Anlagewelt aus den Fugen Welche Renditen noch realistisch sind

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An der Frage nach dem Warum scheiden sich die Geister. Für die einen sind die Zentralbanken schuld: Sie versuchen mit immer tieferen Zinsen und höheren Dosen an Geld die Wirtschaft zu päppeln. Das Geld kommt aber nicht im Kreislauf an, weil Unternehmen es zum Teil gar nicht wollen. Also kaufen die Zentralbanken Anleihen, halten Regierungen finanziell so den Rücken frei und hoffen, dass die die Zeit nutzen und die Wirtschaft auf Vordermann bringen und Ausgabenprogramme fahren. Eine bislang trügerische Hoffnung.

Kritiker dieser Theorie halten dagegen, dass die Zinsen auch ohne Zutun der Zentralbanken tief liegen würden. Ein Argument ist der Umstand, dass sich weltweit das Verhältnis von Sparen und Investieren in Richtung Sparen verschoben hat. Im Jahr 1980 – weiter reichen die Daten nicht zurück – lag die Investitionsquote laut Internationalem Währungsfonds weltweit bei 26,4 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP), die Sparquote nur bei 23,8 Prozent. Das deutet auf Geldmangel in Höhe von 2,6 Prozent des Welt- BIP hin. 2019 lag die Investitionsquote zwar ähnlich hoch wie 1980, die Sparquote übertraf sie aber um 0,3 Prozentpunkte. Demnach herrschte also Geldüberschuss. Allerdings gab es auch schon 2006 und 2007 solche Sparüberschüsse, und da lagen die Zinsen deutlich höher als heute.

Ein zweites Argument führt der Wirtschaftsweise Peter Bofinger ins Feld, indem er in einem Spiegel-Streitgespräch auf Unternehmensgewinne hinweist, die nicht wieder investiert würden. Und wer hier sofort an Apples riesigen Cash-Berg von über 200 Milliarden Dollar denkt, der liegt dabei gar nicht mal falsch. „Das ist völlig unproduktives Geld“, bestätigt auch Reinhard Pfingsten.

Ganz von der Schuld am Zinsdilemma befreien kann man die Zentralbanken aber nicht. Denn eine Rendite unter null kann nicht von selbst entstehen. Sie widerspricht dem gesunden Menschenverstand und den Grundregeln der Wirtschaft. So weist der Chefvolkswirt von Degussa-Goldhandel, Thorsten Polleit, in einem Marktkommentar auf den sogenannten Urzins hin. „Er besagt, dass ein gegenwärtig verfügbares Gut einem Gut (von gleicher Art und Güte und unter gleichen Bedingungen), das erst künftig erhältlich ist, vorgezogen wird.“

Heißt im Umkehrschluss: Bei einem unterstellten negativen Zins wäre es besser, eine Sache später zu bekommen als jetzt gleich. Eine Theorie, die jedes fünfjährige Kind in zehn Sekunden mit Gebrüll zerlegen kann. Damit lassen sich zwei Dinge festhalten: Erstens, die Zinsmärkte sind manipuliert, und zweitens, sie werden es noch eine Weile bleiben.     

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