Set-up eines jeden Vermögensverwalters Warum gute Anlagerichtlinien so wichtig sind

Peter Frey von der Annerton Rechtsanwaltsgesellschaft

Peter Frey von der Annerton Rechtsanwaltsgesellschaft: Er berät seit vielen Jahren zu aufsichts- und zivilrechtlichen Fragen in der Vermögensverwaltung

Die europäische ESG-Regulierung ist in aller Munde. Sie wird auch weitreichende Auswirkungen auf Finanzdienstleister haben, die eine individuelle Vermögensverwaltung anbieten. Unter anderem nimmt sie Einfluss auf die Gestaltung der Anlagerichtlinien, die Berater mit den Kunden im Rahmen der Vermögensverwaltung vereinbaren. Der EU-Aktionsplan zur Finanzierung eines nachhaltigen Wachstums sieht insoweit vor, die Mifid-II-Rechtsakte um ESG-Komponenten zu ergänzen.

Diese Erweiterung verpflichtet den Vermögensverwalter künftig, die Kunden im Rahmen der Geeignetheitsprüfung und des Zielmarktabgleichs nach ihren Nachhaltigkeitspräferenzen zu befragen. Auf Grundlage dieser Abfrage muss er prüfen, ob und welche Nachhaltigkeitsaspekte er in seine Anlagestrategie einzubauen hat, damit diese den Anlagezielender Kunden vollumfänglich entsprechenund daher für die Kunden geeignet sind.

Die für die Anlagestrategie ausgewählten Nachhaltigkeitsaspekte müssen Berater dann in den Anlagerichtlinien, die der Vermögensverwaltung zugrunde liegen, umsetzen. Dies sollte Anlass genug sein, sich mit der Gestaltung von Anlagerichtlinien noch einmal grundsätzlich zu befassen.

Zunächst hilft es, den Blick auf die Funktion von Anlagerichtlinien zu richten. Typisches Kennzeichen der Vermögensverwaltung: Sie befugt den Vermögensverwalter, ohne vorherige Rücksprache mit dem Kunden Entscheidungen über dessen Vermögen zu treffen. Das Ermessen des Vermögensverwalters hierbei ist aber nicht grenzenlos. Oberstes Gebot ist es, die Anlageentscheidungen so zu treffen, dass sie den Anlagezielen und der Risikoneigung des Kunden entsprechen. Zudem sollten die Anlagerisiken, die aus der Vermögensanlage entstehen, für den Kunden finanziell tragbar sein.

Warum Anlagerichtlinien?

Die Anlagerichtlinien konkretisieren die Anlageziele und die Risikoneigung des Kunden. Sie stellen die Leitlinie dar, die der Vermögensverwalter beim Ausüben des Ermessens seiner Anlageentscheidungen hat. Anlagerichtlinien haben also eine Leitplankenfunktion. Diese dient dem Interesse der Kunden und des Vermögensverwalters, da sie hilft, Auslegungsschwierigkeiten und damit spätere Streitigkeiten zu vermeiden.

Ihre Leitplankenfunktion können Anlagerichtlinien allerdings nur dann vollumfänglich erfüllen, wenn sie dem Vermögensverwalter tatsächliche Beschränkungen bei der Vermögensanlage auferlegen (Begrenzung), alle regelungsbedürftigen Aspekte berücksichtigen (Vollständigkeit) und sorgfältig und präzise formuliert sind (Genauigkeit).


Werden für die Vermögensallokation die Bandbreiten der verschiedenen Anlageklassen zu großzügig bemessen, unterliegt der Vermögensverwalter letztlich keinen oder kaum „geschriebenen“ Beschränkungen bei der Vermögensanlage. Im Extremfall beträgt der Freiheitsgrad jeweils bis zu 100 Prozent. Die hierdurch vermeintlich gewonnene Flexibilität ist jedoch trügerisch.

Auch wenn der Kunde auf dem Papier einen großzügigen Entscheidungsspielraum einräumt, ist der Vermögensverwalter in seinen Anlageentscheidungen nicht frei. Er hat dann die von der Rechtsprechung bestimmten Grundsätze zu beachten, beispielsweise Gebot der Risikomischung, Gebot der sicheren und gewinnbringenden Vermögensanlage oder Verbot der Spekulation. Diese Grundsätze beruhen auf dem „mutmaßlichen Interesse“ des Kunden und sind somit der schwer vorhersehbaren Interpretation durch das jeweils zuständige Gericht zugänglich.