Aus Vermutungen wurde Gewissheit. Angeführt von der National Security Authority (NSA / USA) und dem Government Communications Headquarter (GCHQ / UK), spähen die westlichen Nachrichtendienste auch ihre eigenen Mitbürger aus. Selbstverständlich nur zum Wohle der jeweiligen nationalen Sicherheit.
Nun ist ein natürliches Misstrauen gegenüber Regierungen und ihren nachgelagerten Institutionen stets eine gesunde Grundhaltung. In diesem Fall geht es aber nicht um eine temporär übermütige Regulierungsbehörde oder ein schwarzes Schaf bei der Exekutive. Hier sprechen wir über eine systematische Überwachung aller digitaler Spuren eines Bürgers.
Alleine die Liste an neuen Erkenntnissen der letzten Woche ist ausreichend ernüchternd (Sascha Lobo zitierend):
- Das "Wall Street Journal" berichtet unter Berufung auf andere Quellen als die Snowden-Leaks, dass die NSA fast alle Daten abgreift, die über die Vereinigten Staaten laufen.
- Die NSA soll laut Guardian Millionen an IT-Konzerne gezahlt haben, um deren Kosten für die Überwachung zu decken.
- Obamas Aussage, die NSA habe ihre Macht nicht missbraucht, stellte sich als unwahr heraus.
- Das Hauptquartier der Uno wurde gezielt und mit hohem Aufwand ausgehorcht.
- Eine Online-Petition, mit der eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof zu Tempora erreicht werden sollte, hat der deutsche Bundestag gar nicht erst zugelassen.
- Selbst das „sichere“ VPN Netzwerk des französischen Außenministeriums wurde seitens der NSA gezielt gehackt.
- Premier Cameron setzte New York Times und Guardian massiv unter Druck
- Laut Washington Post arbeitet die NSA (Budget: 11 Milliarden US-Dollar / 35.000 Mitarbeiter) an der Cryptocalypse – also jenem Punkt, an dem die derzeit wichtigsten Verschlüsselungsstandards geknackt sind.
Wie wenig Vereinte Nationen, EU Kommission und die auswärtigen Ämter von ausgespähten Botschaften zumindest öffentlich gegenüber diesem Vertrauensbruch unter Freunden protestierten, lässt zumindest diese drei Schlüsse zu:
- sie wussten von diesen Aktivitäten
- sie wussten davon nichts, ordnen sich aber dem stärkeren Partner unter und schweigen
- sie wussten davon nichts, wollen aber ihre eigene Ohnmacht kaschieren, in dem sie das Thema medial klein zu halten versuchen
Notiz am Rande: Edward Snowden in Westeuropa Asyl zu verwehren zeigt die flach wurzelnde Verankerung humanistischer Überzeugungen nach 400 Jahren Aufklärung, Sobald diese den realpolitischen Abwägungen gegenüber gestellt werden, gewinnt Pragmatismus die Oberhand. Den Journalisten bei Guardian, New York Times, Wall Street Journal und Spiegel gebührt meine Anerkennung, sich nicht von staatlichen Interventionen davon abbringen zu lassen, für den Bürger und seinen Freiheitsrechten relevante Information aufzubereiten.
Ein Gedankenexperiment
Bisher blieben die Konsequenzen des NSA/GCHQ Skandals für das Asset Management unreflektiert. Der deutsche Innenminister geht davon aus, dass Wirtschaftsspionage gegenüber Freunden seitens der NSA nicht durchgeführt wurde. Hätten manche Politiker für naive Aussagen persönlich zu haften, würde sie wohl sorgfältiger ihre Quellen überprüfen.