Themen-Experte
CANDRIAM

ANZEIGE

 

Themen-Experte
CANDRIAM

ANZEIGE
ANZEIGE

Anleihenmärkte im Umbruch Warum Anleger jetzt die Kapitalströme fest im Blick behalten müssen

Store eines namhaften Tech-Unternehmens In New York

Store eines namhaften Tech-Unternehmens In New York: Besonders gefragt sind derzeit defensive Branchen, die weniger anfällig für konjunkturelle Schwankungen sind – etwa die Telekommunikationsindustrie. Foto: Imago Images / Levine-Roberts

Charudatta Shende, Head of Client
Portfolio Management Fixed Income
and Fixed Income Strategist
bei Candriam

Eine Kombination aus politischen Spannungen, wirtschaftlicher Unsicherheit und divergierenden geldpolitischen Strategien sorgte im April für starke Turbulenzen.

Anleger sahen sich mit einem Mix aus neuen Zöllen, scharfer Rhetorik und wechselseitigen Drohungen konfrontiert. Diese Entwicklungen lösten eine spürbare Nervosität aus: Die Marktteilnehmer begannen, ihre Erwartungen an das künftige Wirtschaftswachstum zu korrigieren, das Risiko einer Rezession einzupreisen und sich verstärkt aus riskanteren Anlageklassen zurückzuziehen.

Besonders die unterschiedlichen geldpolitischen Signale auf beiden Seiten des Atlantiks heizten die Unsicherheit zusätzlich an. In Europa reagierte die Europäische Zentralbank (EZB) mit einem klaren Kurs: Aus Sorge um schwache Inflationsdaten und nachlassendes Wachstum senkte sie die Zinssätze, um die Konjunktur zu stützen.

Ganz anders agierte die US-Notenbank (Fed). Trotz zunehmender Forderungen nach einer Lockerung der Geldpolitik hielt sie an ihrer Linie fest – mit dem Argument, dass steigende Zölle den Inflationsdruck erhöhen könnten. Dieser Gegensatz führte zu Spannungen auf den ohnehin bereits sensiblen Kreditmärkten, die unter dem Druck globaler Unsicherheiten standen.

Das Risiko nimmt mit dem Anstieg der Spreads zu

Als die Risikoaversion um sich griff, kam es an den Kreditmärkten für Investment-Grade- und High-Yield-Anleihen zu einer deutlichen Ausweitung der Spreads. In Europa stiegen die IG-Spreads um 30 Basispunkte auf 125 Basispunkte, während die HY-Spreads um 100 Basispunkte auf 429 Basispunkte kletterten.

Ein ähnliches Muster zeigte sich in den Vereinigten Staaten, wo sich die IG-Spreads um 25 Basispunkte auf 121 Basispunkte und die HY um 105 Basispunkte auf 461 Basispunkte ausweiteten.1 Die Kreditmärkte reagieren traditionell empfindlich auf Anzeichen einer drohenden Rezession – so auch diesmal: Die Anleger begannen, zunehmend pessimistischere Wirtschaftserwartungen in ihre Bewertungen einzupreisen.

 

Doch dann kam es, wie so oft, zu einer überraschenden Wende aus Washington: US-Präsident Donald Trump schlug plötzlich einen versöhnlicheren Ton gegenüber China an und stellte eine 90-tägige Aussetzung neuer Zölle in Aussicht. Diese Kurskorrektur sorgte kurzfristig für Erleichterung und trug dazu bei, die angespannte Stimmung an den Märkten etwas zu beruhigen.

Daraufhin gingen die Credit Spreads deutlich zurück: In den USA verringerten sich die Spreads für IG auf 109 Basispunkte und für HY auf 394 Basispunkte, während sie in Europa auf 111 Basispunkte für IG und 370 Basispunkte für HY sanken.2

Quellen: Candriam, Bloomberg, Stand: 30.04.2025.

Risse unter der Oberfläche: Schwächere Fundamentaldaten

Die Erschütterungen im April haben deutliche Spuren hinterlassen – sowohl an den Märkten als auch in der Unternehmenswelt. Das wirtschaftliche Umfeld hat sich spürbar eingetrübt. Viele Firmenchefs zeigen sich zunehmend verunsichert angesichts der politischen Unwägbarkeiten und verzichten darauf, belastbare Prognosen abzugeben. Besonders stark betroffen sind der Einzelhandel und die Automobilbranche, in denen die Planungsunsicherheit besonders hoch ist.

 

1 Europa Investment Grade: ICE BofA Euro Corporate Index; Europa High Yield: ICE BofA Euro High Yield Index; US Investment Grade: ICE BofA US Corporate Index; US High Yield: ICE BofA US High Yield Index. Quelle: Bloomberg. Stand der Daten: 09/04/2025.

2 Gleiche Indizes wie in Fußnote 1 per 30.04.2025

 

In den USA spitzt sich die Lage weiter zu: Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen steigt beunruhigend stark an. Laut S&P Global meldeten im ersten Quartal 2025 insgesamt 188 größere Unternehmen Insolvenz an – der höchste Stand in einem Quartal seit 2010.

Ein zusätzliches Problem drückt die Kreditmärkte: In diesem Jahr müssen Sub-Investment-Grade-Unternehmen Schulden in Höhe von rund 150 Milliarden US-Dollar refinanzieren. Angesichts des gestiegenen Zinsniveaus führt das zu deutlich höheren Finanzierungskosten – ein weiterer Belastungsfaktor für bereits angeschlagene Firmen.

Liquidität vor Fundamentaldaten: Technische Faktoren steuern die Kreditmärkte

In der aktuellen Marktphase rückt ein zentrales Thema in den Fokus der Kreditmärkte: die technische Marktverfassung. Da sich die wirtschaftlichen Fundamentaldaten weiter eintrüben, reagieren die Märkte zunehmend empfindlich auf Liquiditätsverhältnisse und Kapitalflüsse.

In den vergangenen Wochen kam es zu deutlichen Mittelabflüssen – sowohl aus Investment-Grade-Fonds (IG) in den USA und Europa als auch, in noch stärkerem Maße, aus den ohnehin anfälligeren High-Yield-Märkten (HY). Die genauen Zahlen schwanken zwar, doch der Trend ist klar: Die Risikobereitschaft der Anleger nimmt spürbar ab.

 

Quelle: JPMorgan, Stand: 25.04.2025.

Hohe Renditen, hohe Risiken: Warum technische Signale jetzt den Takt vorgeben

Mit Blick auf die Zukunft hängen die Aussichten für die Kreditmärkte weitgehend von diesen technischen Faktoren ab. Einerseits bieten die hohen Renditen – rund 5 Prozent für US-amerikanische IG und 3 Prozent für europäische IG und fast 6 bzw. 8 Prozent für europäische und US-amerikanische HY3 – einen attraktiven Carry und einen Puffer gegen weitere Spread-Ausweitungen.

Auch im Vergleich zu anderen Risikoanlagen haben sich Unternehmensanleihen im bisherigen Jahresverlauf als bemerkenswert widerstandsfähig erwiesen. Außerdem verschlechtern sich die Fundamentaldaten zwar, aber von einem relativ robusten Niveau aus, was darauf hindeutet, dass keine unmittelbare Krise droht. Dies könnte dazu führen, dass die Abflüsse etwas eingedämmt werden und Anleger wieder positiv gestimmt werden.

Die Marktpsychologie ist jedoch nach wie vor brüchig. Negative Schlagzeilen oder eine Risk-off-Stimmung könnten weitere Abflüsse auslösen, die Spreads unter Druck setzen und die Volatilität verstärken. Besonders kritisch sehen Marktbeobachter das Risiko der „Gefallenen Engel“ – also großer Unternehmen wie Ford, deren Bonität von Investment Grade (IG) auf High Yield (HY) herabgestuft wird. Solche Herabstufungen können erhebliche Auswirkungen haben: Sie belasten die Marktliquidität und erhöhen den Verkaufsdruck, da viele institutionelle Anleger aus regulatorischen oder strategischen Gründen keine HY-Anleihen halten dürfen und zum Verkauf gezwungen sind.

 

Selektives Vorgehen zahlt sich aus: Neue Chancen in fragmentierten Kreditmärkten

Trotz aller Turbulenzen bieten die aktuellen Marktbedingungen auch Chancen. Die Kreditmärkte befinden sich zunehmend in einem Zustand größerer Vielfalt und Uneinheitlichkeit – was gezielte Auswahlstrategien bei Sektoren und Emittenten umso wichtiger macht.

Besonders gefragt sind derzeit defensive Branchen, die weniger anfällig für konjunkturelle Schwankungen sind – etwa die Telekommunikationsindustrie. Sie dürfte sich stabiler entwickeln als zyklische Sektoren wie der Automobilbau oder der Einzelhandel, die stärker unter der wirtschaftlichen Unsicherheit leiden.

Auch regional zeichnen sich Unterschiede ab: Europäische Unternehmensanleihen könnten sich als robuster erweisen, da die Europäische Zentralbank mit ihrer geldpolitischen Unterstützung für ein günstigeres Umfeld sorgt. In den USA hingegen belasten hohe Zinsen und anhaltender Inflationsdruck die Unternehmen stärker – entsprechend anfälliger zeigen sich dortige Unternehmensanleihen.

In einem so dynamischen Marktumfeld sind Anleger gut beraten, sich flexibel aufzustellen und die technischen Markttrends genau im Blick zu behalten. Anstatt sich gegen die Strömungen zu stemmen, sollten sie gezielt mit ihnen arbeiten – also selektiv investieren, Chancen nutzen und ihr Portfolio so ausrichten, dass es nicht nur Stabilität bietet, sondern auch von den aktuellen Kräften profitiert, die die globalen Kreditmärkte prägen.

 

3 Europa Investiment Grade: ICE BofA Euro Corporate Index; Europa High Yield: ICE BofA Euro High Yield Index; US Investment Grade: ICE BofA US Corporate Index; US High Yield: ICE BofA US High Yield Index. Quelle: Bloomberg. Daten zum 31.03.2025. 

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?
Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen