Analyse Appell an Stiftungsvorstände: Digitalisierung ist kein IT-Projekt

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Umso wichtiger ist es daher, dass zivilgesellschaftlich bedeutsame Organisationen – wie Unternehmen und Stiftungen das häufig sind – sich intensiv mit der Digitalisierung beschäftigen. Sie sollten die Aufgabe keineswegs als IT-Projekt behandeln oder gar an einen externen EDV-Dienstleister auslagern, sondern in aller Ernsthaftigkeit in der Unternehmensführung, im Vorstand und Kuratorium anpacken. Es ist eben mal wieder mehr als die Summe seiner Teile – also mehr Mindset als nur ein Projekt.

Die digitale Kommunikation beherrschen mittlerweile doch mehr als die Hälfte aller Stiftungen: Das Telefax hat zumeist ausgedient, ein Großteil hat sogar eine Homepage, und sogar eine Profilseite bei Facebook oder Instagram. Leider hört es dann aber auch schon sehr schnell auf: Einst hatte ein Praktikant oder Werksstudent diese Seiten eingerichtet.

Traurige Tatsache aber ist, dass seither, wenn überhaupt, nur noch vielleicht ein Gruß zur Weihnacht oder zum Neuen Jahr gepostet wurde. Wenn die Passwörter überhaupt noch zugänglich sind. Ob die Mitglieder eines e.V. oder die Unterstützer einer Stiftung jemals mittels Software digital erfasst wurden, um effizient mit ihnen zu kommunizieren, das steht dann schon auf einem ganz anderen Blatt.

Von den vielfältigen Möglichkeiten, das Vermögen der Organisation digital zu allokieren und aktiv zu managen, wollen viele Verantwortliche dann aber schon – oder immer noch –  aus Prinzip die Finger lassen. Obwohl sie sehr genau wissen, dass das, was sie analog per Fax oder persönlich am Schalter anordnen, danach sowieso längst digital ausgeführt wird. Und das trotz der allseitig-traurigen Erkenntnis, dass sich die persönliche Bankberatung im Allgemeinen aus der Fläche zurückzieht.

Wie mittlerweile allgemein bekannt, ist – aus neurowissenschaftlicher Sicht – das Gehirn ein Muskel, der trainiert werden will. Die Darwin'sche Kurzformel Use it or lose it (Was nicht gebraucht wird, wird eliminiert) gilt für das Gehirn als mentalen Bewegungsapparat genauso wie für das physisch-muskuläre Pendant. Die gute Nachricht ist, dass man den meisten Stiftungsverantwortlichen unterstellen darf, dass ihnen dieser Umstand sehr und zuweilen auch schmerzhaft bewusst ist. Die Frage ist nur, welche Schlussfolgerung sie daraus für ihre Organisation ziehen – und dann auch in die Tat umsetzen.

Nicht nur in Stiftungen: Digitalisierung ist existenziell

Für den Fortbestand von Stiftungen ist es also aus unserer Sicht von existenzieller Bedeutung, dass der Prozess der Digitalisierung auf höchster Ebene gedacht, entwickelt und getragen wird. Uns ist es durchaus gegenwärtig, dass das für so manche Stiftung eine große Herausforderung sein kann.

Die tatsächliche Schwierigkeit liegt aber weniger in der Umsetzung des Digitalisierungsprozesses selbst, sondern vielmehr in der – für viele durchaus schmerzhaften – Erkenntnis, dass über viele Jahre tradierte Prozesse in Zukunft so auf keinen Fall mehr funktionieren werden, alte Muster ihre Zug- und Wirkkraft verlieren, und dass sich selbst Wertekoordinaten potenzieller und loyaler Unterstützer verschieben oder gar bereits verschoben haben. Dabei ist es eben vielmehr das schon zitierte Mindset als vermeintlich hohe Kosten, die das Thema treiben würden.

Auch das veränderte Anforderungsprofil der Stiftungsaufsichten bezüglich der Verantwortung der Stiftungsgremien dürfte in den kommenden Jahren eine Herausforderung darstellen. So hat man für viele kleine Stiftungen die Regulatorik temporär fast außer Kraft gesetzt – einerseits wegen der langen Niedrigzinsphase, andererseits wegen der Auswirkungen der Pandemie – um deren Lage nicht noch weiter zu verschärfen.

Doch die Stoßrichtung ist klar: Ziel der Aufsichten ist es, die vielen kleinen Stiftungen, die – wie wir es nennen – „positiv insolvent" sind, durch Fusionen zu vereinen, um so die Zahl der zu überwachenden Organisationen gesund zu schrumpfen. Dabei wird gerne übersehen, dass eines der Lehren der Covid-19-Pandemie doch ist, dass kleine, dezentrale und agile Organisationen eine höhere Wirkkraft – neudeutsch Impact – entfalten können, als große, schwerfällig gewordene Organisationen.

Ein Rädchen, an dem der Impact hochgeschraubt werden könnte, wäre also – ohnehin schwer genug – damit gefunden. Doch die Pandemie neigt sich dem Ende zu, die Zinsen steigen – wenn derzeit auch nur marginal – wieder an, und die nicht ganz harmlose Stiftungsreform tritt auch demnächst in Kraft.

Was bedeutet Digitalisierung für die Anlagestrategie einer Stiftung?

Die die Digitalisierung macht vor der Anlagestrategie einer Stiftung oder einer gemeinnützigen Organisation ganz gewiss keinen Halt. Daher ist es keine Frage mehr ob sondern wann die Verantwortlichen ihre Anlagestrategie auch auf digitale Kapitalanlagen wie tokenisierte Real Assets erweitern werden. Sie müssen es spätestens dann, wenn das Grundbuch auf die Blockchain kommt – was keineswegs mehr eine Utopie ist.