Eine Frage der Lehre Wie auch Vermögensverwalter Bankkaufleute ausbilden können

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Eine Frage der Lehre
Wie auch Vermögensverwalter Bankkaufleute ausbilden können
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Bankfiliale in den 1980er Jahren: Der Profifußballer Michael Rummenigge (links) war damals Banklehrling einer Sparkasse

Bankfiliale in den 1980er Jahren: Der Profifußballer Michael Rummenigge (links) war damals Banklehrling einer Sparkasse Foto: Imago Images / FRINKE

Als Jörg Mohm seine Ausbildung abschloss, war er noch einer von vielen. Damals, um 1990 herum, unterschrieben bei Deutschlands Banken jährlich über 25.000 Auszubildende neue Verträge für die Ausbildung. Viele von ihnen landeten wie Mohm im Private Wealth Management, bei Family Offices oder Vermögensverwaltern, wo immer noch deutlich mehr Bankkaufleute als Akademiker arbeiten.

Die Ausbildung war gar eine der beliebtesten in Deutschland. Die Aussicht auf ein überdurchschnittliches Gehalt, gute Aufstiegsmöglichkeiten und ein hohes Ansehen hätten junge Leute in den Ausbildungsberuf gelockt, erklärt Mohm mit Blick zurück. Seitdem habe sich aber vieles verändert.

Jörg Mohms Sohn Leon ist deshalb einer von nicht mehr ganz so vielen. Wie sein Vater hat er eine Ausbildung zum Bankkaufmann abgeschlossen. Er ist damit einer von nur noch 7.000 bis 8.000 Auszubildenden, die aktuell pro Jahr einen Ausbildungsvertrag zum Bankkaufmann unterschreiben. Sowohl das Ausbildungsangebot als auch die Nachfrage nach entsprechenden Plätzen schnurrte in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten drastisch zusammen.

Ausbildungsberuf litt jahrelang

Gründe dafür gibt es zur Genüge. Eine Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2020 zeigt das eindrucksvoll: Von keinem anderen Ausbildungsberuf raten Beschäftigte häufiger ab als von dem der Bankkaufleute. Für zwei Drittel der Bankkaufleute ist die eigene Ausbildung nicht zukunftsfähig. Die Bedenken der Bankkaufleute laut der Studie: digitalisierte Beratungsprozesse, Kündigungswellen und Standortschließungen im klassischen Filialgeschäft.

 

Auch Simon Grupe, Referatsleiter für kaufmännische und Dienstleistungsberufe bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer, bestätigt den Trend: „Gründe dafür sind der demografische Wandel, der in Form sinkender Schulabgängerzahlen auch andere Branchen betrifft, sowie Restrukturierungsprozesse im Bankenbereich, die unter anderem einhergingen mit Filialschließungen und einem Wechsel zu digitalisierten Geschäftsmodellen.“

Das treibt die Gehälter, die Privatbanken und Vermögensverwalter in ihrem spitzer gefassten Kundensegment zahlen müssen. Der Nachwuchsmangel macht Beraterteams begehrt, das Durchschnittsalter der Mitarbeitenden steigt, wie Umfragen zeigen. Mehr und mehr unabhängige Vermögensverwalter schlüpfen zudem unter die Fittiche internationaler Holdinggesellschaften, auch weil der Nachwuchs fehlt.

Die Commerzbank macht aus der Beraternot eine Tugend. Wo das Institut einst Hunderte Bankkaufleute ausbildete, die bei den Standortschließungen der vergangenen Jahre um ihre Arbeitsplätze im Retail-Geschäft bibbern mussten, versucht die Bank nun gezielter vorzugehen. In Stellenausschreibungen und Online-Artikeln wirbt sie mit Ausbildungsplätzen als Bankkauffrau oder -mann, die explizit im Private Wealth Management arbeiten sollen. Ist der Abschluss gut, erhalten Auszubildende eine Garantie, dass die Commerzbank sie unbefristet übernimmt.

Dass der Ausbildungsberuf angesichts der drastisch gesunkenen Ausbildungszahlen weniger wichtig geworden ist, davon möchte Markus Dietrich nichts wissen. Dietrich arbeitet als Nachwuchskoordinator im Wealth Management und Private Banking der Commerzbank und beteuert, dass der Ausbildungsberuf der Bankkaufleute eine nach wie vor große Rolle im Geschäftsfeld spiele: „Viele unserer Beraterinnen und Berater, die heute in der Commerzbank im Private Banking und im Wealth Management tätig sind, haben mit einem dualen BWL-Studium oder mit einer Bankausbildung ihren Berufsweg gestartet.“

Öffentlich einsehbare Zahlen zeigen aber: Auch die Commerzbank drückte die Zahl ihrer Auszubildenden zwischen 2010 und 2016 deutlich nach unten, um mehr als die Hälfte sank sie zwischenzeitlich. Dietrich argumentiert: „Neben dem dualen BWL-Bank-Studium haben wir immer mindestens 50 Prozent unserer Neueinstellungen mit Nachwuchskräften mit einer Bankausbildung abgedeckt.“

Gerade bei den Bankkaufleuten hätte die Personalabteilung nun wieder mehr Auszubildende einstellen können. Denn auch Dietrich beobachtet, dass im Private Wealth Management Not am Mann und an der Frau sei: „Der Bedarf an Nachwuchskräften ist gerade in den letzten drei Jahren stark gestiegen.“ Und der beste Weg ins Private Wealth Management sei eben eine Ausbildung.

Neue Inhalte, neue Modelle

Aber: Die muss zeitgemäß sein. Mohm lernte in der Ausbildung noch, welche Besonderheiten es etwa bei Lieferungen und Käufen in Überseestaaten gibt. Die Ausbildung seines Sohns sah ganz anders aus. Denn 2020 modernisierten die Handelskammern zusammen mit den Bankenverbänden, Ministerien und Lehrervertretern beim Bundesministerium für Berufsbildung die Ausbildung.

Just in dem Jahr, in dem auch die Hans-Böckler-Stiftung die alarmierenden Umfrageergebnisse zum Ausbildungsberuf der Bankkaufleute veröffentlichte. Über 21 Jahre lang hatte sich die Ausbildung nicht verändert.

„Angesichts der fast vollständig digital gewordenen Geschäftsprozesse in der Branche schien es selbsterklärend, dass sich neue Erfordernisse auch für die Erstausbildung ergaben“, argumentiert Grupe zur neuen Berufsausbildung. Nun stehe die Kundenbeziehung im Mittelpunkt und wie man für sie digitale Kanäle nutzen könne.

Eine gute Ausgangssituation für den Schritt ins Private Wealth Management. „Neben einer ganzheitlichen Kundenberatung ergänzt die Ausbildungsordnung methodische Kompetenzen, die im Zusammenhang mit projektorientierten Arbeitsweisen sowie der Optimierung und Weiterentwicklung von standardisierten Prozessen relevant sind“, meint Grupe.

Als natürlicher Feind einiger Ausbildungsberufe gilt aber auch das Studium. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung legt zwar nahe, dass nicht jede Ausbildung durch die Chance auf eine akademische Laufbahn gefährdet ist. Gleichwohl verweist die Studien-Mitautorin Naemi Härle etwas umständlich darauf, dass sich insbesondere für die kaufmännischen Berufe „deutliche Hinweise auf eine Substituierung von beruflichen durch akademische Bildungskarrieren“ erkennen ließen.

Ergo: Im Lebenslauf scheint für manchen Berufsanfänger die Aussicht auf einen Master of Business Administration doch attraktiver als eine Lehre bei einer Bank. Die Commerzbank versucht den Bankauszubildenden beides zu ermöglichen, fördert auch ein anschließendes Studium.

Mit der Warburg oder der Berenberg Bank bieten auch klassische Privatbanken eine „studienintegrierende Ausbildung“ für künftige Bankkaufleute an. Sie können gleichzeitig etwa Betriebswirtschaftslehre studieren. „Ein Ausblick, welche Optionen sich nach einer abgeschlossenen Erstausbildung ergeben könnten, ist für viele interessierte Bewerber ein wichtiger Aspekt“, erklärt DIHK-Experte Grupe und ergänzt: „Der Beruf der Bankkaufleute wird teilweise in ausbildungsintegrierenden Studiengängen kombiniert und ermöglicht so zwei Abschlüsse.“

Und dann gibt es ja auch noch die Chance auf eine Ausbildung als Bankkaufmann, ohne überhaupt bei einer Bank zu starten. So wie Mohms Sohn. Er startete seine Ausbildung im väterlichen Betrieb. Das Unternehmen hat keine Banklizenz, ist noch nicht mal Wertpapierinstitut. Stattdessen arbeitet Mohm mit der Dachorganisation von Finum Private Finance zusammen – so wie über 100 andere unabhängige Beraterinnen und Berater. Wie kann Mohm in dieser Konstellation seinen Sohn zum Bankkaufmann ausbilden?

Bankkaufleute ohne Bank

DIHK-Mann Grupe verweist auf flexiblere Ausbildungen als noch vor einigen Jahren: Möglich seien Kooperationsmodelle in Form einer Verbundausbildung. „Dabei werden die betrieblichen Ausbildungsabschnitte im Zusammenwirken verschiedener Ausbildungspartner absolviert“, präzisiert Grupe. Wie genau so ein Modell aussehen kann, das können interessierte Ausbildungsbetriebe mit den Industrie- und Handelskammern abklären und im Ausbildungsplan abstimmen.

Mohm machte genau das. Die örtliche Industrie- und Handelskammer glich den Leistungskatalog von seinem Haftungsdach Finum mit den Vorgaben des Ausbildungsrahmenvertrags ab, fand nur zwei kleinere Lücken im Schaltergeschäft und bei Verbraucherkrediten. Da das Schaltergeschäft auch im klassischen Bankgeschäft nur noch eine kleine Rolle spielt und Mohms Sohn das Kreditgeschäft im Finum-Kompetenzcenter Finanzierungen kennenlernen konnte, stand der Ausbildung nichts mehr im Wege.

„Die Voraussetzungen des Berufsbildungsgesetzes sowie der Mindestinhalte der Ausbildungsordnung sind von den meisten Betrieben erfüllbar – wer Nachwuchs benötigt und sucht, findet in diesem Rahmen einen Weg“, stellt Grupe von der DIHK klar. Denkbar ist etwa auch, dass Auszubildende gewisse Ausbildungsstationen bei dritten Unternehmen absolvieren.

Die Kosten, um Ausbildungsbetrieb zu werden, sind gering: Ein Tarifvertrag regelt nicht nur Punkte wie Urlaubsansprüche, sondern auch die Ausbildungsvergütung. Dazu kommen für die Ausbildungsbetriebe nur wenige Gebühren für die Industrie- und Handelskammer, erklärt Mohm: „Die Kosten sind überschaubar, der Standard-Ausbildungsvertrag regelt alle wichtigen Punkte.“

Hat also ein Unternehmen eine eigene Lizenz als Bank, Wertpapierinstitut oder arbeitet unter einem Haftungsdach, kann es Nachwuchs meist selbst ausbilden. Das helfe insbesondere unabhängigen Vermögensverwaltern, meint Mohm. Vor allem, weil diese in einer Umfrage des Instituts für Vermögensverwaltung der TH Aschaffenburg die Personalgewinnung abermals als größte Herausforderung sehen.

Die Ausbildung eigener Mitarbeiter ist eine Lösung, von der sie oft gar nicht wissen. „Auszubildende hatten bisher oft nur die Wahl zwischen Sparkasse und Genossenschafts-, manchmal noch Groß- oder Privatbank“, merkt Mohm an. „Alle anderen Finanzdienstleister haben sich fertige Bankkaufleute teuer eingekauft.“

Perspektiven gesucht

Dass sein Sohn nicht irgendwann auch ein Angebot erhält und die Firma verlässt, möchte Mohm mit einer klaren Perspektive verhindern: „Kurzfristig bringt eine Ausbildung einen gut ausgebildeten Mitarbeiter, mittel- oder langfristig vielleicht sogar einen Nachfolger, der das Geschäft übernimmt. Das müssen die Auszubildenden dann aber auch in Aussicht haben.“

Im Private Wealth Management der Groß- und Privatbanken gibt es ebenfalls Perspektiven für Auszubildende. So erklärt Klaus Naeve, Leiter Wealth & Asset Management von Berenberg: „Jüngere Kollegen haben noch keine langjährige Bindung und keine großen Bücher. Die Asset-Ansprüche sind also geringer – wir sehen in ihnen vor allem Akquisiteure, die bei uns ihr Buch aufbauen.“

 

So kann der Nachwuchs etwa einen Teil der Kunden übernehmen, die Berater nach dem Renteneintritt hinterlassen. Durch ihr meist jüngeres Alter können Auszubildende auch einen anderen Zugang zu Kunden gewinnen.

Für Commerzbank-Ausbilder Dietrich hat Ausbildung der Nachwuchskräfte darüber hinaus klare Vorteile: „Wir beeinflussen mit unserem fachlichen finanzwirtschaftlichen Input im Rahmen der Berufsausbildung sehr stark das Fachwissen unserer zukünftigen Beraterinnen und Berater.“ So könne man eine Basis für das Kundengeschäft legen und sie steuern.

„Zudem schaffen wir mit einer hohen Zahl an jungen Menschen durch die Bankausbildung eine gesunde Altersdurchmischung unserer Teams an den Kundinnen und Kunden.“ Die Commerzbank wolle weiter Mitarbeiter selbst ausbilden. Und ist damit nicht alleine.

Denn tatsächlich zeichnet sich eine gewisse Trendwende bei den Ausbildungsverträgen der Bankkaufleute ab. Die Zahlen von vor der Corona-Pandemie haben die Ausbildungsbetriebe schon wieder übertroffen. Etwa 8.700 Bankkaufleute starteten 2023 ihre Ausbildung. Darunter auch: Mohms zweiter Sohn, der seinem älteren Bruder nacheifert. Er ist dann einer von wieder etwas mehreren.

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