Asset Allocation von Family Offices „Es ist ein Fehler, die Zukunft nur auf Basis von Reportings zu planen“

Christian Hammes, Eta Family Office (links), und Yvonne Brückner vom Forschungsinstitut Resfutura.

Christian Hammes, Eta Family Office (links), und Yvonne Brückner vom Forschungsinstitut Resfutura. Foto: Eta Family Office, Resfutura

Geopolitische Spannungen, Klimawandel und technologische Umbrüche prägen die kommenden Jahrzehnte. Doch haben Unternehmerfamilien und Family Offices ihre Vermögensstruktur für diese fundamentalen Veränderungen aufgestellt? Yvonne Brückner, Leiterin des Forschungsinstituts Resfutura, und Christian Hammes vom Eta Family Office wollen dies in einer Befragung unter Family Offices und Vermögensinhabern erheben (mehr Infos am Artikelende). Im Interview erklären sie, warum die auf Vergangenheitsdaten basierende Vermögenssteuerung nicht mehr ausreicht, was sie unter dem Begriff Säkulare Asset Allocation verstehen, und mit der Umfrage bewirken wollen.

private banking magazin: Säkulare Asset Allocation – ist das nur ein schicker Begriff oder ein tatsächlich kaum verbreiteter Ansatz?

Christian Hammes: Eine Vermögensstrategie entsteht normalerweise aus den mathematischen Prinzipien einer strategischen Asset Allocation. Man überlegt, welche Performance man welcher Assetklasse zugesteht, misst Risiken und modelliert daraus die Strategie. Diese Performance-Erwartungen leiten sich meist aus der Vergangenheit ab. Da wir aber in eine Welt gehen, in der Umbrüche auf verschiedenen Ebenen auf Vermögen wirken werden, ist die Säkulare Asset Allocation eine Antwort darauf. Sie ergänzt die rückwärtsgewandte Vermögensplanung um langfristige, nach vorne gerichtete Überlegungen. Die ergeben sich etwa aus dem Aufstieg des globalen Südens, einer multipolaren Welt, demografischen Umbrüchen oder einer Überschuldung der Staaten des globalen Westens.

Yvonne Brückner: Diese klar nach vorne gerichtete Perspektive ist deshalb erfolgswesentlich, weil bewährte Strategien eben nur dann leistungsfähig bleiben, wenn die Rahmenbedingungen vergleichbar bleiben. In dem Moment, in dem sich die diese fundamental verändern, muss neu gedacht werden. Nehmen Sie den Klimawandel: Mit Extremwetterereignissen, die unter anderem zur Disruption von Lieferketten, Produktions- und Ernteausfällen und teils gewaltigen Schäden führen, spüren wir das heute schon.

Hammes: Es ist ein großer Fehler bei der Vermögenssteuerung, die Zukunft nur auf Basis von Reportings zu planen. Für Familienvermögen ist es enorm wichtig, über das Reporting hinaus Entscheidungsgrundlagen aufzubauen. Und es ist notwendig, sich konstruktiv und akademisch, mit diesen Fragestellungen auseinanderzusetzen.

Wie hoch ist das Interesse bei Vermögensinhabern und Family Offices, sich mit solchen scheinbar weit entfernten Zukunftsszenarien zu beschäftigen?

Brückner: Bei denen, die sich bewusst sind, dass sich die Rahmenbedingungen grundlegend ändern, ist das Interesse zumeist gegeben. Aber Family Officer und Vermögensinhaber sind normale Menschen mit vollen Terminkalendern und Schreibtischen. Da sind Reportings durchzusehen und Meetings mit Dienstleistern abzuhalten. Dinge, die faktisch oder auch nur scheinbar keinen unmittelbaren Handlungsdruck ausüben, werden gerne auf Wiedervorlage geschoben.

Hammes: Ich führe dieses Thema seit eineinhalb Jahren in meinen Mandaten ein. Am Anfang fanden die Familien das interessant, haben sich aber eher emotional dazu verhalten. Nach dem Motto: ‚Der Aufstieg des globalen Südens ist ganz nett, aber China ist mir zu unsicher und ich investiere lieber in sicheren Rechtsräumen.‘ Im zweiten Schritt haben wir diese Themen quantifiziert. Man versucht, Seismografen im Vermögen zu setzen – zum Beispiel, um zu sehen, wie inflationssensitiv das Vermögen auf verschiedene Effekte reagiert. Dann entwickelt sich zu diesen Themen ein klareres Verhältnis und die Vermögensinhaber sehen größeren Handlungsbedarf – ausgehend von der eigenen Strategischen Asset Allocation. In Familien, in denen die nachfolgende Generation anfängt, Verantwortung zu übernehmen, ist das Interesse an dieser Fragestellung und ihrer Akademisierung groß. Dort, wo wir mit dem Prinzipal allein sprechen, der 70 Jahre oder älter ist, ist es begrenzt.

Woran liegt das?

Brückner: Wir sehen hier Verhaltensökonomik in der Praxis. Ältere Unternehmerpersönlichkeiten sind Menschen, die in den Nachkriegsjahrzehnten mit einer gewissen Art zu handeln großen Erfolg hatten. Deshalb sind sie heute im Family-Office-Kontext unsere Gesprächspartner. Gegen den Vorschlag, Herangehensweisen zu ändern, gibt es aufgrund dieses Erfahrungsschatzes einen natürlichen Abwehrreflex. Schließlich haben die etablierten Ansätze lange sehr gut funktioniert. Jüngere, die die Erfolgsgeschichten ihrer Eltern und Großeltern nur aus Erzählungen kennen, sind nicht vergleichbar vorgeprägt und eher offen, das, was sich mit Blick auf ökologische und gesellschaftliche Systeme abzeichnet, analytisch zu betrachten und zu strukturieren. Das belegt: Erfolge aus der Vergangenheit können hinderlich sein, wenn es darum geht, sich an eine neue Zukunft anzupassen.

 

Ist solch eine langfristige Perspektive für Family Offices also gar nicht so selbstverständlich?

Brückner: In nahezu jedem Family Office, mit dem ich spreche, ist der reale Vermögenserhalt das Konsens-Minimalziel im Gesellschafterkreis. Nur wird sich häufig im weiteren Verlauf gar nicht gründlich damit auseinandergesetzt, wie sich dieses Ziel in eine Strategie übersetzt.

Hammes: In der Praxis nehme ich wahr, dass die allermeisten glauben, dass sie langfristige Trends abtasten. Doch letzten Endes sind es Fragestellungen, die sich aus der – kurzfristig gedachten – taktischen Asset Allocation ableiten. Deshalb sind die Themen, wenn ich sie in meiner Beratungspraxis anbringe, für viele Mandanten neu. Ich begleite zum Beispiel eine Stiftung, die derzeit eine Portfolioplanung für ihr Stiftungsvermögen in zehn Jahren macht. Selbst dort wurden zunächst vornehmlich statistische Daten für die Planung genutzt, aber nicht ökonomische Umbrüche, die anzweifeln lassen, dass die statistischen Daten aus der Vergangenheit überhaupt valide sind. 

Inwieweit diese Beobachtungen in der Breite auf Single Family Offices zutreffen, wollen Sie nun in einer Umfrage erheben. Was ist das Ziel der Befragung?

Brückner: Wir wollen mit einem Fragebogen die Relevanz-Einschätzung von Vermögensinhabern und ihren Family Officern zu großen Dynamiken abfragen und dokumentieren, wie Familien sich bislang zu den säkularen Kraftfeldern positionieren oder positionieren wollen. Das Bild, das sich aus den Antworten ergibt, werden wir in einer Studie wiedergeben und es ist die Grundlage, um mit Family Offices und Vermögensträgern in die Diskussion zu gehen. Wie verhalten sie sich zu diesen künftigen Herausforderungen? Und wollen sie diese in ihrer strategischen Asset Allocation stärker berücksichtigen? Darauf aufbauend wollen wir Leitplanken besprechen, Investmentchancen aufzeigen und Risikomanagement-Möglichkeiten aufzudecken.

Über Resfutura:

Als anwendungsorientiertes Forschungsinstitut und Netzwerkplattform für Hochvermögende und Unternehmerfamilien identifiziert Resfutura strategische Erfolgsfaktoren und unterstützt dabei, entsprechende Strategien in der Praxis zu implementieren. Resfutura pflegt Kontakt zu rund 260 hochvermögenden Adressen im deutschsprachigen Raum und erweitert diesen Kreis stetig um interessierte Vermögensträger und ihre Family Officer.  

Wie stellen Sie sicher, dass es am Ende keine akademische Erhebung ohne Praxisrelevanz bleibt?

Brückner: Es geht darum, Vermögensträger und Family Officer einzuladen, ihre eigenen Erwartungen zu bilden und dann zu überprüfen, ob das Vermögen richtig aufgestellt ist – zum Beispiel für eine längere Phase starker Inflation. Ist der Vermögensinhaber vor allem in Assets investiert, die von Inflationsszenarien negativ betroffen sind, muss er sich fragen, ob dies zu seiner Inflationserwartung passt und somit für ihn kein Problem darstellt. Oder befürchtet er, dass es zu struktureller Inflation kommen könnte. Dann sollte die strategische Asset Allocation angepasst und größere Teile des Vermögens in Unternehmen und Branchen investiert werden, die Preissetzungsmacht besitzen – die also Preissteigerungen im Falle einer Inflation an ihre Kunden weiterreichen können. Analog sollten sämtliche säkulare Dynamiken abgeklopft werden.

Hammes: Vier wesentliche Handlungsstränge erkenne ich aktuell in meiner Arbeit: Erstens bereiten sich Familien auf das steigende Risiko kriegerischer Auseinandersetzungen in Europa vor – etwa wie man die Familie auf einen anderen Kontinent bringen und trotzdem Zugriff aufs Vermögen behalten kann. Zweitens bildet man Budgets für technologische Trends wie beispielsweise Quant Computing. Drittens gibt es Internationalisierungsstrategien mit Fokus auf die Emerging Markets, die beispielsweise bis zu liquiden Investments in Afrika reichen. Und viertens schützen sich Familien vor einem wirtschaftlichen Stillstand in Europa, indem sie Geschäftsmodelle ausschließen, die durch technologische Veralterung, Disruptionen oder wirtschaftliche Stagnation auszutrocknen drohen.

Gibt es von Anbieterseite, also aus der Asset-Management-Branche, schon genug Antworten auf diese Brüche und Umwälzungen?

Hammes: Die Anbieterseite bietet zwar schon Themenfonds an und aggregiert viele Fragestellungen aus einer Säkularen Asset Allocation. Damit bildet man bestimmte überdurchschnittliche Wachstumstrends ab, aber reagiert nicht präzise auf die konkreten Vorstellungen, die man sich in der Familie bilden soll. Deswegen steht zuerst die Säkulare Asset Allocation auf der strategischen Ebene – vor dem Investment und vor der Frage, welche Elemente unserem Vermögen helfen, auf diese langfristigen Entwicklungen zu reagieren. Die Themenfonds geben zwar Impulse und Ideen, aber sie problematisieren nicht und erklären keine Risikoszenarien.

Brückner: Für uns spannend und Impuls für einen nächsten Schritt ist die Frage, inwieweit die Perspektive, die Vermögensinhaber und Produktanbieter einnehmen, übereinstimmen oder unterschiedlich sind. Die Frage nach dem Zeithorizont ist ein entscheidender Faktor. Wenn wir durch die Studie verstanden haben, wie sich Familien und Vermögenseigner zu diesen Themen positionieren, soll im kommenden Jahr eine vergleichbare Befragung der Portfoliomanager und Investmentchefs folgen. Sie sind für die Allokation solcher Themenfonds verantwortlich. Und wir wollen verstehen, wie sie auf die genannten säkularen Dynamiken blicken und diese Einschätzungen in ihre Produkte übersetzen.

Sie wollen als Vermögensinhaber oder Family Officer an der Befragung teilnehmen? Hier gehts zur Umfrage (Dauer: 10 bis 15 Minuten).

Wann ist mit den Ergebnissen der ersten Umfrage zu rechnen?

Brückner: Die Erhebung soll bis Ende Januar im Feld sein. Im Frühjahr 2025 wollen wir mit den Ergebnissen nach außen gehen. Bis dahin hoffen wir auf möglichst viele Daten. Denn der Datenpunkt ist das Gold der empirischen Forschung. Jeder Vermögensinhaber oder Single Family Officer, der mit seinen Einschätzungen beiträgt, erhält mit Erscheinen die Ergebnisse, kann daraus praktische Implikationen ableiten und sich in die Diskussion miteinbringen. Wir setzen darauf, dass das für viele interessant ist.


Über die Interviewten: 

Yvonne Brückner leitet Resfutura, ein Institut für unternehmerische Zukunftsstrategien. Brückner hat unter anderem in einer Studie das Verhältnis von Vermögensinhabern zu Nachhaltigkeit untersucht. Zudem ist sie Initiatorin des ersten und bislang einzigen Verbands für Family Offices im deutschsprachigen Raum.

Christian Hammes ist Geschäfts­führer des Eta Family Office in München. Zuvor war er von 2012 bis 2014 im Vorstand des Vermögensverwalters Do Investment tätig und blickt auf weitere Berufsstationen bei der BHF­-Bank und der früheren Dresdner Bank zurück. Seit 2019 ist er Host des Podcasts „Das große Bild“, den das private banking magazin seit 2019 gemeinsam mit Hammes produziert.

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