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Bluebay-CIO im Interview „Anleihen können sich dem ESG-Mainstream nicht mehr entziehen“

Mark Dowding

Mark Dowding: „Wir gehen davon aus, dass im Fixed-Income-Bereich 2021 nur Hochzinsanleihen, nachrangige Bankanleihen und Schwellenländeranleihen Renditen von mehr als 3 Prozent liefern werden.“ Foto: Bluebay

Herr Dowding, während sich andere Vermögensverwalter mit kontroversen Aussagen eher zurückhalten, sprechen Sie diese immer wieder deutlich an. Stichwort: Schuldenschnitt für die Eurozone. Ist das Freiheit oder Notwendigkeit?

Mark Dowding: Das Konzept eines Schuldenerlasses ist durchaus kontrovers. Aber es ist eine ernstzunehmende Überlegung für die Zeit nach Covid-19. Warum? Weil Sparmaßnahmen oder höhere Steuern nicht die einzigen Optionen gegen die gestiegene Staatsverschuldung sind. Außerdem gehe ich nicht davon aus, dass die Anleihen, die die Europäische Zentralbank und andere Notenbanken kaufen, jemals wieder auf den Markt kommen werden. Die Ausweitung ihrer Bilanzen ist dauerhaft.

Ich habe mit Politikern aus der deutschen Regierung und Verantwortlichen in der EZB gesprochen: Sie treiben die Idee eines Schuldenschnitts voran, damit nicht ein weiteres Jahrzehnt fiskalischer Sparmaßnahmen droht. Denn diese führen zu enttäuschenden Wachstumsergebnissen und bergen Risiken für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Zu Ihrer Frage rund um das Ansprechen kontroverser Themen: Einige meiner Kommentare sind sicherlich sehr pointiert. Sie basieren aber immer auf fundierten Überlegungen.

Eine weitere Kostprobe: Sie haben gesagt, Bitcoin-Investoren kümmern sich nicht wirklich um ESG…

Dowding: Mit dieser provokant formulierten Aussage wollte ich natürlich zum Nachdenken anregen. Ich bin davon überzeugt, dass sie nicht falsch ist. Schätzungen zufolge verbraucht das Schürfen von Bitcoin, das sogenannte Mining, mehr Strom als ein Land von der Größe Argentiniens mit 45 Millionen Einwohnern. Daher kann man durchaus argumentieren, dass sich die Hipster und Millennials, die sich derzeit in Kryptowährungen stürzen, einfach nicht um ESG kümmern und eher auf das schnelle Geld aus sind.

In ähnlicher Weise müssen sich Anleger des Elektroautoherstellers Tesla fragen: Wird die Kohlenstoffreduzierung, die sie durch eine Investition zu erreichen glauben, in der Praxis nun durch die Entscheidung des Unternehmens für Bitcoin-Investments ins Gegenteil verkehrt?

Spiegelt Ihre freimütige Art letztlich auch die Unternehmenskultur von BlueBay Asset Management wider?

Dowding: Absolut. Neben Respekt und Teamwork sowie höchstem Qualitätsanspruch ist Integrität eine Säule unserer Grundwerte. Dazu gehört, nicht immer den leichtesten Weg einzuschlagen, sondern den besten – und eben die Dinge auch einmal klar beim Namen zu nennen.

Ihr Credo bei BlueBay Asset Management lautet: „It’s all about politics und policy.“ Könnten Sie das kurz erläutern?

Unser Unternehmen wurde 2001 gegründet, also eineinhalb Jahre nach der Einführung des Euro. Schon damals war klar: Es wird zu unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklungen, Marktveränderungen und Verwerfungen in den verschiedenen europäischen Ländern kommen – und damit zu Chancen am Kapitalmarkt. So war es schließlich auch. Unsere Überzeugung, dass es letztlich immer um Politik sowie das regulatorische Umfeld geht und die sich daraus ergebenden Implikationen für die Kapitalmärkte, prägt seit jeher unsere Unternehmenskultur und Anlagestrategie. Heute ist sie aktueller denn je.