Das eigene Haus war lange Zeit der Inbegriff des amerikanischen Traums. Doch inzwischen ist das Wohnen zur Miete in den USA kein Stigma mehr – im Gegenteil, wie die teils mondänen Multifamily-Anlagen zeigen, die seit einigen Jahren aus dem Boden wachsen. Langfristige gesellschaftliche Entwicklungen sprechen dafür. Gewusst wie, kann es sich für Investoren aus Europa lohnen, diesen Trend nicht länger zu ignorieren.
Landläufig gelten die USA hierzulande als Land der Hauseigentümer, das Haus im Grünen mit großzügigem Garten als Inbegriff des American Dream. Was viele jedoch nicht wissen: Mittlerweile wohnt laut der Federal Reserve Bank of St. Luis mehr als ein Drittel der Amerikaner, nämlich 100 Millionen Menschen in einer Mietwohnung. Das hing zeitweise noch mit der Subprime-Krise zusammen: Eine zu großzügige Darlehensvergabe führte 2007/08 zu schweren Verwerfungen am US-Immobilienmarkt und letztlich zur globalen Finanzmarktkrise. Darauf reagierten die Kreditgeber, indem sie die Anforderungen an die Bonität der Darlehensnehmer steigerten.
Doch der Trend zur Miete ist keineswegs nur dem Mangel an Eigenkapital geschuldet. Immer mehr US-Bürger entscheiden sich ganz bewusst für eine Mietwohnung, die zu einem flexiblen und unbeschwerten Lifestyle passt, obwohl sie sich durchaus eine eigene Immobilie leisten könnten. Zumal bei hochwertigen Anlagen hilfreiche Dienstleistungen wie ein Concierge-Service der Convenience-Mentalität der Amerikaner entgegenkommen.
Viele Multifamily-Anlagen sind hervorragend ausgestattet. Entsprechend genießt das Wohnen zur Miete im Vergleich zu früher heute eine wesentlich höhere soziale Akzeptanz. Hinzu kommt, dass auch in den USA die durchschnittliche Haushaltsgröße sinkt und es immer mehr Single-Haushalte gibt, für die Wohnen zur Miete tendenziell eher infrage kommt. Laut offizieller Volkszählung durch die Bundesbehörde United States Census Bureau betrug die durchschnittliche Haushaltsgröße 1990 noch 2,63 Personen. Im Jahr 2023 lag die Quote bei 2,51. 1990 waren 24,6 Prozent der Haushalte Single-Haushalte, mittlerweile sind 29 Prozent.
Frei von Überregulierung
Dass der Mietwohnungsmarkt in den USA kein Schattendasein führt, belegen auch die immobilienwirtschaftlichen Kennzahlen. Der US-Immobilienfinanzierer Freddiemac erwartet für das Gesamtjahr 2023 ein Investmentvolumen im Multifamily-Segment von rund 370 Milliarden US-Dollar. 2010 lag das Volumen noch deutlich unter 100 Milliarden Dollar. Der Anstieg ist folgerichtig, kann doch der Wohnraum in den USA mit ihrem stabilen Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum in vielen Regionen durchaus als knapp bezeichnet werden.
Hinzu kommt, dass der US-Wohnungsmarkt weitgehend frei von staatlichen Eingriffen ist. Die Mietverträge laufen üblicherweise nur für ein Jahr, bereits nach zwölf Monaten kann der Vermieter somit die Miete neu festsetzen. So ist die Mietsteigerung in den vergangenen Jahren kontinuierlich angewachsen und hat laut Statista Anfang 2022 einen Wert von 13,6 Prozent erreicht. Für Investoren kann sich die Anfangsrendite einer Liegenschaft (Cap-Rate) von vier Prozent dann innerhalb von fünf Jahren schnell zu einer Mietrendite von sechs Prozent entwickeln.
Nachfrageüberhang bleibt bestehen
Nachdem in den USA zehn Jahre lang zu wenig Mietwohnungen gebaut wurden, sind sowohl die Zahl der zum Verkauf stehenden Objekte als auch die Leerstandsquoten bei Mietwohnungen so niedrig wie seit zwanzig Jahren nicht mehr. Orientiert man sich an den Zahlen des Census Bureaus, besteht ein Nachfrageüberhang von etwa drei Millionen Wohneinheiten.
Laut Moody’s Analytics befindet sich die sogenannte Erschwinglichkeit von zum Verkauf stehenden Wohnimmobilien auf einem Allzeittief. Die Kosten für die Finanzierung einer Wohnimmobilie haben sich allein im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt. Und diese Gesamtsituation wird sich in absehbarer Zeit kaum ändern, weil die Inflation der vergangenen Jahre die Baukosten überproportional in die Höhe getrieben hat und zudem die Leitzinsanhebungen die Finanzierung von Projekten verteuert haben. Daher werden sowohl weniger neues Wohneigentum als auch weniger Multifamily-Komplexe errichtet – während die Nachfrage potenzieller Mieter weiter wächst.
Es muss nicht immer New York oder San Francisco sein
Bei aller positiven Bewertung des Sektors sollte man allerdings nicht den Fehler vieler europäischer Investoren machen, die USA pauschal als homogenen Immobilienmarkt zu beurteilen. Schließlich sind die regionalen Unterschiede immens. Während in Metropolen wie New York oder San Francisco geradezu groteske Kaufpreise aufgerufen werden, erscheint der Südosten deutlich günstiger. Landesweit ist die US-Wirtschaft nach Angaben der Regierung seit dem Ausbruch der Pandemie um 5,4 Prozent gewachsen. Das vergleichbare Wachstum in den G7-Staaten liegt mit lediglich 1,3 Prozent deutlich darunter.
Interessant ist, dass der Südosten der USA besonders gut abschneidet und von einem Investitionsboom profitiert. So kann der Sunbelt im Hinblick auf Zuzugszahlen, Beschäftigungsquote und Wirtschaftsentwicklung als ausgesprochener Wachstumsmarkt bezeichnet werden. Laut Census Bureau ist im vergangenen Jahrzehnt die Bevölkerung im Bundesstaat New York um etwa 4 Prozent, in Kalifornien um 6 Prozent und in Michigan um 2 Prozent gestiegen. In North Carolina indes lag der Anstieg im selben Zeitraum bei 10 Prozent, in Florida und Georgia bei etwa 15 Prozent und in Texas sogar bei 16 Prozent. Dagegen ist das Bruttoinlandsprodukt laut U.S. Bureau of Economic Analysis zwischen 2017 und 2022 in New York nur um 4,7 Prozent, in Texas jedoch um 7,6 Prozent gestiegen.
Unternehmen wissen die vielen hoch qualifizierten Fachkräfte, die niedrigen Arbeits- und Betriebskosten, die Steuervorteile sowie die ausgezeichnete Infrastruktur zu schätzen. Die vergleichsweise günstigen Lebenshaltungskosten machen die Staaten im Südosten zusätzlich attraktiv. Insgesamt sind dort das Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum größer, der Lebensstandard höher und die Lebenshaltungskosten niedriger als in den Gateway-Cities an der Ost- und Westküste.
Möglichkeiten für Investoren
Zusammenfassend lässt sich sagen: Für US-Haushalte mit begrenztem Einkommen bleibt Mieten alternativlos – nicht zuletzt bei stark gestiegenen Hypothekenzinsen. Und da sich nach nuserer Beobachtung auch immer mehr US-Bürger, die finanziell gut aufgestellt sind, für hochwertige Mietobjekte interessieren, wird die Nachfrage nach komfortablen Mietwohnungen weiter zunehmen – insbesondere vor dem Hintergrund einer stagnierenden Bautätigkeit und einem stabilen Bevölkerungswachstum.
Diese Erkenntnis bietet Investoren, die sich gegen eine steigende Inflation absichern wollen, attraktive Möglichkeiten. Allerdings sollte auch nicht unterschätzt werden, dass Multifamily-Investments in den USA keine Selbstläufer sind. Die Innovationszyklen sind kurz und die Mieter anspruchsvoll.
Wechselkursrisiko und ESG
Dazu besteht für institutionelle Investoren, wie auch für Privatinvestoren, die Motivation in Märkten zu investieren, die man kennt, die nahe sind und die außer den Immobilienrisiken keine weiteren Marktvariablen (wie Währungsschwankungen) bieten. Dennoch sind institutionelle Investoren und große Family Offices aufgrund von Diversifikationsvorteilen gut beraten und teilweise gezwungen auch über den Tellerrand zu blicken und ihr Real Estate-Portfolio nicht nur auf ein Land oder einen Währungsraum zu konzentrieren.
Die damit einhergehenden Risiken sowie Chancen müssen jedoch individuell bewertet werden, was lokales beziehungsweise spezielles Know-How benötigt. Dieses steht aber entweder intern oder über auf internationale Immobilieninvestment konzentrierte Investment Manager als Berater zur Verfügung. Zu beobachten ist natürlich, dass der Anspruch an die Rendite des Investments steigt, je mehr unbekannte Marktkonditionen existieren. Die geografische Diversifikation des Real Estate-Portfolios bietet im Ganzen aber Vorteile gegenüber einer zu hohen Konzentration im heimischen Markt, der durchaus übergewichtet sein darf.
Zudem ist auch in Sachen ESG einiges im Gange in den USA. Es stimmt, dass das Thema auf der anderen Seite des Atlantiks noch eher durch den Markt geregelt wird und nicht, wie in Europe, vor allem durch Regulierung und Gesetze bestimmt wird. Ein weiterer Grund für die Wahrnehmung der unterschiedlichen Auslegung ist wahrscheinlich die noch unabgestimmten Zertifizierungen, die sich in den USA von denen in Europa unterscheiden. Doch auch hier sei angemerkt, dass Labels wie „LEED“ durchaus mit den europäischen Vorgaben vergleichbar sind und von europäischen Investoren gut beurteilt werden können.
Dazu sollte man die Wandlungsfähigkeit und -schnelligkeit in den USA nicht unterschätzen. Wir beobachten in den letzten Jahren einen starken Trend, neue Gebäude unter Nachhaltigkeitsaspekten zu errichten, zu betreiben und diese nach internationalen Standards zu zertifizieren. Dies trifft vor allem auf den Office-Markt und zentrale Standorte zu (vor allem LEED), kommt aber auch vermehrt bei anderen Assetklassen wie Multi-Family (beispielsweie NGBS Green) zum Tragen, da diese Zertifizierungen schon heute durchaus einen Einfluss auf Marktpreise und Finanzierungskonditionen von Banken haben.
Über den Autor
Peer Bender ist seit bald 18 Jahren Geschäftsführer (CEO) von Acron.
Über Acron
Die 1981 gegründete Immobilieninvestor hat seinen Hauptsitz in Zürich. Jedes bislang realisierte Immobilienprojekt basiert auf einer Single-Asset-Struktur zum Vertrieb in der Schweiz, Deutschland, Österreich und den USA. Das Transaktionsvolumen des Unternehmens belief sich im Januar 2023 auf gut 2,4 Milliarden Euro. Zu den Kunden zählen Privatanleger, institutionelle Investoren sowie Familien aus der ganzen Welt. Tochtergesellschaften gibt es in Dallas, Düsseldorf, Sâo Paulo und Luxemburg.