Kommentar von Oliver Fischer Warum sich beim Thema Nachhaltigkeit eine neue Dynamik zeigt

Oliver Fischer von Arete Ethik Invest

Oliver Fischer von Arete Ethik Invest: „Deutschland kann mit seinem umfangreichen Know-how im Ingenieurswesen zeigen, dass sich moderne umweltfreundliche Technologien auch wirtschaftlich rechnen können.“ Foto: Arete Ethik Invest

Der Photovoltaik-Ausbau befindet sich in Deutschland auf Rekordkurs. Auch bei der Windenergie gibt es ehrgeizige Ausbaupläne, vor allem im Offshore-Bereich. Damit stellt sich jedoch die Problematik der Grundlastfähigkeit. Das wirft wiederum die Frage auf, was als ökologisch vereinbar einzustufen ist.

Im Juli wurden laut Bundesnetzagentur Photovoltaik-Anlagen mit einer installierten Leistung von 1200 Megawatt in Betrieb genommen – so viel wie noch nie zuvor in einem einzelnen Monat. Im bisherigen Jahresverlauf wurden schon 7695 Megawatt Photovoltaik-Leistung neu ans Netz angeschlossen. Zum Vergleich: Das Kernkraftwerk Emsland hatte eine Leistung von 1400 Megawatt. Sogenannte Balkonkraftwerke, die sich vergleichsweise einfach installieren lassen, erleben sogar einen regelrechten Boom.

Solar und Wind liefern in Deutschland mittlerweile an guten Tagen schon mehr als die Hälfte des Stroms. Im Jahr 2030 sollen es bereits 80 Prozent sein. Damit will die Bundesrepublik die Umwelt entlasten und gleichzeitig unabhängiger von Energieimporten aus politisch nicht zuverlässigen Ländern werden. Doch bei der Geschichte gibt es einen Haken. Wind- und Solarkraft sind nicht grundlastfähig. Vereinfacht ausgedrückt geht Deutschland der Saft aus, wenn Dunkelflaute herrscht.

Ohne konventionelle Kraftwerke geht es nicht

Zwar lässt sich rein technologisch betrachtet die Grundlastfähigkeit durch stationäre Stromspeicher gewährleisten. Doch die sind bislang einfach zu teuer. Deutschland mit einer noch immer starken Industrie kann sich einen (zu) hohen Strompreis nicht leisten. Daher kommt für die Wind- und Solarkraft nur eine Kombination mit herkömmlichen Kraftwerken infrage, um 24/7 ausreichend Strom zu liefern.

Andere Länder, allen voran Frankreich, setzen auf Kernenergie. Diese gilt dort als umweltverträglich, da hier bei der Stromproduktion kaum CO2 entsteht. Allerdings ist Kernkraft sehr viel teurer als vielfach dargestellt. Versicherer sind nicht bereit, Kernkraftwerke vollumfänglich zu versichern. Das Gros der Risiken wird daher einfach sozialisiert und auf die Gesellschaft abgewälzt. Außerdem ist die Endlagerung des Atommülls in vielen Ländern noch völlig ungeklärt. 

Damit bleiben eigentlich nur fossile Kraftwerke, um durchgängig über ausreichend Strom zu verfügen. Hier stellen moderne Gaskraftwerke sicherlich das kleinste Übel dar. Als die EU-Kommission diese im vergangenen Jahr als klimafreundlich einstufte, gab es hierzulande allerdings einen Aufschrei. Natürlich stoßen Gaskraftwerke (zu) viel CO2 aus, ihre Klimabilanz fällt aber zumindest besser aus als die von Kohlekraftwerken. Zudem lassen sich moderne Gaskraftwerke perspektivisch auf Wasserstoff umrüsten, wenn dieser in ausreichender Menge vorhanden ist.

 

Bei der Beurteilung von Gaskraftwerken spielt es eine entscheidende Rolle, was für Gas verfeuert wird. Aus den USA importiertes Flüssiggas (LNG) schneidet hinsichtlich der Ökobilanz extrem schlecht ab. Dort wird das Gas durch Fracking gewonnen, dann wird es unter einem hohen Energieaufwand auf minus 162 Grad heruntergekühlt, um es in einen flüssigen Aggregatzustand zu überführen. Anschließend geht es mit Tankern übers Meer nach Europa, wo das LNG wieder regasifiziert und in das Gasleitungsnetz eingespeist wird. Dass dieses Prozedere alles andere als umweltgerecht ist, liegt auf der Hand. 

Außerdem sind Zweifel angebracht, ob es sich bei den USA unter einem möglichen Präsidenten Donald Trump tatsächlich um einen zuverlässigen Lieferanten handelt. Ähnliches gilt für die Länder aus dem Mittleren Osten. Schließlich dürfte sich LNG spürbar verteuern, wenn sich die Wirtschaft in China wieder erholen sollte. 

Zudem sind die großen amerikanischen Gasproduzenten fast alle auch im Ölgeschäft tätig. Aktien oder Anleihen von Exxon, Chevron und Co. müssen unter Nachhaltigkeitsaspekten weiter außen vor bleiben. Etwas anders sieht es möglicherweise aus, wenn das Gas aus Europa, also vor allem aus der Nordsee stammt. Das ist zwar unter Umweltgesichtspunkten sicherlich auch fragwürdig, aber zumindest besser als LNG aus den USA oder dem Mittleren Osten. Bei der Thematik Gas und Nachhaltigkeit besteht somit zumindest Diskussionsbedarf. 

Sind Waffen tatsächlich nachhaltig?

Gleichzeitig ist beim Thema Rüstungsgüter Bewegung aufgekommen. Durch den Überfall der Russen auf ihr angebliches Brudervolk in der Ukraine sind plötzlich Stimmen laut geworden, die Waffen als nachhaltig einstufen, da sie Menschenleben verteidigen beziehungsweise retten können. Doch so einfach ist die Angelegenheit nicht.

So ist die Unterscheidung zwischen Angriffs- und Verteidigungswaffen äußerst problematisch. Im Zweifelsfall dienen Waffen immer dazu, Menschen zu verletzen oder zu töten. Außerdem zeigt der Krieg in der Ukraine, dass die Rüstungslieferungen des Westens zu einem Zermürbungskrieg geführt haben, bei dem auf beiden Seiten jeden Tag Menschen ihr Leben verlieren. Daher stellen Waffen unter ethischen Gesichtspunkten nach wie vor ein Tabu dar.

Die Themen Nachhaltigkeit und Umweltschutz werden zudem auch immer wieder generell infrage gestellt. Kritiker der Energiewende führen gerne das Argument an, dass Deutschland bei den weltweiten CO2-Emissionen nur eine völlig untergeordnete Rolle spielt. Das ist für sich genommen nicht einmal falsch. Aber Deutschland kann mit seinem umfangreichen Know-how im Ingenieurswesen zeigen, dass sich moderne umweltfreundliche Technologien auch wirtschaftlich rechnen können, was dann zum Umdenken und zur Nachahmung in anderen Ländern führen wird.


Über den Gastautor:

Der Autor Oliver Fischer ist Partner und Präsident des Verwaltungsrates bei der Arete Ethik Invest und für das Relationship- und Solutions-Management tätig. Bevor der Diplom-Betriebswirt zur Arete Ethik Invest wechselte, arbeitete Fischer für das Privatbankhaus Hauck Aufhäuser Lampe.

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