Laut Koalitionsvertrag will die künftige Bundesregierung die bAV „stärken“. Vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen soll sie mehr verbreitet und Geringverdiener besser gefördert werden – ohne das weitere Details genannt werden. Der betreffende Paragraf 100 im Einkommensteuergesetz besteht seit 2018 durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz. Er regelt die steuerliche Förderung von Arbeitgeberbeiträgen zur kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung. Die neue Regierung wird vermutlich große Teile des „Zweiten Betriebsrentenstärkungsgesetzes“ (BRSG II) umsetzen, das bereits unter der Ampel-Koalition geplant war.
Zusätzlich will die schwarz-rote Koalition die bAV „digitalisieren“, „vereinfachen“, „transparenter“ gestalten und „entbürokratisieren“. Die Ampel-Regierung hatte als eine ihrer letzten Amtshandlungen das Nachweisgesetz entschärft und unter bestimmten Bedingungen statt der Schriftform die Textform zugelassen. Welche konkreten weiteren Schritte nun folgen, bleibt offen.
Die Koalition plant außerdem, die Mitnahme der betrieblichen Altersvorsorge bei einem Arbeitgeberwechsel zu erleichtern. Schon jetzt erlaubt der Paragraf 4 im Betriebsrentengesetz die Übertragung vom ehemaligen auf den neuen Arbeitgeber. Bei Versicherungen hat der Arbeitnehmer bereits einen Anspruch auf Mitnahme bis zu einem Übertragungswert in Höhe der BBG. Welche konkreten Verbesserungen hier geplant sind, muss die Regierung auch hier noch darlegen.
Die bAV-Branche wünscht sich seit langem weitere Verbesserungen: etwa die Klärung der Mindestbeitragsgarantie in der beitragsorientierten Leistungszusage, die Absenkung des steuerlichen Rückstellungszinses von 6 Prozent und ein Ende der doppelten Krankenkassenbeiträge für Rentner. Im Koalitionsvertrag wird keine dieser Maßnahmen erwähnt.
Weitere Belastungen für die gesetzliche Rentenversicherung
Für die gesetzliche Rentenversicherung sehen Union und SPD keine nachhaltige Reform vor. Im Gegenteil: Die vollständige Angleichung der Mütterrente auf drei Rentenpunkte als weitere versicherungsfremde Leistung belastet das System zusätzlich. Die Haltelinie von 48 Prozent des Mindestsicherungsniveaus der Renten bleibt bis 2031 bestehen, ebenso die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren. Die Regelaltersgrenze bleibt bei 67 Jahren. Gleichzeitig macht die Koalition das Arbeiten im Alter durch eine Aktivrente attraktiver: Wer das gesetzliche Rentenalter erreicht und freiwillig weiterarbeitet, erhält bis zu 2.000 Euro monatlich steuerfrei.
Somit gibt es in dem Papier eine Reihe von falschen Weichenstellungen und verpassten Chancen. Immerhin soll 2029 eine Prüfung der Beitragssätze und des Bundeszuschusses erfolgen. Weiterhin soll eine Rentenkommission bis 2027 „eine neue Kenngröße für ein Gesamtversorgungsniveau über alle drei Säulen prüfen“.
Private kapitalgedeckte Altersversorgung wird obligatorisch
Bei der privaten Altersvorsorge führt die Koalition zum 1. Januar 2026 eine „Frühstart-Rente“ ein: Jedes Kind vom 6. bis zum 18. Lebensjahr, das eine Bildungseinrichtung in Deutschland besucht, erhält monatlich 10 Euro in ein individuelles, kapitalgedecktes und privatwirtschaftlich organisiertes, vor staatlichem Zugriff gesichertes Altersvorsorgedepot.
Ab dem 18. Lebensjahr bis zum Renteneintritt kann dieses Depot bis zu einer Höchstgrenze weiter bespart werden. Die Erträge aus dem Depot sollen bis zum Renteneintritt steuerfrei bleiben, eine Auszahlung erfolgt erst zur Regelaltersgrenze. Damit wird die private, kapitalgedeckte Zusatzvorsorge verpflichtend. Ein Konzept, das den Hebel einer frühzeitigen Altersvorsorge nutzt.
Insgesamt also Höhen und milliardenschwere Tiefen im schwarz-roten Koalitionspapier. Eine grundlegende Reform der gesetzlichen Rente wird nicht angegangen. Wie die betriebliche Altersversorgung tatsächlich gestärkt wird, bleibt abzuwarten. Ebenso darf man gespannt sein auf die Evaluierung der Rentenbeiträge und Bundeszuschüsse sowie die Ergebnisse der Rentenkommission.
Über den Autor
Carsten Schmidts ist Manager bei Lurse. Seine Beratungsschwerpunkte liegen in der Analyse, Bewertung und Neugestaltung von Versorgungsordnungen. Er verfügt über langjährige Erfahrung in der bAV-Beratung. Weitere Karrierestation war als Head of Pensions & Pension Governance bei dem Konzern Metro.