Was wird also wichtig, um Stiftungen und andere zivilgesellschaftliche Player zukunftsfähig und digital aufzustellen? Dafür haben wir eine Liste erstellt, ausdrücklich ohne den Anspruch auf Vollständigkeit oder Priorisierung – das muss jede Organisation für sich herausfinden. Die darin enthaltenen Fragen sind nur ein erster Gedanken-Anstoß für den Prozess einer tieferen Selbst-Analyse, die folgende Dimensionen haben sollte:
I. Kultur
- Welche Kultur haben wir seit der Gründung für uns entwickelt – bzgl. Umgang mit Mitarbeitenden, Stakeholdern und Unterstützern?
- Ist das so heute noch zeitgemäß?
- Wird das stringent und konkludent gelebt?
- Was davon findet sich in der Satzung wieder?
- Leben wir das, was der Stifter in der Satzung als Stifterwillen ins Stammbuch geschrieben hat?
- Muss gegebenenfalls die Satzung modernisiert werden? Kooperation mit Stiftungsaufsicht
II. Verwaltung und Struktur
- Was wird noch manuell gemacht und könnte in digitalen Prozessen vereinfacht oder automatisiert werden? Stichwort: papierloses Büro
- Haben wir eine Zentrale, in die Mitarbeitende immer zur Arbeit kommen müssen, oder wurde bereits eine dezentrale, flexible Struktur für hybride Arbeitsprozesse implementiert? Wenn nein: wie können bzw. sollten diese für uns definiert sein?
- Haben wir die richtigen Menschen auf den richtigen Positionen?
- Hangeln wir uns mit Praktikanten und Werksstudenten von Hürde zu Hürde, und wenn ja: welche Voraussetzungen brauchen wir, um endlich richtige Profis bezahlen zu können? Welche reputativen Auswirkungen hat das für unserer Organisation?
III. Kommunikation
- Haben wir eine aktuelle und Zielgruppen-orientierte Homepage?
- Wäre eine Aktivität auf Social Media Zielgruppen-orientiert? Behalten – neu aufsetzen – löschen?
- Was sind die aktuellen Kommunikationskanäle/-anlässe/-häufigkeit, und welche Response wird generiert?
- Analysieren wir das Nutzerverhalten der Besucher?
- Wie müssen wir die Kommunikation ändern, um für die Nutzer attraktiv zu werden? dialogfähig – wiederkehrend – dramaturgisch durchdacht – Vorlauf?
IV. Fundraising
- Gibt es professionelle Fundraiser in der Organisation?
- Jetzt-spenden-Button auf der Homepage und Social Media vorhanden? Wenn ja: Zahlung auch mit Kreditkarten und gängigen Krypto-Coins oder digitalen Zahlungsmitteln möglich?
V. Kapitalanlage
- Wie wird das Stiftungsvermögen verwaltet?
- Welche Kontrolle üben die Verantwortlichen tatsächlich aus?
- Werden die dafür Verantwortlichen weiterqualifiziert?
- Gibt es beispielsweise schon tokenisierte Real Assets im Portfolio?
VI. Existenzberechtigung
- Hat die Organisation unter diesen aktuellen Umständen noch eine?
- Gab es bereits Anmerkungen von der Stiftungsaufsicht oder vom Finanzamt bezüglich der Fortführung oder der möglichen Aberkennung der Gemeinnützigkeit?
- Wäre die Fusion mit einer anderen Stiftung, zum Beispiel als Stiftungsfonds unter deren Dach, eine Option? Wenn nein: warum nicht?
Veränderungswille muss aus der Führungsebene von Stiftungen kommen
Wie der Coaching-Prozess für Führungskräfte, ist auch der Prozess der Digitalisierung einer, der eines erfahrenen Lotsen bedarf, der ihn von außen begleitet. Schließlich geht es um Weichenstellungen, die einer gehörigen Reflexion bedürfen, und die unter Umständen auch fundamental-nachhaltige Auswirkungen zeitigen können. Obwohl uns nichts so beständig begleitet wie die Veränderung, fürchten die meisten Menschen diese und wehren sich dagegen.
Die moderierende Supervision ist ein erster sinnstiftender Schritt, damit der Prozess – gerade in größeren Organisationen – nicht schon von innen torpediert wird bevor er überhaupt gestartet werden kann. Dabei wird keineswegs nur der Ist-Zustand analysiert, sondern auch das Ziel festgelegt – beispielsweise in den dargestellten Dimensionen.
Oft hören wir dazu, dass das unnötig sei, weil man ja die Organisation seit Jahren in- und auswendig kenne. Aus unserer Erfahrung ist das ein Abwehrreflex und ein deutliches Alarmsignal, der uns schon im Vorfeld zeigt, wie dringend und notwendig Veränderung tatsächlich wäre. Nur zeigt sich auch hier die Parallele zum Coaching: der Veränderungswille muss von innen heraus und aus der Führungsebene kommen, und in die Organisation transfundieren – sonst bleibt es am Ende doch nur ein von vornherein zum Scheitern verurteiltes, übergestülptes IT-Projekt.
Sich Hilfe zu holen, ist in keinem Bereich ein Zeichen von Schwäche – vielmehr befähigt es Sie vom Zuschauerrand in den Fahrersitz zu gelangen. Und da gehören Sie als Stiftungsverantwortlicher schließlich auch hin.
Über die Autoren:
Stefan R. Haake ist Stiftungsmanager (DSA), Vorstand der Weltkultur Stiftung, Mitbegründer und Vorsitzender des Vorstandes im Stifter Salon e.V. München. Er war bereits mehrfach Gast zum Thema Blockchain im Podcast des Stiftungsmarkplatz und ist zudem CPO/COO der Cometum und Certified Crypto Finance Expert (SAQ).
Ferenc von Kacsóh ist Geschäftsführender Gesellschafter des Family Office Pariter Fortis, Stiftungsmanager (EBS) und ebenfalls im Vorstand des Stifter Salon München e.V. Pariter Fortis berät als Advisory-Boutique etablierte Unternehmer in Wandlungsprozessen und Start-ups aus dem Fintech-Segment über FMCG und Dienstleistungen bis zu digitalisierten Geschäftsmodellen.