Der Investitionsstau in Sachen Infrastuktur ist groß in Deutschland. Dabei ist der Ausblick für die Assetklasse insgesamt, getrieben von Megatrends wie ökologischer und digitaler Transformation, langfristig positiv. Die Schätzungen liegen zwischen 1,1 und 5 Billionen Euro, die es kosten wird, das gesetzlich bindende Ziel von Klimaneutralität in Deutschland bis 2045 zu erreichen. In jedem Fall wird viel Kapital benötigt, welches der Staat kaum alleine aufbringen können wird, sieht er sich doch aktuell auch zahlreichen anderen Herausforderungen ausgesetzt. So fließen 127 Milliarden – mehr als ein Drittel des Bundeshaushaltes 2024 – in die Stabilisierung der Rentenkasse – Tendenz steigend.
Es gilt daher auch das Kapital institutioneller Anleger wie Versicherungen, Stiftungen, Pensionskassen, Pensionsfonds und Versorgungswerke, für den Übergang zu einer kohlenstofffreien Wirtschaft mit moderner und digitaler Infrastruktur nutzbar zu machen. Infrastruktur als Assetklasse kann neben einem Beitrag zur Finanzierung der Energiewende auch Einrichtungen der privaten und betrieblichen Altersvorsorge als Portfoliobaustein dienen und somit einen Beitrag zur Gewährleistung einer stabilen Altersvorsorge leisten.
Wie ist der Status quo der Assetklasse Infrastruktur in Deutschland, welche Hürden gibt es aktuell noch und welche Chancen ergeben sich? Diesen Fragen widmete sich der BAI in einer umfangreichen aktuellen Studie basierend auf repräsentativen Daten von 109 deutschen institutionellen Investoren und 13 Interviews mit Branchenexperten.
Die Beantwortung dieser Frage ist zweigeteilt.
- Welche Rolle spielt Infrastruktur in den Portfolios deutscher institutioneller Investoren?
- Welche Rolle spielen deutsche Infrastrukturprojekte bei den Investitionen deutscher institutioneller Investoren?
1. Die Rolle von Infrastruktur in den Portfolios deutscher institutioneller Investoren
Die Daten zeigen, dass Infrastruktur nicht mehr aus den Portfolios deutscher institutioneller Investoren wegzudenken ist. Infrastruktur Equity ist mittlerweile gar zur zweitwichtigsten alternativen Anlageklasse nach Immobilien Equity aufgestiegen (siehe Grafik 1). Die zunehmende Bedeutung von Infrastruktur für Investoren in Deutschland ist damit im Einklang mit weltweiten Daten.

Die hohe Inflation im Nachgang der Covid-19 Pandemie und die folgende dramatische Zinswende, einhergehend mit makroökonomischen Risiken, machte jedoch auch vor der Assetklasse nicht halt. So waren 2023 Liquiditätsengpässe und ein Rückgang von Infrastrukturtransaktionen zu verzeichnen.
Experteninterviews sowie Marktdaten und Prognosen deuten jedoch darauf hin, dass sich die Marktsituation im Zuge der weiteren erwarteten Zinssenkungen schnell erholen wird. Infrastrukturinvestitionen erfüllen im aktuellen Marktumfeld für Investoren auch deshalb eine wichtige Rolle in der Asset-Allokation, da sie häufig als Absicherung gegen Inflation betrachtet werden und oftmals aufgrund langfristiger Verträge mit stabilen Erträgen eine inflationsgebundene Einkommensquelle darstellen. Auch spielen ESG-Aspekte (Environmental, Social, and Governance) für Investoren eine wachsende Rolle und Investitionen in erneuerbare Energien oder soziale Infrastruktur können helfen ESG-Zielsetzungen zu erreichen.
Das BAI Alternative-Investments-Stimmungsbarometer bestätigt, dass sowohl Infrastruktur Equity als auch -Debt die Erwartungen im Vergleich mit anderen alternativen Anlageklassen in den vergangenen schwierigen Marktphasen besser erfüllen konnten und die aktuelle Stimmung gegenüber Infrastrukturinvestitionen von Investoren als positiver wahrgenommen wird als bei anderen alternativen Anlageklassen. Kurzfristige Herausforderungen aufgrund des Makroumfeldes werden von Megatrends wie Digitalisierung und Energiewende überlagert, welche die langfristige Entwicklung der Anlageklasse positiv beeinflussen werden.
Die klare Mehrheit der befragten institutionellen Investoren will ihre Allokation in Infrastruktur Equity und Infrastruktur Debt erhöhen und die strategische Bedeutung von Infrastruktur in den Portfolios nimmt weiter zu - sowohl im Verhältnis zu anderen alternativen Anlageklassen als auch in absoluten Zahlen (siehe Grafik 2).

Fazit: Infrastrukturinvestitionen sind trotz kurzfristiger Schwierigkeiten insgesamt langfristig attraktiv für deutsche institutionelle Investoren und die Bedeutung in ihren Portfolios nimmt zu.
2. Investitionen in deutsche Infrastrukturprojekte durch deutsche institutionelle Investoren
Also ist die Nutzung institutionellen Kapitals zur Finanzierung zukunftsfähiger Infrastruktur in Deutschland auf einem guten Weg? So einfach ist es leider nicht. Neben der Erkenntnis, dass Infrastruktur als Anlageklasse für deutsche Investoren aktuell vorteilhaft ist, muss auch berücksichtigt werden, dass sich Deutschland als Empfängerland von Investitionskapital in hartem internationalem Wettbewerb befindet und deutsche institutionelle Investoren global nach Anlagemöglichkeiten suchen. Getrübt wird das Bild demnach dadurch, wo die Infrastrukturprojekte lokalisiert sind, die deutsche Investoren aktuell finanzieren, beziehungsweise in die sie investieren. Hierbei zeigt sich, dass über 80 Prozent der befragten Investoren momentan überwiegend ins Ausland investieren (siehe Grafik 3).

Es gilt daher zu verstehen, was grundsätzlich entscheidende Standortfaktoren sind, damit ein institutioneller Investor in Infrastrukturprojekte in einem Land investiert und woran es in Deutschland aktuell noch hapert.

Grundsätzlich müssen Investoren in erster Linie Renditeverpflichtungen erfüllen und investieren regional diversifiziert. Entsprechend ist mit 93 Prozent die Attraktivität der Risiko-Rendite-Struktur der mit Abstand wichtigste Standortfaktor für Investitionen in ein Infrastrukturprojekt (siehe Grafik 4). Die Struktur des deutschen Energiemarktes mit geringen Risikoprämien und Ineffizienzen aufgrund von bürokratischen Hürden wurden hierbei als Hemmnisse für den Standort Deutschland im Vergleich zu anderen Märkten angeführt. Gleichzeitig ging aus den Interviews hervor, dass die Stimmung in Deutschland grundsätzlich als unterstützend für Investitionen in erneuerbare Energien wahrgenommen wird, eine positive Tendenz erkennbar ist und attraktive Investitionsmöglichkeiten in Infrastruktur in Deutschland existieren.
Interessanterweise spielt die aktive Unterstützung des Staates für Investitionen in Infrastruktur aus der Perspektive der befragten Investoren nur eine geringe Rolle. Staatliche Unterstützung allein schafft keine Anreize für LPs, wenn die zugrundeliegenden Rahmenbedingungen, wie die Risiko-Rendite-Struktur und regulatorischen und bürokratischen Strukturen, nicht investitionsfördernd sind.

Eine konkrete Maßnahme um den regulatorischen Rahmen für Infrastrukturinvestments für Versorgungswerke, Pensionskassen und kleine Versicherer zu verbessern, könnte hierbei die Einführung eine Infrastrukturquote (siehe Grafik 5), die nicht unter Risikokapital fällt, in der bundesweiten Anlageverordnung sein. Gespräche zeigten weiterhin die Problematik unklarer ESG-Regelungen, die für Verunsicherung sorgen. Auch gilt es die teilweise vorherrschende Skepsis gegenüber der Nutzung von privatem Kapital zur Finanzierung der Energiewende in Deutschland zu überwinden und Bewusstsein dafür zu schaffen welchen Beitrag institutionelle Investoren hier leisten können. Bessere Rahmenbedingungen und größere Bereitschaft zur Verwirklichung von öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP, engl. PPP) könnten außerdem die Effizienz bei der Umsetzung von regionalen Infrastrukturprojekten in Deutschland erhöhen.
Aktuelle Gesetzesinitiativen zur Förderung von Infrastrukturinvestitionen
Der Gesetzgeber hat seit Erscheinen der Studie mittlerweile zwei Maßnahmen vorgestellt, um Herausforderungen auf regulatorischer Seite anzugehen. Zum einen veröffentlichte das Bundesministerium der Finanzen am 21. Mai 2024 einen Diskussionsentwurf zur Förderung von Investitionen von Investmentfonds in Erneuerbare Energien und Infrastruktur (InfrastrukturFörderGesetz). Mit den Änderungen sollen die Investitionsmöglichkeiten für Investmentfonds in erneuerbare Energien und Infrastruktur erweitert werden, um mehr privates Kapital für diese Zwecke zu mobilisieren. Der Entwurf enthält einerseits wichtige Änderungen im Fondsaufsichtsrecht (Kapitalanlagegesetzbuch - KAGB) in Bezug auf Infrastrukturinvestitionen, andererseits aber auch deutliche Verbesserungen im Investmentsteuergesetz (InvStG).
Der Diskussionsentwurf sieht vor, dass die Begrenzung der aktiven unternehmerischen Bewirtschaftung ab 1. Januar 2025 vollständig aufgehoben wird. Weiterhin wird durch eine Änderung im InvStG klargestellt, dass nicht nur in Immobilien-Gesellschaften eine aktive unternehmerische Bewirtschaftung stattfinden darf, ohne dass dies auf die Ebene des Spezial-Investmentfonds durchschlägt, sondern auch in Infrastrukturgesellschaften, ÖPP-Projektgesellschaften sowie Erneuerbare-Energien-Gesellschaften.
Auch hinsichtlich der erlaubten Anlagegegenstände, in die der Spezial-Investmentfonds investieren darf, sieht der Entwurf Lockerungen vor. Investitionen in andere Fonds sollen nicht mehr zwingend erfordern, dass diese auch die strengen Kriterien eines Spezial-Investmentfonds aufweisen, was insbesondere Investitionen in Infrastrukturfonds erleichtern würde.
Durch flankierende Änderungen im KAGB soll das aufsichtsrechtlich zulässige Anlagespektrum erweitert werden, so dass ein rechtssicherer Rahmen für die Fondsbranche geschaffen wird.
Daneben veröffentlichte das BMF am 27. Juni 2024 den Referentenentwurf eines zweiten Betriebsrentenstärkungsgesetzes. Dieser enthält unter anderem die lang ersehnte Einführung einer Infrastrukturquote für Investitionen von Altersvorsorgeeinrichtungen in der Anlageverordnung (AnlV). Die neue Quote soll Infrastrukturinvestitionen erleichtern, indem die entsprechenden Anlagen nicht auf die bestehenden Mischungsquoten der Anlageverordnung nach § 3 Abs. 1 bis 6 AnlV angerechnet werden und daher nicht mit anderen Anlagen konkurrieren. Die Infrastrukturquote befindet sich somit auch außerhalb der Risikokapitalquote, welche durch den Referentenentwurf ebenfalls – von 35 auf 40 Prozent – erhöht werden soll.
Fazit: Politische Entscheidungsträger müssen die Defizite angehen und die entscheidende Rolle von Privatkapital zur digitalen und ökologischen Transformation anerkennen, was einen klaren Regulierungsrahmen erfordert. Aktuelle Gesetzesinitiativen zur Förderung von Infrastrukturinvestitionen geben jedoch Anlass zu Optimismus. Trotz kurzfristiger Herausforderungen sind die langfristigen Aussichten für Infrastruktur-Investitionen in Deutschland marktseitig ohnehin sehr gut.
Die komplette Studie finden Sie in Englischer Sprache unter folgendem Link.
Die Pressemitteilung des BAI zu den Gesetzesinitiativen zur Förderung von Infrastrukturinvestitionen finden Sie hier.
Über die Autoren
Sina Nennstiel ist beim Bundesverband für Alternative Investments (BAI) als Referentin im Bereich Recht, Regulierung und Steuern tätig. Zu ihren Aufgaben zählt insbesondere die Begleitung der Verbandsarbeit zu europäischen und nationalen regulatorischen Vorhaben. Nach dem Wirtschaftsrechtstudium an der TU Dresden absolvierte sie das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität in Bonn.
Florian Bucher ist Referent beim BAI. Weitere Stationen von ihm waren beim Schweizer Beratungsunternehmen Egon Zehnder und im Rahmen seines Studiums beim unabhängigen Forschungsinstitut IZA.