Wenn es um den Klimaschutz geht, spielen Versicherer als Investoren eine wichtige Rolle. „Wir haben als Investor einen großen Hebel: Wir sind in der Lage, notwendiges Kapital für die Transformation der Wirtschaft bereit zu stellen und investieren gezielt in Geschäftsmodelle, die zur Reduktion der Treibhausgase oder zur Anpassung an den Klimawandel beitragen“, erklärte Gunnar Boysen, Leiter Maklervertrieb von Allianz Leben in Hamburg und Berlin, im Gespräch mit Schwestermedium DAS INVESTMENT.
Man müsse eine langfristige Veränderung der Unternehmen bewirken – und über Kapitalströme erziele man die größte Wirkung, ist Boysen überzeugt. Diese Veränderung sei auch im Interesse der Versicherer selbst, meint Robert Linnemann, der im Omnikanal-Team der Axa die Vertriebsentwicklung in den Bereichen Investment, Leben & Sparen verantwortet. „Eine drei Grad wärmere Welt ist nicht mehr versicherbar.“
Nuklearwaffen in Nachhaltigkeitsfonds
Doch nicht überall, wo Nachhaltigkeit drauf steht, ist auch Nachhaltigkeit drin. So soll laut einer Studie fast jeder vierte als nachhaltig gekennzeichnete Fonds indirekt Bezüge zu kontroversen Bereichen wie Nuklearwaffen haben. Darüber hinaus haben Investoren unterschiedliche Ansätze, um ein nachhaltiges Portfolio zusammen zu stellen. Hierzu zählen:
1. Impact Investing: Impact Investing ist eine Anlagestrategie, die darauf abzielt, neben einer finanziellen Rendite auch eine messbare, positive soziale oder ökologische Wirkung zu erzielen. Ein entscheidendes Merkmal des Impact Investing ist die Messung und Berichterstattung über die erzielten sozialen und ökologischen Auswirkungen. Impact Investing umfasst eine breite Palette von Anlagemöglichkeiten, darunter:
- Soziale Investitionen in Bereichen wie Armut, Bildung und Gesundheit
- Umweltinvestitionen, zum Beispiel in erneuerbare Energien und Naturschutz
- Unternehmensinvestitionen in sozial und ökologisch verantwortliche Geschäftsmodelle
- Mikrofinanzfonds und Green Bond
2. Exclusion / Ausschlussverfahren: Exclusion ist eine der ältesten und bekanntesten Strategien im Bereich des nachhaltigen Investierens (ESG-Investing). Bei dieser Methode werden bestimmte Unternehmen, Sektoren oder Länder aufgrund spezifischer ESG-Kriterien aus dem Anlageuniversum ausgeschlossen.
Die Ausschlusskriterien können absolut sein oder auf Umsatzschwellen basieren. Beispielsweise könnte ein Fonds Unternehmen ausschließen, die mehr als 10 Prozent ihres Umsatzes mit Tabak erwirtschaften. Typischerweise werden Unternehmen ausgeschlossen, die in kontroversen Geschäftsfeldern tätig sind, wie:
- Tabak
- Fossile Brennstoffe
- Umstrittene Waffen
- Alkohol
- Glücksspiel
- Pornografie
3. Engagement & Voting: Engagement & Voting beschreibt die Interaktionen zwischen der Versicherungsgesellschaft und ihren Beteiligungsunternehmen, um ESG-Themen oder Geschäftsstrategien anzugehen. Das Ziel hier besteht darin, die Leistungen zu überwachen sowie Einfluss auf die Praxis und Leistung eines Unternehmens in ESG-Fragen auszuüben wie auch bei Hauptversammlungen (AGM) der Unternehmen sein Stimmrecht als Investor auszuüben.
4. ESG-Integration: ESG-Integration ist eine Anlagestrategie, bei der Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren (ESG) systematisch in den traditionellen Finanzanalyse- und Investitionsentscheidungsprozess einbezogen werden. Methoden der ESG-Integration
- Quantitative Integration: Verwendung von ESG-Scores und -Ratings in quantitativen Modellen
- Fundamentale Integration: Einbeziehung von ESG-Faktoren in die Bottom-up-Unternehmensanalyse
- Smart Beta und Faktor-Investing: Nutzung von ESG-Faktoren als zusätzliche Anlagefaktoren
- Thematisches Investing: Fokussierung auf spezifische ESG-Themen oder -Trends
5. Sustainability Themed Investing: Beim Sustainability Themed Investing wird gezielt in Unternehmen oder Sektoren investiert, die Lösungen für bestimmte ökologische oder soziale Herausforderungen bieten. Typische Themen umfassen:
- Erneuerbare Energien
- Wassermanagement
- Nachhaltige Landwirtschaft
- Kreislaufwirtschaft
- Gesundheit und Wohlbefinden
- Geschlechtergleichstellung
6. Best-in-Class: Best-in-Class ist eine ESG-Anlagestrategie, die darauf abzielt, in Unternehmen zu investieren, die innerhalb ihrer jeweiligen Branchen führend in Bezug auf Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien (ESG) sind.
Doch wie intensiv und erfolgreich wenden die Versicherer jede einzelne dieser Strategien bei ihrer Kapitalanlage an?
Dieser Frage ging das Analysehaus Zielke Research Consult in seiner jüngsten ESG-Studie nach. Dabei haben die Forscher insgesamt 51 Nachhaltigkeitsberichte von in Deutschland vertretenen Versicherungen analysiert, die eine Anzahl von 500 Mitarbeitern überschreiten.
Das Ergebnis: Von den zwei möglichen Punkten (Bestwertung) kamen die Versicherer 2023 lediglich auf 0,84 Punkte. Das ist eine geringfügige Verbesserung gegenüber dem Vorjahr, als sie 0,82 von möglichen zwei Punkten erreicht haben. Dabei haben sich die meisten deutschen Versicherungsgesellschaften in den Strategien Best-in-Class, Sustainability Themed, ESG-Integration und Exklusion leicht verbessert.
Anders sieht es bei der Strategie Engagement & Voting aus. Hier rutschten die untersuchten Versicherer von 0,85 Punkten im Vorjahr auf nunmehr 0,53 Punkte. In diesem Auswertungsjahr haben laut Zielke lediglich sieben Gesellschaften (Gothaer, Axa, Munich Re, Allianz Group, Swiss Life Gruppe, Generali Group und die Zurich) hier die volle Punktzahl erreicht. „Sie haben ihr Engagement präzise offengelegt und detailliert Bericht über die erfolgten Stimmrechtausübung zu ESG-Themen bei Hauptversammlungen erstattet“, so die Studienautoren.
Im Bereich Impact-Investing-Fonds haben Axa, Gothaer und die Zurich als einzige Gesellschaften ihre Impact Investments sehr transparent in die nachhaltige Berichtserstattung aufgenommen und dadurch die maximale Punktzahl 2 von 2 möglichen Punkten erreicht. Das zieht das Gesamtergebnis nach oben. Bei den meisten Versicherungsunternehmen unterdessen konnten sich Investitionen in Impact-Investing-Fonds noch nicht in der Kapitalanlagepolitik etablieren.