütungen warten die neuen Regelwerke mit Überraschungen auf.
Der Anwendungsbereich der neuen WpIVergV beschränkt sich auf mittlere Wertpapierinstitute. Für Kreditinstitute und Große Wertpapierinstitute gilt weiterhin die Institutsvergütungsverordnung (InstitutsVergV). Das Regelungswerk der Macomp zu Vergütungssystemen müssen hingegen alle Wertpapierdienstleister beachten – mithin alle Wertpapierinstitute, ungeachtet ihrer Größe, und auch Kreditinstitute. Regelungen der WpIVergV und InstitutsVergV gehen jedoch vor.
Unterschiedliche Anwendungsbereiche
Der Anwendungsbereich der WpIVergV in den Unternehmen erstreckt sich nur auf sogenannte Risikoträger. Hierbei unterscheidet sich die WpIVergV von der InstitutsVergV, die zunächst allgemeine Anforderungen an Vergütungssysteme aller Mitarbeiter formuliert. Nur für Risikoträger bedeutender Institute präzisiert sie diese Anforderungen dann näher.
Aber was verbirgt sich hinter dem Begriff der Risikoträger? Risikoträger im Sinne der WpIVergV sind zunächst die Geschäftsleiter. Dazu kommen sämtliche Mitarbeiter, deren berufliche Tätigkeit sich wesentlich auf das Risikoprofil des Wertpapierinstituts oder der von diesem verwalteten Vermögenswerte auswirkt. Welche Funktionen im Einzelnen unter diese Definition fallen, ist mittels einer Risikoanalyse unternehmensspezifisch zu ermitteln.
In der Regel gehören hierzu die Führungskräfte der zweiten Ebene in den Bereichen Compliance, Revision, Geldwäsche, Risikomanagement, Wirtschaftsanalyse, Informationstechnologie und –sicherheit und des Auslagerungsmanagements sowie die Mitglieder eines Risikoausschusses. In Wertpapierinstituten mit einer Bilanzsumme von mindestens 100 Millionen Euro können aber auch die Verantwortlichen für die operativen Geschäftsbereiche wie Anlageberatung und Portfoliomanagement Risikoträger sein.
Der Anwendungsbereich des BT 8 der Macomp ist viel breiter angelegt. Er umfasst nahezu alle Mitarbeiter: nämlich diejenigen mit direktem oder indirektem Einfluss auf die vom jeweiligen Unternehmen erbrachten Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen oder das unternehmerische Verhalten. Maßgebliches Kriterium ist, ob die Vergütung oder sonstige Anreize einen Interessenkonflikt begründen können, der die betroffenen Personen veranlassen könnte, gegen die Interessen eines Kunden zu handeln. In der Praxis dürfte damit meistens die Vergütung sämtlicher „bonusberechtigten“ Mitarbeiter den Anforderungen des BT 8 der Macomp unterliegen.
Vergütungsgrundsätze, – systeme und –verfahren
Mittlere Wertpapierinstitute müssen nach der WpIVergV sowohl Vergütungsgrundsätze als auch ein Vergütungssystem aufstellen, das sich dann aus den Grundsätzen ableitet. Das Vergütungssystem müssen die Wertpapierinstitute regelmäßig überprüfen und gegebenenfalls anpassen. BT 8 der Macomp verlangt von allen Wertpapierdienstleistern Ähnliches: Sie sollen Vergütungsgrundsätze und -verfahren einrichten. Die Verantwortung hierfür liegt nach beiden Regelwerken bei der Geschäftsleitung beziehungsweise – im Hinblick auf die Vergütung der Geschäftsleiter – beim Aufsichts- oder Verwaltungsorgan. Die Unternehmen müssen ihren Mitarbeitern die für sie jeweils relevanten Grundsätze, Systeme, Verfahren und Parameter vorab bekanntgeben.
Beide Regelungswerke stellen Anforderungen an die Vergütungssysteme beziehungsweise -grundsätze und -verfahren im Allgemeinen und an die variable Vergütung im Besonderen. Die WpIVergV unterscheidet gar zwischen allgemeinen und besonderen Anforderungen für variable Vergütungen.
Und: So wie die Bafin die BT 8 der Macomp systematisch neu ordnet, bringt sie deutlich zum Ausdruck, dass die inhaltlichen Anforderungen an Vergütungssysteme nicht nur für variable Vergütungskomponenten, sondern vielmehr für alle Aspekte der Vergütung gelten – einschließlich Kriterien für Gehaltserhöhungen und Beförderungen.
Angemessenheit der Vergütung
Oberste Prämisse aller Vergütungsgrundsätze und -systeme ist deren Angemessenheit. Die WpIVergV stellt mehr als ein halbes Dutzend Kriterien für die Angemessenheit auf, ohne dass sie hierbei mit Überraschungen aufwartet. So muss ein angemessenes Vergütungssystem unter anderem zwischen fixen und variablen Vergütungen unterscheiden, geschlechtsneutral sein, mit einem soliden und wirksamen Risikomanagement vereinbar sein, Maßnahmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten und Anreizen für Mitarbeiter, unverhältnismäßig hohe Risiken einzugehen, umfassen sowie ein verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln fördern.
BT 8 der Macomp wird hier etwas konkreter und stellt diverse Kriterien für die Angemessenheit auf, die vornehmlich Interessenskonflikte vermeiden sollen. Angesichts der Fülle der Kriterien beider Regelungswerke, die Angemessenheit sicherstellen sollen, nimmt es sich geradezu als Bonmot aus, wenn die Macomp ausdrücklich vorgibt, dass Vergütungsgrundsätze und -verfahren „nicht unnötig kompliziert sein“ dürfen.
Konkreter werden sowohl WpIVergV als auch BT 8 der Macomp bei den Anforderungen an die variable Vergütung. An vorderster Stelle steht, dass das Verhältnis zwischen fixer und variabler Vergütung angemessen sein muss. Beide Regelungswerke verlangen, dass die variable Vergütung flexibel ausgestaltet ist und dass sie auch vollständig entfallen kann.
Signifikante Abhängigkeiten von der variablen Vergütung sind nach der WpIVergV zu vermeiden. Das ist eine Anforderung, die schon seit langem im Kreditwesengesetz (KWG) steht und auf das die Macomp nun ausdrücklich verweist: Das KWG deckelt regelmäßig die variable Vergütung auf 100 Prozent der fixen Vergütung. Die Unternehmen dürfen die Höhe der variablen Vergütung– mit Ausnahme für das erste Beschäftigungsjahr – nicht garantieren.
Nach beiden Regelwerken müssen bei der variablen Vergütung auch qualitative Kriterien berücksichtigt werden. Pflichtwidriges Verhalten, insbesondere wenn es die wertpapierrechtlichen Wohlverhaltenspflichten zum Schutz der Kunden verletzt, ist als eines der maßgeblichen Kriterien zu berücksichtigen, wenn die Unternehmen die individuelle variable Vergütung ihrer Mitarbeiter bemessen. Die WpIVergV spricht gar davon, dass solches Verhalten dazu führen muss, dass die Wertpapierinstitute die variable Vergütung deutlich verringern.
Verzögerte Auszahlung variabler Vergütung
Mit echten Neuigkeiten warten sowohl WpIVergV als auch BT 8 der Macomp auf, wenn es darum geht, die variable Vergütung auszuzahlen.
Mittlere Wertpapierinstitute, deren Vermögenwerte mehr als 100 Millionen Euro, in Ausnahmefällen mehr als 300 Millionen Euro betragen, müssen nach der WpIVergV die Hälfte der variablen Vergütung unbar in Unternehmensanteilen oder Phantomshares auskehren. Die Auszahlung von mindestens 40 Prozent – bei besonders hohen variablen Vergütungen gar mindestens 60 Prozent – der variablen Vergütung muss über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren gestreckt („deferred“) werden.
Darüber hinaus müssen sich die genannten Institute vorbehalten, eine bereits ausgekehrte variable Vergütung für den Fall schwacher oder negativer Finanzergebnisse zu mindern oder gar zurückzufordern. Das gilt auch mitarbeiterspezifisch für den Fall, in dem Mitarbeiter erhebliche Verluste persönlich verantworten. Rückforderungen müssen bis zu einem Jahr nach Ablauf des Zurückbehaltungszeitraumes für die relevante variable Vergütung möglich sein.
Auch wenn diese Anforderungen nur eine Handvoll von Instituten betreffen dürfte, kann für das Gros der Institute im Hinblick auf die Anforderung der verzögerten Auszahlung variabler Vergütung keine Entwarnung gegeben werden.
Nach BT 8 der Macomp sollen alle Wertpapierdienstleister „in Erwägung ziehen, nachträgliche Anpassungskriterien für die variable Vergütung in ihre Vergütungsgrundsätze und -verfahren aufzunehmen“. Damit entsprechende Anpassungskriterien sinnvoll sind, „sollten“ die Unternehmen die variable Vergütung teilweise verzögert auszahlen. Zwar handelt es sich hierbei – im Gegensatz zu den entsprechenden Anforderungen in der WpIVergV – um keine unabdingbare Verpflichtung, jedoch weit mehr als eine bloße Empfehlung oder auch Best-Practice-Regel.
Im Verwaltungsdeutsch bedeutet eine solche „Soll-Vorschrift“ vielmehr, dass ihr grundsätzlich Folge zu leisten ist, soweit nicht überwiegende, aber zumindest gute Gründe für die Nichtbefolgung sprechen. Wertpapierdienstleister, die – auch weiterhin – Boni nicht verzögert und unter dem Vorbehalt der Rückforderung auszahlen möchten, müssen ihre entsprechenden Erwägungen mit guten Argumenten unterfüttern und dies entsprechend dokumentieren. Es gilt das Motto: „comply or explain“.
Entsprechend den Anforderungen aus der InstVergV verlangt auch die WpIVergV von Mittleren Wertpapierinstituten, dass sie in einem formalisierten, transparenten und nachvollziehbaren Prozess einen Gesamtbetrag für die zu gewährende variable Vergütung festsetzen. Hierbei ist insbesondere die Ertragslage des Instituts und dessen Fähigkeit, sich angemessen mit Eigenmitteln auszustatten, zu berücksichtigen. Die Summe aller individuellen variablen Vergütungsleistungen wird durch die Höhe des Gesamtbetrages gedeckelt.
Qualitätskontrollen durch die Hintertür
Die Verknüpfung zwischen der Einhaltung der Wohlverhaltensanforderungen und der Gewährung und Auszahlung von variabler Vergütung nimmt die BaFin in BT 8 der MaComp zum Anlass, quasi durch die Hintertür Wertpapierdienstleistern aufzugeben, die Qualität der erbrachten Wertpapierdienstleistungen zu kontrollieren. Ausdrücklich erwähnt die BaFin hierbei die Überwachung von Telefongesprächen, Stichproben von Beratungsleistungen und Kundenportfolios sowie regelmäßige Durchsicht anderer Unterlagen.
Ausblick
Die WpIVergV und BT 8 der Macomp sind in Bezug auf die Ausgestaltung von Vergütungssystemen, insbesondere mit Blick auf variable Vergütungen, sehr detailliert. Manch ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen muss wohl seine Vergütungsgrundsätze und -strategien anpassen.
Ungeachtet seiner Größe und Institutsart kann sich kein Wertpapierdienstleister mehr der Frage entziehen, wie er variable Vergütungen in Zukunft auszahlt. Um an der bisherigen Praxis, in der die Mitarbeiter ihre variable Vergütung zeitnah zum Bezugszeitraum und in voller Höhe erhalten, festzuhalten, braucht es nun gute Argumente, die die Institute entsprechend dokumentieren müssen. Hier schlummert Potential für entweder Unzufriedenheit in der Mitarbeiterschaft oder aber – bei intelligenter Handhabung – einen nicht unerheblichen Wettbewerbsvorteil auf dem umkämpften Markt für hochkarätige Mitarbeiter, insbesondere im Bereich der Kundenberater.
Über die Autoren:
Peter Frey ist Gründungspartner der auf Bank- und Finanzdienstleistungsrecht spezialisierten Annerton Rechtsanwaltsgesellschaft am Standort München. Er berät seit vielen Jahren unter anderem zu aufsichtsrechtlichen und zivilrechtlichen Fragen in der Vermögensverwaltung und anderer Finanzdienstleistungen.
Jörg Streißle ist seit gut drei Jahren bei derAnnerton Rechtsanwaltsgesellschaft am Standort München. Zuvor war in leitender Position (Head of Legal) bei der Privatbank Merck Finck tätig.